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HAMBURG: GLORIANA – Britische Krönungsoper in Hamburg

05.04.2013 | Allgemein, KRITIKEN, Oper

Britische Krönungsoper in Hamburg: „Gloriana“ von Benjamin Britten (Vorstellung: 4. 4. 2013)


Foto: Ralf Brinkhoff

 Zur Krönung von Königin Elizabeth II. im Jahr 1953 erhielt Benjamin Britten, der damals schon zu den bedeutendsten englischen Komponisten zählte, den Auftrag für ein neues Werk.

Er schrieb die Oper „Gloriana“ und erlebte bei ihrer Uraufführung im Londoner Covent Garden seinen ersten Misserfolg. Lord Harewood sprach damals von one of the great disasters of operatic history“. Der Skandal lag wohl daran, dass Benjamin Britten ausgerechnet die gealterte Elisabeth I. in den späten Jahren ihrer Regentschaft zum Thema der Krönungsoper für die erst 28 Jahre junge Königin wählte und ihr damit die Unentrinnbarkeit der Verantwortung ihrer kommenden Regentschaft vor Augen führte.

 Gloriana ist der Name, den Edmund Spenser in seinem Poem „The Fairy Queen“ Königin Elizabeth I. gab. Die Oper, deren Libretto von William Plomer nach Giles Lytton Stracheys Roman „Elizabeth and Essex“ stammt, behandelt die letzten Regierungsjahre von Elizabeth I., die durch ihre Liebe zum Earl of Essex und die Loyalität gegenüber ihrem Amt in tiefe Konflikte gestürzt wird, wobei die geschilderten Ereignisse wie der Irlandkonflikt oder die Streitigkeiten um die Gunst der Königin historisch präzis nachgezeichnet sind.
Es ist die Geschichte einer Frau, die einen ehrgeizigen, machtgierigen Hitzkopf liebt, der sie in mehrfacher Hinsicht verrät. „Ich liebe und bin doch gezwungen, zu hassen“, beschreibt die Königin ihre Situation nach dem Todesurteil des Rates, der Essex des Hochverrats für schuldig befunden hatte.

Mit der Aufführung dieser sehr selten gespielten Oper – zuletzt war sie in Deutschland im Jahr 2010 im Musiktheater im Revier in Gelsenkirchen zu sehen – würdigte die Staatsoper Hamburg in Koproduktion mit dem Royal Opera House London den 100. Geburtstag von Benjamin Britten.

 Der britische Regisseur Richard Jones konstruierte eine Rahmenhandlung der Entstehungszeit um die eigentliche Handlung, indem er die junge Königin Elizabeth II. mit ihrem Hofstaat als Zuschauer der Britten-Oper zeigt und damit das Werk aus der Sicht von 1953 präsentiert. Er schuf eine opulente Inszenierung mit Kostümen aus der Renaissancezeit bzw. aus den 50er Jahren für die Rahmenhandlung (Bühnenbild und Kostüme: Ultz). Auffallend die gute Personenführung und die liebevolle, oft verspielte Zeichnung der höfischen Riten und allegorischen Darstellungen. Blendend die Choreographie der vielen Tanzszenen durch Lucy Burge und die tänzerischen Leistungen der beiden Solisten Nami Aam und Richard Nagy aus der Ballettschule des Hamburg-Balletts John Neumeier.

 In der Titelrolle als Queen Elizabeth I. begeisterte die britische Sopranistin Amanda Roocroft sowohl stimmlich wie darstellerisch. Sie spielte exzellent die machtbewusste Herrscherin, die ihre Liebe der Staatsräson opfert. Ihre seelische Zerrissenheit zwischen ihrer Liebe zu Robert Devereux, dem Earl of
Essex, und ihrer Pflichterfüllung konnte sie mit ihrer dramatisch geführten Sopranstimme wunderbar gestalten. Ihr ebenbürtig der britische Tenor Robert Murray als Essex, dessen lyrische Stimme beim „Lautenlied“, dem musikalischen Hauptmotiv der Oper, besonders gut zum Ausdruck kam. Auch die Darstellung des zwiespältigen Charakters seiner Person war beeindruckend.

 Sehr bühnenwirksam agierte die koreanische Koloratursopranistin Hellen Kwon als Penelope, Lady Rich. Mit der großen Bandbreite ihrer Stimme drückte sie das übermäßige Selbstbewusstsein als Schwester von Essex, die auch der Königin zu widersprechen wagt, eloquent aus. Aus dem großen Ensemble, das durchgehend zu gefallen wusste, seien noch genannt: Der österreichische Bariton Moritz Gogg als Lord Mountjoy, der Geliebte Penelopes, der zuerst auf Essex wegen dessen Gunst bei der Königin eifersüchtig ist, später aber sogar um Gnade für ihn bittet, die amerikanische Mezzosopranistin Rebecca Jo Loeb als Essex’ Ehefrau Frances, die ihren Mann vergeblich vor den Spitzeln der Königin warnt, und der britische Bassist Clive Bayley in der Rolle von Sir Walter Raleigh, der als Gegner von Essex die Königin dazu drängt, das Todesurteil zu unterfertigen.

 Überzeugend auch in kleineren Rollen der mexikanische Bariton Alfredo Daza als Sir Robert Cecil, der ukrainische Bariton Viktor Rud als Essex’ Parteigänger Henry Cuffe und der armenische Bass Tigran Martirossian als großartiger Balladensänger, die alle sowohl stimmlich wie darstellerisch zu gefallen wussten. Stimmkräftig der Chor, der seinen größten Auftritt beim Maskenspiel der Bürger von Norwich mit der Huldigung Glorianas hatte
(Einstudierung: Janko Kastelic).

 Den Philharmonikern Hamburg gelang es unter der Leitung von Opernintendantin und Generalmusikdirektorin Simone Young, die ein bekennender Fan von Benjamin Britten ist und die schon am Ende der Pause Ovationen des Publikums erhielt, die musikalisch so vielschichtige Partitur des Komponisten, die von zarten Melodien über Tanzmusik bis zur rauschenden Krönungsmusik reicht, eindrucksvoll wiederzugeben.   

 Nicht enden wollender Applaus des begeisterten Publikums mit vielen Bravo-Rufen für Amanda Roocroft und Simone Young am Schluss der Vorstellung.

 Udo Pacolt, Wien – München

 

 

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