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HEIDELBERG: ABENDS AM FLUSS / HOCHWASSER – zwei Uraufführungen von Johannes Harneit

07.02.2015 | Oper

Heidelberg: Abends am Fluß (Uraufführung), Hochwasser (UA)  6.2.2015

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Abends am Fluß: Nico Wouterse, Tomas Mewes, Angus Wood, Winfrid Mikus. (c) Annemone Taake

In einer geradezu sensationell zu bezeichnenden Doppel-Uraufführung bringt das Theater Heidelberg zwei Musiktheater-Stücke von Johannes Harneit, geb.1963. Der früher in der DDR arbeitende und später international mit Kompositionsaufträgen überhäufte Harneit legt hier wohl seine ersten Opern vor, die sich ursprünglich um Aufträge der Oper Leipzig handelten, wo Peter Konwitschny seinerzeit Chefregisseur war und mit dem Librettisten Gero Troike in Verbindung stand. Dessen Texte gab Konwitschny an den auch in Leipzig tätigen Harneit zur Komposition weiter, nach seiner Demissionierung  dort griff das für seine rege Musiktheatersparte bekannte Heidelberg zu, und so kam es nach einer Vorlaufzeit von etwa zwei Jahren zu dieser Doppel-UA. Das wesentlich längere und komplexere ‚Abends am Fluß‘ könnte dabei fast als ‚opera seria‘ durchgehen, während ‚Hochwasser‘ als das angehängte Satyrstück fungiert und im kleinen Alten Saal gespielt wird. J.Harneit ist ein mit allen Wassern gewaschener Komponist Neuer Musik, der sich nicht scheut, auch nicht einmal nur ‚markgängig‘ für die Oper zu komponieren. So erscheint Abends am Fluß ein eher sperriges längeres Werk ohne eigentliche Handlung,das sich immer  um einen wohl deutschen Fluß dreht, der von archetypischen Personen und einem Chor ‚bevölkert‘ wird. Ein Leitspruch, der an einer Pinwand in altdeutscher Schrift steht, heißt „Ich war – ich bin – ich werde sein“ und befindet sich neben einem Porträt Rosa Luxermburgs, der Spruch stammt aber von F.Freiligrath und ist aus einem 1848er Gedicht ‚Die Revolution‘. Die Archetypen sind Mann, Frau, Greis, Hund, zu denen bei Harneit noch Innere Stimme und ‚Schatten‘  kommen wegen größerer Möglichkeiten, verschiedene Ensembles zu creieren. Bei der Inszenierung Konwitschnys  im Marguerre-Saal wird der Chor auf verschiedenen Podesten

hinauf und hinunter bewegt, was an Staustufen bei einem Fluß gemahnt (Bühnenbild, auch Kostüme Helmut Brade). Sonst ist die Szene meist in dunkler Öde gehalten, einmal bietet ein großes DDR-Wappen den Hintergrund, ein andermal wird ein Konsum-Kaufhaus angedeutet unter dem Motto ‚Die Geldwerdung Gottes’/Modernes Kaufen‘. In ‚Grablegung‘ scheinen viele weiße Kreuze im Fluß verankert, die die Choristen an sich nehmen, ‚eine feine Familie‘ zeigt eine Küchenszene mit Baby, Kinderwagen und Hund ganz aseptisch. Die von den 60er Jahren her und dem Erlebnis wohl besonders von Xenakis verpflichtete Musik kommt sehr klangflächig und mit großen Eruptionen im Orchester daher, ist aber auch wieder gemäßigt und mit der Tendenz zur Tonalität. Sie wird vom Komponisten Johannes Harneit selber mit großer Kompetenz dirigiert, noch von einem Co-Dirigenten, Dietger Holm, unterstützt.

Bei „Hochwasser“ ist der Orchesterapparat dann minimal ausgedünnt, es gibt hier auch 3 Klaviere mit jeweils vierteltönig versetzten Stimmungen. Die ehemalige Bühne des alten Saales wird als auch abfahrender Zuschauerraum genutzt, davor die Instrumente und die den Keller darstellende Bühne mit einem großen und einem kleinen Koffer, die sich in Erwartung eindringenden Hochwassers über ihre bisherigen Erlebnisse austauschen. Der schwere Koffer wird vom Heidelberger Schwarz-Baß Wilfried Staber, der leichte Koffer vom Bariton Ipca Ramanovic, die in den gegenüberliegenden Zuschauerräumen in Anzug und Mantel auftreten, dargestellt. Dazu Die schöne Frau, die Bratscherin Marianne Venzago, die sich aus einem Koffer ihr schwarzes Kleid herausholt und sich in theatralischer Szenerie an ihr Pult begibt. Die Musik ist hier fast minimalistisch und dem Sujet gemäß mit sehr ironischem Touch und Augenwinkern gesetzt. Als eindringendes Hochwasser fungiert der phantasievoll blaugewandete Chor mit virtuosem Plitsch-platsch-Gesang (E.: Anna Töller). Von der Decke fallen Putzteile herab,und eine elektrisch gesteuerte Ratte braust herein. Das ist auch als Groteske ein echtes Satyrstück und wird vom Publikum entsprechend heiter aufgenommen.

 Die Solisten sind bei ‚Abends am Fluß‘ sind bis auf den Greis Tomas Möwes aus Leipzig aus dem Heidelberger Ensemble besetzt. Den Schatten singt mit ihrem voluminösen und wie auf Linie gezogenen Sopran Hye-Sung Na, die Innere Stimme mit fein getupftem Mezzo Carolyn Frank. ‚Links‘ ist  der aus den Klangmassen tenoral hervorstechende Winfrid Mikus, ‚Rechts‘ Nico Wouterse als Baßbariton. Eine Charakterstudie als Hund liefert Namwon Huh mit ganz plastisch geführtem Tenor. Die Frau ist Irina Simmes mit wohlklingendem Sopran und Angus Wood stellt mit leicht heldisch pointiertem Tenor den Mann.

 Friedeon Rosén

 

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