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HAGEN: LOLA RENNT von Ludger Vollmer. Premiere

09.03.2014 | KRITIKEN, Oper

HAGEN: LUDGER VOLLMER: LOLA RENNT. Premiere am 8. März 2014

 Vor drei Jahren brachte das Theater Hagen Ludger Vollmers Oper „Gegen die Wand“ heraus. Stoffvorlage war der gleichnamige Film von Faith Akin. Auch bei seinem jüngsten Bühnenwerk “Lola rennt“ greift der Komponist auf einen Kinoerfolg zurück. Tom Tykwer drehte ihn 1998 mit Franka Potente und Moritz Bleibtreu als Protagonisten sowie einer Vielzahl von prominenten Darstellern in kleineren Rollen (Nina Petri, Monika Bleibtreu, Susanne von Borsody, Herbert Knaup, Joachim Król, Heino Ferch u.a.). Dieser Streifen bestach nicht zuletzt durch seine unorthodoxe Dramaturgie, welche zuvor freilich zuvor schon von Krzysztof Kieslowski in „Der Zufall“ angewandt worden war, 1981 gedreht, wegen Schwierigkeiten mit der Zensur aber erst 1987 gezeigt.

 Die Grundsituation von „Lola rennt“ ist, dass Manni als Kurier in dubiosen Kreisen arbeitet und bei einem Geldtransport die Tasche mit dem Zaster in einer U-Bahn-Station aus Versehen liegen lässt, weil ihm die Polizei auf der Spur ist. Das könnte ihn den Kopf kosten, und so telefoniert er verzweifelt mit seiner Freundin Lola. Die verspricht Hilfe binnen der fälligen zwanzig Minuten, hoffend auf ihren Vater, einen Bankier. Aber der geht auf die Forderungen seiner Tochter erst nach Pistolendrohung ein. Manni seinerseits versucht es mit einem Überfall auf einen Supermarkt.

 Dreimal läuft diese wilde Geschichte ab, bei markanter Änderung einiger Handlungsdetails. Vor allem die Schlüsse der einzelnen „Läufe“ differieren stark. Einmal wird Lola versehentlich von einem Polizisten erschossen, dann Manni von einem Krankenwagen überfahren. In der dritten Runde kommt aber wieder alles ins Lot, ein Happy End gewissermaßen, welches Vollmer und seine Librettistin Bettina Erasmy mit viel opernhaftem Weihrauch übernehmen. Das führt zu der längst fälligen Frage, wie die Opernadaption des „Lola“-Films gelungen ist, und ob überhaupt.

 Die Hagener Produktion von „Gegen die Wand“ hat ausgesprochen gute Erinnerungen hinterlassen, „Lola rennt“ ist mehr der anerkennenswerte Nachweis mutiger Repertoireplanung. Auf die Regenburger Uraufführung im Vorjahr hat man immerhin schnell reagiert, entbindet das Publikum also nicht von der Begegnung mit aktuellem Opernschaffen. Der starke Premierenbeifall muss freilich nicht die vox populi spiegeln; sie dürfte bei den Folgevorstellungen deutlicher zutage treten. Vollmers Musik wirkt bei allen dissonanten Zuspitzungen freilich kommensurabel, mitunter ausgesprochen sanglich und harmonisch nicht unbedingt kämpferisch. Ausgeprägt ist ihr Rhythmus, dem entspricht der erweiterte Schlagzeugapparat desOrchesters.

 Film – Oper, das ist nicht 1:1 kopierbar. Das Personal bei Erasmy/Vollmer wurde schon mal ausgedünnt, damit dezimierten sich auch Handlungsdetails, werden die Episoden identischer. Der Einsatz von Chor soll, so Vollmer, die Wucht der griechischen Tragödie spiegeln. Diese antikisierende Färbung wirkt freilich etwas akademisch, der Schluss besitzt sogar etwas penetrant Apotheotisches. Vollmers soziales Empfinden in allen Ehren: die im Film marginale Figur des Obdachlosen wird mit einer Arie aber unbotmäßig stark erweitert. Seine Selbsttötung per Pistole ist theatralisch zudem eine ziemliche Anmache. Regisseur Roman Hovenbitzer wiederum hat einen Herrn Zeit hinzuerfunden, einen Moderator in Glitzeranzug (RICHARD VAN GEMERT). Diese Figur macht zunehmend nervös.

  Glänzend allerdings gelingt es Hovenbitzer im Verein mit dem Ausstatter JAN BAMMES, das Bewegungstempo des Films für die Oper zu individualisieren. Auf der oft kreisenden Drehbühne steht ein spiralförmiger, durchsichtiger Turm, welcher fließende Turbulenzen von unten nach oben, von oben nach unten ermöglicht. Bewegte Projektionen eines Stadtpanoramas ergänzen die Hektik des Geschehens. Eine Live-Grafikerin tut freilich zu viel des Guten.

 Musikalisch ist die Hagener Aufführung von erster Güte, das gilt für den Chor (WOLFGANG MÜLLER-SALOW) ebenso wie für das unsichtbar auf der Hinterbühne platzierte PHILHARMONISCHE ORCHESTER, bei dem DAVID MARLOW vor allem koordinatorische Schwerstarbeit leistest, wie vom Komponisten im Rahmen des Einführungsvortrages bestätigt. Die attraktive KRISTINE LARISSA FUNKHAUSER gibt die Lola mit allen Fasern ihres schon oft erlebten Könnens, und das am Premierenabend trotz angeschlagener Gesundheit. Sie war übrigens auch schon bei „Gegen die Wand“ dabei. RAYMOND AYERS (Manni) ist Bariton-Glücksfall im Ensemble, sängerisch viril, als Bühnenerscheinung smart maskulin. Die zickige Jutta (Geliebte von Lolas Vater, top besetzt mit ULRICH SCHNEIDER) zwitschert MARIA KLIER mit köstlichen Koloraturen. Lob auch für ROLF A. SCHNEIDER (Wachmann), MICHAIL MILANOW (Obdachloser) und WOLFGANG NIGGEL (Tagesmanager).

 Die Homepage des Theaters Hagen (www.theaterhagen.de ) enthält eine Webdoku zu Produktion der Oper. Man ist am Puls des Medienzeitalters …

 Christoph Zimmermann

 

 

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