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HAGEN: LOLA RENNT von Ludger Vollmer – Oper nach Film

15.03.2014 | KRITIKEN, Oper

Oper nach Film im Theater Hagen: „Lola rennt“ von Ludger Vollmer (Vorstellung: 14. 3. 2014)

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In der Titelrolle war Kristine Larissa Funkhauser ständig „im Rennen“ (Foto: Klaus Lefebvre)

 Der deutsche Komponist Ludger Vollmer (geb. 1961 in Berlin), dessen Oper „Border“ im Badischen Staatstheater Karlsruhe durch ihren Migrationshintergrund im vorigen Jahr große Beachtung fand, schrieb 2013 die Oper „Lola rennt“ (Text von Bettina Erasmy), die in Regensburg als Auftragswerk uraufgeführt wurde. Die Oper nach dem erfolgreichen gleichnamigen Film von Tom Tykwer (in den Hauptrollen mit Franka Potente und Moritz Bleibtreu) fand nun im Theater Hagen, das vor einigen Jahren auch Vollmers „Gegen die Wand“ spielte, eine gelungene Wiederaufführung.

 Für alle, die – wie ich – den Film nicht kennen, eine kurze Inhaltsangabe: Manni lässt in einer U-Bahn-Station eine Tasche mit Geld liegen, weil ihm die Polizei nach einer dubiosen Geschichte auf der Spur ist. Das könnte ihm den Job bei der Geldtransportfirma kosten. Er ruft in seiner Verzweiflung seine Freundin Lola an, die ihm verspricht, das Geld innerhalb der fälligen Zeit von zwanzig Minuten zu beschaffen. Lola rennt los. Erst versucht sie es bei ihrem Vater, dem Chef einer Bank. Da es misslingt, erhält sie eine zweite Chance. Und auch ein drittes Mal springt die Zeit zurück. Jedes Mal lässt sich Lola etwas anderes einfallen, um an das Geld zu kommen: ein Überfall, ein Bankraub und schließlich das Spielcasino. Diese Versuche unterteilt die Handlung in „drei Runden“, in denen die Geschichte durch kleine Abweichungen immer einen anderen Verlauf nimmt: Einmal wird Lola von einem Polizisten tödlich verletzt, einmal Manni von einem Krankenwagen überfahren. Die Zeit wird stets angehalten. Erst der dritte Versuch im Spielcasino klappt. Manni und Lola treffen aufeinander – und wieder steht die Zeit still. Ein letztes Mal? Der Herr Zeit, der als Spielleiter (vom Regisseur erfunden?) fungiert, lässt den Vorhang mit den Worten fallen: „Nach dem Spiel ist vor dem Spiel.“

 Roman Hovenbitzer – im Theater Hagen kein Unbekannter, hat er doch vor einigen Jahren die Kurt Weill-Oper „Street Scene“ recht erfolgreich auf die Bühne gebracht und später Offenbachs „Großherzogin von Gerolstein“ sowie Floyds Oper „Susannah“ – verleiht in seiner Inszenierung der Oper „Lola rennt“ das nötige Tempo, wobei er einen spiralartigen Turm (Bühnenbild und Kostüme: Jan Bammes) geschickt nützt! Lola rennt hinauf, Lola rennt hinunter, Lola rennt um den Turm – Lola rennt immer. So gelingt es dem Regisseur, dem Publikum hautnah zu vermitteln, dass die Menschen in der heutigen Zeit stets Getriebene sind und dadurch die zwischenmenschlichen Beziehungen ständig bedroht scheinen.

 Die Titelfigur wird von der quirligen Mezzosopranistin Kristine Larissa Funkhauser als echte Powerfrau auf der Bühne dargestellt, immer in Bewegung und kein Risiko scheuend. Ihren Freund Manni, den sympathischen Verlierertyp, singt Raymond Ayers mit kräftiger Baritonstimme. Gut ausgewählt auch die weiteren Rollen: der Bassist Ulrich Schneider gibt einen älteren Bankchef mit junger Geliebten, die von der Sopranistin Maria Klier exzellent gespielt und gesungen wird. Mit weiblicher Raffinesse versucht sie bei ihrem Partner das Versprechen, ihr ein Kind zu zeugen, durchzusetzen. Eine köstlich witzige Szene.

 Die Rolle des Obdachlosen, der die Tasche mit dem Geld findet, wurde vom bulgarischen Bass Michail Milanov sowohl schauspielerisch wie auch stimmlich hervorragend dargestellt. Eine das Publikum beeindruckende Leistung! Rollengerecht auch der Bassbariton Rolf A. Scheider als Wachmann mit Asthma-Problemen. Den Herrn Zeit spielte der Tenor Richard van Gemert in Glitzerkostüm mit großen Gesten und irrealem Gehabe, das manchmal störend wirkte. Weniger wäre mehr gewesen! Außerdem agierte er mit einem Wangenmikrophon und schrie seine Sätze ins Publikum. Wozu also diese „Stimmkrücke“?

 Chor und Extrachor (Einstudierung: Wolfgang Müller-Salow) sowie die Statisterie des Theaters Hagen waren von der Regie des Öfteren bezüglich Tempo und Bewegungsrhythmus gefordert, erledigten ihre Aufgaben aber tadellos. Eindrucksvoll und sehr melodisch die Spielcasino-Szene.

 Das Philharmonische Orchester Hagen – von David Marlow geleitet – spielte die illustrative Partitur des Komponisten sehr nuancenreich, wobei die Schlagzeuger dominierten.

Ein in Programmheft abgedruckter Text von Ludger Vollmer spiegelt eindrucksvoll seine Gefühle zur Oper wider: „Als Komponist kann ich mit der Oper definitiv am meisten ausrichten. Die Oper ist im Aufwind. Es gibt keinen Ort, der durch sie nicht berührt wird. Oper ist für mich die größte und allumfassendste Kunstform. Wir sehen und hören alles, was die Bildenden und Darstellenden Künste aufbieten können: Gesang, Orchestermusik, Schauspiel, Choreografie und Tanz, aber auch Licht- und Videokunst, Architektur, Malerei, ja selbst die Kunst der Schneiderei. Oper packt uns einfach mit allem – und all das in überbordender Fülle und Farbenpracht. An einer Oper sind auf, vor und hinter der Bühne hunderte Künstler und Spezialisten beteiligt. Dieses Bündeln von Energie ist dafür verantwortlich, dass sie zu jenem vielgepriesenen ‚Kraftwerk der Gefühle‘ wird.“

 Diese Worte des Komponisten müssen eigentlich allen Opernfreunden und „Opernbesessenen“, um nicht „Opernnarren“ zu sagen, aus der Seele gesprochen sein…

 Das Publikum in Hagen belohnte alle Mitwirkenden der Vorstellung mit lang anhaltendem Beifall, wobei die Phonstärke bei den beiden Hauptdarstellern erheblich zunahm.

 Udo Pacolt

 

 

 

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