Olga Peretyatko, Juan Diego Florez. Foto: Raphael Faux
Gstaad Menuhin Festival vom 31. August 2018
LE ALPI NELL’OPERA ITALIANA – OLGA PERETYATKO & JUAN DIEGO FLÓREZ
Es ist kühl, an diesem Augusttag in Gstaad im Berner Oberland. Das ewige Provisorium, das grosse weisse Zelt, steht unmittelbar neben der Hauptstrasse am Fusse des postkartenidyllischen Bergdorfes. Seit langem wünscht man sich hier ein festes Konzerthaus, einenPrachtbau, der sich in das ländliche Idyll hineinfügt. Pläne bestehen, die Stiftung Les Arts Gstaad wurde gegründet und, wer weiss, vielleicht wird die angedachte Eröffnung im 2023 Wirklichkeit! Sieht man sich die Website der Stiftung an, kommt man ins Schwärmen, schön könnte es werden.
Das 62. Gstaad Menuhin Festival steht heuer unter dem Motto «Alpen», entsprechend folkloristisch bunt wurde die Bühne dekoriert. Passend zur Alpenkulisse ist das Programm dieser Opern Gala.
Olga Peretyatko und Juan Diego Flórez verführen uns in das Herzland der Alpen zwischen dem Vierwaldstättersee, dem Schauplatz von Rossinis «Guillaume Tell», und dem Hochgebirge von Chamonix in Donizettis «Linda», machen aber auch einen Abstecher in das nicht näher bezeichnete Schweizer Dorf, in dem Bellinis «La Sonnambula» spielt.
OlgaPeretyatko brilliert mit einer tollen Erscheinung und einem überaus bezaubernden lachsfarbenes Abendkleid. Sie eröffnet den Arienabend mit der Arie der Linda aus der Oper «Linda di Chamounix» und überzeugt nicht in Lagen, besonders die ganz hohen Noten erreicht sie nicht wirklich und neigt dazu, diese Stellen zwischendurch mit einer breit dahersingenden Mittellage zu kaschieren.
Ansonsten ist die russische Sopranistin sehr stilsicher und tut das was sie sehr gut kann, Koloraturen und Fiorituren des Belcantos zum Besten geben. Die ausgewählten Arien von Rossini, Bellini und Donizetti passen gut zu ihr. Sie bezaubert vor allem in den leisen Passagen, wenn sie ohne Druck und mit einem schönen Triller daher schwingt.
Der Star des Abends, der mit eingeschienter Hand auftritt, ist der Peruaner Juan Diego Flórez. Er frappiert nicht allein mit seiner einzigartig souveränen Höhenlage, er ist auch ein sensibler und stilsicherer Interpret, und das ganz besonders im Belcanto-Repertoire.
Zurecht wird der Star von der ersten Sekunde hier in Gstaad gefeiert. Mit Präzision klettert er stimmlich die Tonleiter auf und ab, mit technischer Perfektion kürt er die Belcanto Arien und mit viel Charme nimmt er das Publikum für sich ein. Seine Spitzentöne bleiben einzigartig, kraftvoll und rein, leicht und kompakt, nahezu glockengleich in ihrer Beständigkeit und Resonanz.
Das Programm der beiden Superlative, im Detail;
Gaetano Donizetti
«Ah tardai troppo… oh luce di quest’anima», Arie der Linda aus der Oper «Linda di Chamounix» (1. Akt)
Vincenzo Bellini
«Prendil’aneltidono», Duett Elvino-Amina aus der Oper «La sonnambula» (1. Akt)
«Ah non credeamirarti», Arie der Amina aus der Oper «La sonnambula» (2. Akt)
«Tutto è sciolto», Duett Elvino-Amina aus der Oper «La sonnambula» (2. Akt)
Gioachino Rossini
«Asilehéréditaire», Arie (mit Cabaletta) des Arnold aus der Oper «Guillaume Tell» (4. Akt)
«Sombreforêt», Romanze der Mathilde aus der Oper «Guillaume Tell» (2. Akt)
«Oui, vousl’arrachez à monâme», Duett Arnold-Mathilde aus der Oper «Guillaume Tell» (2. Akt)
Am Pult sorgt Riccardo Minasi für das nötige Belcanto-Brio und zeigt sich als plastischer Gestalter des packenden Programms. Mit viel Elan und Witz hüpft er auf der Bühne hin und her und beweist, wie sehr er sich für den Belcanto begeistern kann. Mit den Ouvertüren zur Norma, Il barbiere di Siviglia, mit der Ballabile e Danzamilitare aus der Oper L’assedio di Calais und mit der Ouvertüre von Verdis Oper Alzira, führt er gekonnt das ausgezeichnet disponierte Barockensemble «La Scintilla» durch den überaus charmanten Abend.
Marcel Burkhardt