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HEIDELBERG / Zwinger: 3 KAMMEROPERN – TWICE TROUGHT THE HEART/ DEATH KNOCKS/ ERWARTUNG

26.10.2014 | Allgemein, KRITIKEN, Oper

Drei Kammeropern in Heidelberg: „In meiner Nacht“ / Marc-Anthony Turnage, Christian Jost, Arnold Schönberg (Vorstellung: 25. 10. 2014)

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Amélie Saadia als Tod und Zachary Wilson als Nat Ackermann (Foto: Annemone Taake)

 Das Theater Heidelberg brachte in seiner Nebenspielstätte „Zwinger 1“ unter dem Titel „In meiner Nacht“ drei Kammeropern zur Aufführung: „Twice Through the Heart“ von Marc-Anthony Turnage, „Death Knocks“ von Christian Jost und „Erwartung“ von Arnold Schönberg. Alle drei Werke spielen im Angesichts des Todes.

 Der Kammeropernabend, der 1 Stunde 40 Minuten ohne Pause dauerte, und wurde von Clara Kalus inszeniert, die alle drei Werke auf einem drehbaren Plateau spielen lässt, auf dem sich ein Raum mit einem Bett und mit Efeu behangenen Fenstern befindet. Eine Spielstätte, die sich für alle drei Einakter recht gut bewährte. Daneben sind noch ein Tisch und ein Stuhl aufgestellt (Bühnenbild und Kostüme, die für alle Darsteller modern gehalten sind): Pia Dederichs / Lena Schmid).

„Twice Trough the Heart“, eine dramatische Szene für Mezzosopran und 16 Musiker, komponierte Mark-Anthony Turnage, dessen Oper Greek im Vorjahr am Salzburger Landestheater mit großem Erfolg aufgeführt wurde, im Jahr 1994, das Libretto verfasste Jackie Kay. Die Handlung: Eine Frau sitzt in Haft, weil sie ihren Mann tötete, nachdem er sie jahrelang misshandelte. Aus Scham gab sie aber nie diese strafmildernde Wahrheit preis. In ihren zwanghaft wiederkehrenden Erinnerungen begreift sie, dass diese Scham ihr eigentliches Gefängnis ist, starrer als das steinerne Mauerwerk.

 Die attraktive amerikanische Mezzosopranistin Carolyn Frank bot eine Meisterleistung, indem sie ihre verstörenden Seelenzustände stimmlich vielschichtig auszudrücken verstand. Das gebannt lauschende Publikum litt mit ihr.

Die einaktige Oper „Death Knocks“ komponierte Christian Jost im Jahr 2001nach einem Text von Woody Allen. In diesem satirischen Werk schneit eine attraktive junge Dame wie ein Komet durchs Fenster ins Schlafzimmer des New Yorker Textilfabrikanten Nat Ackermann. Sie gibt sich als der Tod zu erkennen, der ihn ins Jenseits mitnehmen will. Doch Ackermann ist mitnichten dazu bereit und überredet den Tod zu einer Partie Gin Rommé. Es entwickelt sich ein Spiel auf Leben und Tod, das dieser schließlich jämmerlich verliert. Möglicherweise handelt es sich bei Nat Ackermann um einen „Nachfahren“ des um 1400 geschriebenen Ackermann aus Böhmen von Johannes von Tepl, in dem ein Bauer den Tod anklagt, ihm seine Frau genommen zu haben.

Die junge französische Mezzosopranistin Amélie Saadia spielte den Tod auf kokette und erotische Art, während der amerikanische Bass Zachary Wilson einen lebenslustigen und erfolgreichen Geschäftsmann mimte, der wohl auch noch andere Möglichkeiten sah, sein Leben nicht so schnell aus der Hand zu geben. Eine absurd vergnügliche Geschichte mit witzig leichten Klängen des Komponisten.

 Der Schluss des Kammeropernabends war dem klassischen Monodram „Erwartung“ vorbehalten, das Arnold Schönberg 1909 für Sopran und Orchester nach einem Libretto von Marie Pappenheim komponierte und 1924 in Prag zur Uraufführung kam. Es ist auch heutzutage  immer wieder auf den Spielplänen der Opernhäuser zu finden, wie beispielsweise 2003 an der Wiener Volksoper mit Heidi Brunner, 2007 am La Fenice in Venedig mit Elena Nebera und 2008 in Leipzig mit Deborah Polaski.

Die Handlung: Eine Frau irrt durch den Wald und sucht den Geliebten. Sie hört Stimmen und fühlt sich verfolgt. Erinnerungen an ihren Gatten tauchen auf, sie gelangt auf eine Lichtung und glaubt die Gestalt ihres Geliebten zu erblicken. Sie ruft nach ihm, der sie offenbar verlassen hat. Schließlich gelangt sie in die Nähe eines Hauses, fürchtet sich jedoch, zu der fremden Frau zu gehen und sinkt erschöpft nieder. Schließlich entdeckt sie den Leichnam ihres Geliebten, ihre Erinnerungen werden klarer. Offenbar war er auch der Geliebte dieser anderen Frau, bei deren Haus sie ihn nun getötet fand. Der Morgen dämmert, sie küsst den Toten nochmals, dann scheint sich ihr Geist völlig zu verwirren.

Die südkoreanische Sopranistin Hye-Sung Na sang die Rolle der verwirrten Frau nicht nur sehr exzessiv, sondern hauchte ihr auch lyrische Momente ein. Schönberg bezeichnete sein Monodram „Angsttraum“, Adorno formulierte es als „die seismographische Aufzeichnung traumatischer Schocks“.

 Das Philharmonische Orchester Heidelberg spielte unter der engagierten Leitung des israelischen Dirigenten Gad Kadosh die musikalisch reizvollen Partituren, die auch an das Ensemble des Ortchesters große Anforderungen stellten, mit hoher Präzision. Starker Applaus des Publikums im ausverkauften Zwinger belohnte alle Mitwirkenden für ihre Leistungen.

 Udo Pacolt

 

 

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