GRAZ: LOHENGRIN – dritte Vorstellung am 5.10.2013
Graz hat als Beitrag zum „Wagner – Jahr“ einen sehr ambitionierten Lohengrin auf die Bühne gestellt, der sich durchaus sehen lassen kann. Die Inszenierung von Johannes Erath enthält diverse „Regieeinfälle“, die Liebhaber des regiebetonten Theaters bedienen, ist aber nicht so sendungsbewusst, dass die Geschichte verfälscht würde – man kann problemlos und nur wenig gestört Wagner genießen. Dem märchenhaften, romantischen Charakter trägt diese Sichtweise jedenfalls mehr Rechnung als der peinliche Wiener Lohengrin und auch als der Häuslbauer – Lohengrin aus München. Die Gottesgerichts – Szene hat uns allerdings schon verstört und nach einem kurzen Luftschnappen belustigt: Das Schwert für den Zweikampf wird in den Boden gerammt und Friedrich ist nicht in der Lage, es herauszuziehen. Erst Lohengrin ist dazu imstande und besiegt somit seinen Widersacher. Das hatten wir doch schon irgendwo – da Lohengrin weder von Nothung, dem neidlichen Schwert singt, noch Wälse – Rufe ausstößt, werden wir mit dem Rätsel allein gelassen.
Die musikalische Umsetzung lag beim Grazer Philharmonischen Orchester unter Julien Salemkour in guten Händen. Die Sängerbegleitung und das Vorspiel zum dritten Akt gelangen sehr gut; das Vorspiel zum ersten Akt klang etwas beiläufig und nüchtern – das göttliche Glitzern, das für die „Gänsehaut“ sorgt, konnte nicht erzeugt werden. Am eindrucksvollsten wirkten die hervorragend gespielten Königs – Fanfaren aus einer Proszeniumsloge und die Trompeten von der Galerie (links und rechts). Der Chor (Leitung Bernhard Schneider) – incl. Extrachor der Oper Graz und der Gustav-Mahlerchor – agierte stimmlich und darstellerisch mit einer guten Personenführung hervorragend und zählte zu den Höhepunkten des Abends.
Die gesanglichen Leistungen waren überwiegend gut – teilweise sogar hervorragend.
Derrick Balland sang einen eindrucksvollen König Heinrich – sein metallischer, dominanter Bass und seine spürbare Bühnenpersönlichkeit gaben der Figur die nötige Würde; die Wortdeutlichkeit überraschte angenehm.
Anton Keremidtchiev, den wir 2010 in Wels als Klingsor kennen und vor kurzem in der Volksoper als Rigoletto schätzen gelernt haben, verlieh dem Friedrich von Telramund die bedrohliche, bösartige aber auch wehleidige Ausstrahlung und das alles auf höchstem sängerischen Niveau. Sein technisch perfekt geführter Bassbariton klingt in allen Lagen schön und ausdrucksstark – für uns der Star des Abends.
Gemeinsam mit der amerikanischen Mezzosopranistin Michaela Martens, die wir in Graz schon als Amme in „Frau ohne Schatten“ erlebt haben, dominierte bei dieser Vorstellung eindeutig das „finstere“ Paar. Sowohl die hochdramatischen Ausbrüche als auch die verführerischen Schmeicheleien der Ortrud gelingen unangestrengt und klangschön bis in die höchsten Höhen – die tiefe Lage ist nicht ihre Stärke. Sie wird auch im neuen Wiener Lohengrin 2014 die Ortrud singen – an der Wortdeutlichkeit sollte sie noch arbeiten.
Durch die Erkrankung von Johannes Chum musste die Titelrolle kurz vor der Premiere umbesetzt werden – Herbert Lippert sprang kurzfristig als Lohengrin ein und rettete die Produktion. Wir haben bei den hohen, dramatischen Stellen keine rechte Freude mit der Stimmfärbung und dem Gesangsstil von Herbert Lippert – deshalb hat er uns erst im dritten Akt – besonders in der lyrischen Brautgemachszene – gut gefallen. Die Leistung, eine so exponierte Partie kurzfristig und sogar als Rollendebut zu übernehmen verdient aber uneingeschränkten Respekt und Bewunderung.
Sara Jakubiak war eine gute Elsa. Optisch und darstellerisch makellos – stimmlich weniger schön aufgrund eines störenden Vibratos und einer schneidenden Höhe. Die in jeder Hinsicht anspruchsvolle Rolle der Elsa kommt vielleicht etwas zu früh, um ein sehr gutes Ergebnis zu erreichen.
Byeong in Park war der Heerrufer, der zum Glück in die Reihe der „Heersänger“ eingereiht werden kann. Sein schöner, wortdeutlicher Bariton erlaubt eine mehr als rollendeckende Gestaltung.
Zusammenfassend können wir von einem sehr schönen, stimmungsvollen und qualitativ hochwertigen, aber überraschend und bedauerlicherweise nur spärlich besuchten Opernabend berichten; die beschriebenen Unstimmigkeiten konnten den positiven Gesamteindruck niemals ernsthaft in Frage stellen. Graz war wieder einmal eine Reise wert und ein Blick über den Tellerrand der Wiener Staatsoper wird sicher auch nicht schaden.
Maria und Johann Jahnas