OPER GRAZ : LA CENERENTOLA (fast) von Gioacchino Rossini am 16.11. 2024 (Premiere)
„La Cenerentola“ ist eine von Rossinis besten Opern und auch eine der besten Opern überhaupt.
Buntes Grauen. Foto: Werner Kmetitsch
Außerdem ist sie auch noch sehr beliebt, so dass Intendanten sie gerne auf den Spielplan setzen, besonders zur Vorweihnachtszeit. So auch jetzt die Oper Graz.
Musikalisch erlebte man ein Fest. Der operettengestählte Marius Burkert ist einer der wenigen Dirigenten nördlich der Alpen, der verstanden hat, dass Rossinis Modelle Mozart und Haydn waren, und nicht etwa kalabrische Blasmusikkapellen. Das (größtenteils hauseigene) Ensemble (Wilfried Zelenka, Ivan Orescanin, Sofia Vinnik, Ekaterina Solunya, Daeho Kimund Anna Brull) war homogen und ausnahmslos den (schwierigen) Aufgaben gewachsen. Dennoch sang Pablo Martinez , der aus Kolumbien stammende, in Großbritannien lebende Gast, als Don Ramiro fast alle seine Kollegen an die Wand.
Er ist einfach perfekt und könnte diese Rolle schon morgen an allen großen Bühnen der Welt, von der Met abwärts, problemlos singen. Eine riesige Entdeckung.
Bedauerlicherweise war die Aufführung aber keine konzertante. Nun hatte man angesichts dieses wokefixierten Hauses, an dem man sich nicht entblödet, Programmhefte auf der ersten Seite in „einfacher Sprache“ zu beginnen (früher hätte man das Dodelsprache genannt, und wenn man so mit Migranten geredet hätte, wäre man zurecht als Rassist beschimpft worden) und in Operetten das „Z-Wort“ (Zigeuner) durch das Wort Banditen ersetzt (was nun wirklich diskriminierend, beleidigend und verunglimpfend ist ) etc. schon das Schlimmste befürchtet. Es kam aber noch schlimmer…
Inszeniert hat nämlich die relativ junge italienische Regisseuse Ilaria Lanzino, die derzeit aus unverständlichen Gründen selbst von so gestrengen Kritikern wie Manuel Brug in der Welt über die Massen gehypt wird – ob wohl sie doch schon in der Kammeroper mit „La Liberazione“ von Francesca Caccini eindeutig unter Beweis gestellt hat, dass sie’s einfach nicht kann.
Hier will sie, wie eine xbeliebige Lotte de Beer, aus Angelina, dem Aschenbrödel, auf Teufel komm raus unbedingt eine „selbstbestimmte, sich selbst ermächtigende, rebellische junge Frau“ machen, die keinen Prinzen braucht und gründlich mit Rollen-und Geschlechterklischees und mit Märchenmythen aufräumt. Wobei Letzteres natürlich der absolute Schwachsinn ist. Die junge Dame dürfte weder das Libretto (das womöglich beste des besten Librettisten aller Zeiten Jacopo Ferretti) gelesen noch Rossini Musik zugehört haben. Die beiden hatten nämlich bereits alle „Märchenelemente“ aus dem Stoff getilgt und vielmehr eine sozialkritische Studie aus dem Geiste der Aufklärung verfasst. Schwachsinn, dein Name ist Ideologie.
Ilarias Kammeroper-Flop war ja noch harmlos, denn da gab es wenige Mittel. In Graz dürfte ihr Intendant Lenz jedoch offenbar ein unbegrenztes Budget zur Verfügung gestellt haben, und das nützen sie und ihre Bühnen- und Kostümbildnerin Dorota Korolczak schamlos aus, um auf der Bühne eine nahezu beispiellose Orgie an grotesker Hässlichkeit zu entfalten: schon zu Beginn tritt eine Reihe von „Disney-Prinzessinnen“ auf (was eine Beleidigung der Firma Disney ist, die zwar Kitsch herstellt, aber geschmackvollen ), am Hof herrschen 27 Wölfe über 27 Rotkäppchen in grauenvollen Plastikumhängen, Dandini ist ein hüpfender Halbfrosch, der dann eine Froschkönigin heiratet, Don Magnifico haust in einer Hundehütte und trägt die ganze Zeit – kein Mensch weiss warum – eine riesige Krone etc etc…und als die wirkliche Prinzessin stellt sich am Schluss in dieser verqueren Logik naturgemäß der Prinz dar – allerdings in Conchita Wurst-Outfit mit rosa Plüschjäckchen. Denn nur ein kastrierter Mann ist ein guter Mann…
Conchita Prinz und der halbe Froschkönig. Foto: Werner Kmetitsch
Bei dem möglichst rasch zu errichtenden Europäischen Operngerichtshof für Verbrechen gegen die ästhetische. Menschlichkeit ist Dorotes Korolczak jedenfalls eine Fixstarterin auf der Anklagebank (einzig mögliches Urteil: lebenslanges Bühnenverbot).
Die Oper Graz ist so rücksichtsvoll, auf dem Beilagezettel zum Programmheft vor stroboskopischen Effekten zu waren zu warnen.
Aber eigentlich sollte darauf stehen: Diese Produktion kann ihre Gesundheit gefährden, diese Produktion kann Augenkrebs verursachen.
Robert Quitta, Graz