Sternstunde an der Elbe mit dem CSO unter Riccardo Muti (15.1.2017)
Es wäre ja eigentlich wieder Zeit, nach all den poetischen Ergüssen zum Gebäude der Elphi und dem Eröffnungshype vom 11. und 12.1. zur Musik als wahren und einzigen Diva eines Konzertsaals zurückzukehren. Das Gastspiel des CSO (14. und 15.1.) ist das erste eines Sinfonieorchesters von auswärts und markierte die wirkliche künstlerische Eröffnung der Elbphilharmonie mit einem klasssichen Konzert. Und es war ein Triumpf sondergleichen. Mit Hindemith, Elgar, Mussorksky und einer Verdi Zugabe (Ouvertüre zur Sizilianischen Vesper) konnte der für dieses Repertoire wohl weltbeste Dirigent mit seiner Wunderphalange vom Lake Michigan zeigen, was an Orchesterkultur und höchster Elegance der Interpretation möglich ist. Die Standing Ovations des gesamten Publikums (niemand verließ rasch den Saal) nach der Zugabe dauerten noch an, nachdem Dirigent und quasi das ganze Orchester bereits den Saal verlassen hatten. Das habe ich noch nie erlebt. Mehr davon in meiner ausführlichen Besprechung morgen.
Kurz zur Akustik als wohl umstittensten Thema des neuen Konzertsaales, weil es auch eine „ideologische“ Frage ist. Um diese Frage zu beantworten, muss man übrigens kein Experte sein, sondern nur zwei wache Ohren haben. Wie jemand Musik wahrnimmt, dreht sich abseits der Interpretation ja nicht primär um die Wertung schlecht oder gut, sondern ist mit einer konkreten Vorstellung von Klangästhetik verbunden. Deshalb ist jedes Gerede um eine „objektiv“ weltbeste Akustik von vornherein Unsinn. Akustiker Toyota hat sich für einen extrem trockenen, hellen, „unromantischen“ dafür aber präzien und (bis zum Mezzoforte) transparenten Klang entschieden. In den Forte-Tutti klingt das Orchester bisweilen hart wie in einem Aufnahmestudio und neigt sogar zum Übersteuern. (Anmerkung: Mein Sitz war neben demjenigen des Kritikers von Le Monde in der fünften Reihe vor dem Orchester Mitte, 5 Meter von Muti entfernt, also ideal gelegen.) Soli – aber leider auch Huster und andere störende Nebengeräusche – dagegen explodieren quasi im Saal. Soloflöte oder Bratsche (Elgar) klingen berauschend schön und üppig. Die Tiefenstaffelung funktioniert gut, von vorne ist der Eindruck dennoch streicherlastig. Insgesamt ähnelt das Klangbild demjenigen eines Klavierspiels ohne Pedal, die Töne sind bar jedes Echos oder Nachhalls. Das ist weder schlecht noch gut, sondern eine bewusste Entscheidung, und ja zugegebenermaßen gewöhnungsbedürftig, gar verstörend. Diese Art von keine Fehler verzeihenden Akustik ist für mich die totale Antithese etwa zum Bayreuther Festspielhaus. Ich bin mir aber sicher, dass die eine oder andere Härte noch nachjustiert werden wird. Und natürlich ist das Gesamtkunstwerk Elbphilharmonie Weltklasse, da gibt es keine Diskussion, Herr Brug.
Eine ausführliche Besprechung im Detail folgt.
Dr. Ingobert Waltenberger