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HANNOVER: DON CARLO

25.01.2013 | KRITIKEN, Oper

Hannover: „DON CARLO“ 24.01.2013

 Wenn ich bedenke,  welch tenorales Niveau so manche größere Opernhäuser anbieten, erschien mir das Debüt von Zurab Zurabishvili als Don Carlo in der vieraktigen Italienischen Fassung von Giuseppe Verdi in der Staatsoper Hannover als wahre Offenbarung. Erlebte ich den georgischen Spintotenor bereits vor Jahren in der fünfaktigen französischen Version, liegen zwischen beiden Interpretationen Welten. Zurabishvilis Stimme gewann an Reife, entwickelte sich in vollkommener, raffiniert stilistischer Stimmführung, die vorbildliche Legatokultur, die dramatischen Zwischentöne, die strahlenden mühelosen Höhenflüge elektrisieren gleichermaßen. Ich wage ohne Übertreibung zu
behaupten: einen Carlo in so lyrischer, belkantesker Formation findet man heute nirgendwo, das ist einfach Weltklasse!

Zudem gesellte sich zum hochmusikalischen Vokalpotenzial noch eine vortreffliche, darstellerische Präsenz. In nobler, königlicher Rollengestaltung erlebte man eine stark erkältete Brigitte Hahn (ohne Ansage!) als beeindruckende Elisabetta – es ist unglaublich mit welcher Stimmkultur die Sängerin ihren inzwischen gereiften Wagner-Sopran mit der satten Mittellage, zu mühelos blühenden Höhen aufschwingt und mit einem überirdisch schönen Finalduett krönte – bravo! Als Eboli war Monika Walerowicz zu vernehmen,  mangelte es dem Schleierlied noch an Flexibilität, überzeugte die Sängerin mit dem hellen Mezzo mit einem fulminanten O don fatale vollends. Stefan Adam begann im ersten Duett zunächst noch verhalten, steigerte jedoch seinen tragfähigen Bariton zum Schönklang und überzeugte mit einer berührenden Sterbeszene des Posa. Als Entdeckung dürfte jedoch der Bass Shavleg Armasi gelten und neben dem Sohn gebührt die Krone des Abends ebenso dem Bühnenvater, der junge Georgier führte seine tiefe, wohlklingende, voluminöse Stimme sehr musikalisch, gestaltete Filippos Monolog  so kultiviert ohne manierierte Drücker.  Beklemmend, eindringlich gestaltete er zudem das Duett mit dem Großinquisitor (Per Bach Nissen) mit angenehm runden, fülligen Bassorgan. Ansprechend besetzt waren ebenso die Nebenrollen: Ania Vegry (Tebaldo), Carmen Fuggiss (Stimme vom Himmel), Ivan Tursic (Lerma), Daniel Eggert (Mönch) sowie die besonders schönstimmigen deputierten Flandern
Marek Durka, Ingolf Kumbrink, Byun Kweon Jun, Kwang Hee Lee, Peter Michailov, Christoph Zürn, klangvoll, bestens disponiert agierten Extrachor und Chor (Dan Ratiu).

Mark Rhode am Pult verlieh der von Verdi so subtiler, farbenreich  instrumentalen Partitur eine dynamische, feine Transparenz, von einigen zu breiten Tempi abgesehen, und verhalf dem  nuanciert aufspielenden Niedersächsischen Staatsorchester Hannover zu klangvoller Aussage.

Christof Nel inszenierte frei dem Libretti, verlegte die Handlung in ein totalitäres Staatsgefüge voll Spitzeln und Intriganten und es gelangen ihm u.a. sehr eindringliche Momente: Elisabetta entdeckt beim Autodafé erschrocken ihre verbannte Hofdame unter den Deputierten, wendet sich hilfesuchend an Filippo, wird brutal auf ihren Stuhl gedrückt und muss die Hinrichtung der Gräfin erleben – Lerma eifersüchtig auf den neuen Günstling, entwendet Posa den Mantel mit den verfänglichen Papieren des Carlo und übergibt sie dem König, welcher sie deprimiert liest, Posa wird abgeführt. Die Bühne (Roland Aeschlimann)leer mit hinterer Glasfassade, einer Treppe, einem Tisch, einem Stuhl hatte den Charme eines Kinofoyers, bot jedoch den Sängern genügend Freiraum zur darstellerischen Entfaltung, störend wirkten auf mich lediglich die unkleidsamen  Kostüme (Ilse Welter) der Damen. Ein großer Theaterabend wurde gebührend gefeiert.

Gerhard Hoffmann            

 

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