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GRAZ/ Kasematten: DER MANN VON LA MANCHA – Open Air – Premiere

24.06.2012 | KRITIKEN, Oper

OPER GRAZ : Der Mann von La Mancha – Premiere am 24.6.2012

(Besucht wurde die Generalprobe am 23.6.2012)


Erwin Windegger (Don Quixote). Foto: Werner Kmetitsch

Nicht auf der Guckkastenbühne des altehrwürdigen Fellner- und Helmerhauses am Kaiser-Josef-Platz 10 in Graz, sondern unter freiem Himmel im alten Gemäuer der Schlossbergbühne Kasematten wurde dieses Musical von Dale Wasserman (1914-2008) mit den Liedtexten von Joe Darion (1917-2001) und der Musik von Mitch Leigh (1928*) spannend und zugleich ironisch in Szene gesetzt.

Die Uraufführung des Man of La Mancha fand am 22. November 1965 am ANTA Washington Square Theatre in Greenwich Village, New York (Quelle: Internet Broadway Datebase IBDB), statt.

Im Theater an der Wien erfolgte dann am 4. Januar 1968 die deutschsprachige Erstaufführung in der Fassung von Robert Gilbert (1899-1978) mit Josef Meinrad (1913-96) in der Titelrolle, Fritz Muliar (1919-2009) als Sancho Panza und der unvergesslichen Blanche Aubry (1921-86) als Aldonza. Josef Meinrad übernahm die Partie dann auch bei der Wiederaufnahme 1978, ihm zur Seite dieses Mal Dagmar „Daggi“ Koller in einer ihrer besten Rollen und Heinz Petters.

1996 folgte dann eine Neuinszenierung dieses mit insgesamt fünf Tony Awards ausgezeichneten Musicals an der Wiener Volksoper mit Karlheinz Hackl in der Titelrolle, Robert Meyer als Sancho Panza und wiederum Dagmar Koller als berührende Aldonza.

Joseph „Sepp“ Ernst Köpplinger, der ab der Saison 2012/13 die Intendanz des Staatstheaters am Gärtnerplatz in München übernimmt, und dem man hierzulande exemplarische Inszenierung von Sweeney Todd, Ariadne auf Naxos, der Evangelimann und die Wiederentdeckung von Cherubinis Kougourgi, um nur einige wenige zu nennen, verdankt, wählte gemeinsam mit Nicole Claudia Weber für seine Interpretation das Ambiente des Shakespeare Globe Theatres. Bühne und Kostüme stammen noch von dem am 20. April 2012 viel zu früh verstorbenen großen Ausstatter Rolf Langenfass, dem diese Aufführung auch in ehrenvollem Gedenken gewidmet ist. Der Bühnenraum hat einen quadratischen Grundriss mit stufenförmigen Aufgängen zu allen vier Seiten. Die Rahmenhandlung, wonach die spanische Inquisition den Dichter Miguel de Cervantes (1547-1616) ins Gefängnis wirft, verlegt das Regieduo zeitgemäß in ein Auffanglager für Asylwerber. Statt der Inquisition droht den Asylanten nun mehr die Inschubhaftnahme und Abschiebung. In dieser lebensbedrohlichen Situation stellt der Dichter nun einige Szenen aus seinem Romanmanuskript „Don Quixote“ dar und schlüpft selber in die Gestalt des alternden Edelmannes Alonso Quijana.

Der Auftritt schwarz uniformierter und Sturmmützen tragender Soldaten sowie die zu Beginn stattfindende „Bücherverbrennung“ machen klar, wir befinden uns in einem totalitären System. Herumstehende Koffer, in denen die Asylanten ihre Habseligkeiten vielleicht zusammengetragen haben, dienen dann im Verlauf der Handlung als Sitze und Podeste. Eine Leiter findet rasch drapiert Verwendung als Windmühle, zwei andere mit einer Querstange verbunden markieren das Kastell. Besonders humorvoll wurden die beiden Reittiere durch die Tänzer Pál Szepesi als das Pferd Don Quixotes und Caspar Hees als der Esel Sanchos, vorgeführt. Aber auch die Vergewaltigungsszene Aldonzas und der Überfall durch die Mauren wurden vom ehemaligen Solisten der Wiener Staatsoper Boris Nebyla stimmungsvoll choreographiert.


Carin Filipcic (Dulcinea). Foto: Werner Kmetitsch

Der in Meran geborene Schauspieler und Sänger Erwin Windegger gab einen würdigen und äußerst textverständlichen Cervantes und Don Quixote ab. Dieser Ritter von der traurigen Gestalt trotzte gerade durch seine aufrechte Haltung allen Fahrnissen seines kurzen Bühnenlebens. Ihm zur Seite war Daniel Prohaska der mitfühlende Diener Sancho mit wohltimbriertem Tenor in der Kehle. Carin Filipčić, in Wien noch in guter Erinnerung als Mrs. van Hopper im Musical Rebecca, lief nach einigen Anlaufschwierigkeiten zu einer respektablen Leistung auf. Allerdings wirkte sie nicht sehr authentisch, da es ihr in der Umsetzung der Rolle doch an den feinen Zwischentönen fehlte.


Daniel Prohaska (Sancho Pansa). Foto: Werner Kmetitsch

Die Überraschung des Abends in gesanglicher Hinsicht war der junge südtiroler Bariton Andrè Schuen als Barbier. Mit einer sonoren ausdrucksstarken und gehaltvollen Tiefe empfahl er sich schon jetzt für die großen Opernpartien seines Faches.

Als Gouverneur und Gastwirt gab es ein Wiedersehen mit Roger Murbach, einer der großen Stützen des Volkstheaters. Seine Stimme ist unverkennbar und ebenso sein Spiel und es ist jedes Mal eine große Freude seine Auftritte vom Zuschauerraum aus gebannt verfolgen zu dürfen.

Rollengerecht agierten Martin Fournier als Padre, Frank Berg als Herzog und Dr. Carrasco, Nazanin Ezazi als Antonia, Fran Lubahn als Haushälterin, Uschi Plautz als Maria, die kubanische Tänzerin Kenia Bernal Gonzales als Maurin sowie Katherina Lochmann als Dienstmädchen Femina.

Michael Duregger als Hauptmann hörte sich an diesem Abend etwas verquollen an. Hoffentlich legt sich das in den Folgevorstellungen.

Stimmlich und darstellerisch hervorragend waren die sechs Maultiertreiber Florian Peters/Pedro, Hannes Muik/José, Christoph Graf/Anselmo, Peter Neustifter/Tenorio, Maurice Klemm/Juan und Alexander Moitzi/Paco, die auch ihr tänzerisches Können als Mauren eindrucksvoll unter Beweis stellten.

Für die musikalisch schwungvolle Umsetzung sorgte Michael Brandstätter am Pult des Grazer Philharmonischen Orchesters. Er wird in der kommenden Saison als erster Kapellmeister an das Staatstheater am Gärtnerplatz im München wechseln.

Verdienter Applaus für alle Beteiligten beendete einen äußerst kurzweiligen, spannenden Musicalabend, den es sich, schönes Wetter vorausgesetzt, lohnt, in einem Lokal in der Grazer Innenstadt ausklingen zu lassen.

Harald Lacina

 

 

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