Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

GRAZ/ Oper : Gaetano Donizetti „ELISIR D`AMORE“ Premiere

18.11.2012 | KRITIKEN, Oper

Oper Graz   Gaetano Donizetti   “L`ELISIR D`AMORE”

Premiere  17.11.2012

 Mit Vespa und Laptop nach Bibione

 Man muß es der Grazer Intendanz lassen: Sie arbeitet auf der Höhe der Zeit und darf sich immer des Engagements angesagter Regisseure rühmen. Auch wenn es “nur” im Rahmen einer nachgespielten Koproduktion mit Valencia und Madrid ist, Damiano Michieletto hat in Salzburg bei den Festspielen bereits eine vieldiskutierte “Boheme” sowie eine ziemlich gelobte Regie für das “Trittico” Puccinis im Theater an der Wien abgeliefert und überfällt nun das Grazer Publikum mit einer phantastischen Fülle an Einfällen bei einer durchaus gelungenen Verlegung des Stoffes aus der ländlichen Idylle des Baskenlandes hinein in das turbulente Treiben eines italienischen Badestrandes. Adina wird zur Besitzerin einer Imbissbude gleichen Namens, Gianetta ist ihre Bardame, Dulcamara wird zum fahrenden Lieferanten für Energy Drinks mit Hang zum Mixen von Aufputschmitteln, Sergente Belcore, ein Mariner, ist mit seiner Mannschaft gerade auf Urlaub und Nemorino selbst kann als Bagnino genug Schüchternheit und Tollpatschigkeit zeigen. Und wer sich in den zwei Stunden auf das turbulente Treiben einlässt, auf der von Paolo Fantin grellbunt als Strandszenario ausgebauten Bühne mit Bar, Brauseanlage und der riesigen, aufblasbaren Wasserrutsche mit den Plastikpalmen und auf die Vielfalt der Kostüme von Silvia Aymonino, der wird bemerken, dass die Grundstrukturen der Charaktere erhalten blieben, jene “Befindlichkeiten des Daseins”, wie sie Oswald Panagl im Programmheft aufzählt: “Liebe und Eifersucht, Eitelkeit und Scheu, Stolz und Verklemmtheit, Aggression ebenso wie Zurückhaltung”. Auch in Michielottos heutiger, manchmal allzu grell scheinender Verpackung sind “Menschliches und allzu Menschliches” herauslesbar geblieben.

Vor allen anderen Protagonisten auf der Bühne möchte ich diesmal Chor und Zusatzchor, geleitet von Bernhard Schneider und die Schar an Statisterie gebührend hervorheben und pauschal loben, denn, wenn alle Beteiligten entsprechend gefordert sind, diese mit bewunderswerten Einzelaktivitäten solistisch agieren und diesmal ein perfekt-überdrehtes Strandleben auf die Bühne stellen. Da fehlt nichts, Beachparty, Federball, Gymnastik, Boccia, Familienleben, Bar, Sand und Dusche (!) und was so einen Strand noch alles ausmacht.

 

Margareta Klobucar als resche Adina

Am Vorabend sang sie noch die Traviata, durch den Ausfall der vorgesehenen Nazanin Ezazi sprang sie kurzfristig für die Premiere ein: Margareta Klobucar ersang sich als Adina mit ihrem intensiv eingesetzten, hellen, lyrischen Sopran, mit ihrer Wandlung von der gespielten Verachtung zur leidenden Liebenden einen großen Premierenerfolg. Das sie die Story von “Tristan und Isolde” vom Laptop vorliest ist bei dieser Inszene wohl selbstverständlich. Und köstlich, als sie nach der Schaumschlacht mit Nemorino als “Badeschaummonster” aus dem Wasser kroch. Einen ebensolchen Erfolg konnte Antonio Poli mit seinem Rollendebüt als Nemorino erzielen. Zu bewundern ist sein leicht geführter, durchaus zur Attacke fähiger lyrischer Tenor, sein perfektes Legato, seine Wortdeutlichkeit; was wieder bewußt macht, dass perfektes Singen auch aus der exakten Artikulation des Wortes entsteht. Er liebt, blödelt, trauert und triumphiert gekonnt zwischen seinem Dasein als Bagnino und dem Aufstieg zum Lustobjekt des Damenchores im Schaumbad. Das sah aus wie das Bacchanal im “Tannhäuser” oder wie Parsifal unter den Blumenmädchen. Dazwischen hat er so seine Gewalttätigkeiten seitens der Mannschaft des rüden Belcore einzustecken.

 

Antonio Poli, noch mit der absagenden Nazanin Ezazi

  André Schuen spielt den Frauenflüsterer Belcore mit dem großen Bariton, der, kaum mit der Vespa angedüst, unter der Brause seinen wirklich sehenswert gestylten Körper zeigt. So gesehen haben die Grazer mehr Glück mit der Dusche als Macbeth es damit in Wien hatte. Zuletzt wird der großmaulige Frauenheld wegen Drogenbesitzes verhaftet. Dulcamara unterschiebt ihm ein Drogenpaket, ein Spürhund erschnuppert das kriminelle daran. Nun, der tierische Fander ist kein echter Spürhund, denn der als Bühnendarsteller eingesetzte Schäfer schauspielerte nur, im Drogenpaket war lediglich Zucker. Der angeleinte Fellträger ist im Zivilberuf Wachhund. (Was hätte Goethe da gesagt? Vielleicht: Dem Hundestall soll nie die Bühne gleichen! Und kommt der Rex, muss Donizetti weichen.)

Wilfried Zelinka als quirliger Dealer Dulcamara

Aus dem buffonesken und gemütlichen Quacksalber Dulcamara wurde diesmal ein windiger, umtriebiger Drogendealer, der den Laden kräftig durcheinander bringt, Nemorino den Liebestrank mixt und gern einmal im Schaumbad seinen Rausch ausschläft. Wilfried Zelinka zeigt viel Stimme (wenngleich eine ohne Buffocharakter), ist ungemein spielfreudig mit beachtlicher Körperbeherrschung und Showtalent als Animator. Und die kleine Tatjana Miyus darf ihre Rolle als Bardame Giannetta spielend und singend aufwerten und den Männern gehörig den Kopf verdrehen.

Das Grazer Philharmonische Orchester unter José Miguel Esandi spielte, wohl angesteckt durch die turbulenten Aktivitäten auf der Bühne gröber als sonst, bei Donizetti habe ich einen leichteren und federnderen Ton im Ohr, auch ist die Begleitung zur großen Tenorarie viel zu grob.

Am Schluss gab es den gewohnten heftigen aber mit etwa acht Minuten nur kurzen Applaus, keine Buhs.

 Fazit: Ein sehr hörenswerter Donizetti. Eine sehenswert unterhaltsame, für Opernpuristen nur bedingt geeignete Szene.

 Peter SKOREPA / Fotos: Oper Graz / Kmetitsch

 

 

Diese Seite drucken