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GRAZ: IL BARBIERE DI SIVIGLIA am Faschingssamstag

07.02.2016 | Oper

Graz: „IL BARBIERE DI SIVIGLIA“ –   Opernhaus, 6.2.2016

Anna Brull als Rosina
Anna Brull als Rosina. Copyright: Werner Kmetitsch

Als reisender Opernfan aus Wien tut man sich schwer mit dem Besuch einer Aufführung von Rossinis Meisterwerk „Il barbiere di Siviglia“ (das übrigens in wenigen Tagen seinen 200. Geburtstag feiert: die – aus heutiger Sicht völlig unverständlich – desaströse und erfolglose Uraufführung erfolgte nämlich am 20. Februar 1816 im Teatro Argentina in Rom) in einem anderen Opernhaus. Seit nunmehr fast 50 Jahren steht nämlich dieses Werk in der genialen Inszenierung von Günther Rennert auf dem Spielplan der Wiener Staatsoper (in der Premiere am 28.4.1966 sang ja – noch auf Deutsch! – Fritz Wunderlich den Grafen Almaviva). Und ich habe bis heute weltweit (von London bis New York und von Pesaro bis Paris) keine Inszenierung dieses Werks erlebt, die auch nur annähernd so gut oder so lustig ist wie diese Wiener Produktion. Hoffentlich bleibt dem Wiener Publikum diese Inszenierung noch lange erhalten.

Axel Köhler, ehemaliger Countertenor und nunmehriger Opernintendant in Halle, hat bereits mehrfach sehr erfolgreich Opern inszeniert. In bester Erinnerung sind mir noch seine wirklich lustige Inszenierung von Weinbergers „Schwanda der Dudelsackpfeifer“ an der Semperoper und ebenfalls in Dresden seine intelligente und überzeugende Produktion von Webers „Der Freischütz“, der romantischen Oper schlechthin, an der seit Jahrzehnten fast alle Regisseure gescheitert sind. Meine Erwartungen in seine nunmehrige Rossini-Inszenierung am Grazer Opernhaus waren daher doch sehr hochgeschraubt. Leider war das Endergebnis dann doch enttäuschend.

Ein riesiger Perückenkopf beherrscht die Bühne. Zu Beginn sieht man die Hinterseite dieses Kopfes hinter einem blau beleuchteten Fransenvorhang. Zu den erste Takten der Ouvertüre wird zunächst das berühmte Logo eines bekannten Haarprodukte-Unternehmens eingeblendet, wobei sich dann die Locken dieses Logos zu bewegen beginnen. (Ich hoffe, dass das Unternehmen diese Inszenierung wenigstens großzügig gesponsert hat.) Damit wird schon klar, dass der Friseur Figaro und alles, was mit Haaren zu tun hat, im Mittelpunkt dieser Inszenierung stehen wird. Während der Ouvertüre nisten sich menschengroße Läuse in den riesigen Perückenkopf ein, die Figaro während seiner Auftrittsarie dann aber erfolgreich ausräuchert. Riesige Lockenwickler liegen herum (und bieten dem Grafen Almaviva Gelegenheit sich darin zu verstecken). Wenn sich dann der Perückenkopf dreht, befindet sich im Inneren das Zimmer Rosinas. Das Interieur fungiert gleichzeitig als „Gesichtsergänzung“ des Perückenkopfes: so bilden die Lampen die Augen und das rote Sofa in Lippenform den Mund. Rosina singt ihre Arie in der Badewanne und entsteigt dann dieser in einem fleischfarbenen Trikot, auf dem sich Schaumreste an den intimen Stellen befinden. Don Basilios Kostüm ziert eine Tastatur, während später der als Don Alonso verkleidete Graf in einem Kostüm als Cello erscheint. Während das Bühnenbild und die Kostüme von Okarina Peter und Timo Dentler wirklich witzig sind, setzt der Regisseur leider größtenteils nur auf billigen Klamauk. In der Gesangsstunde im zweiten Akt treiben es der Graf und Rosina ganz ungeniert in allen möglichen Stellungen in Gegenwart des Doktor Bartolo, worüber man vielleicht noch schmunzeln kann. Aber wenn dann die Polizisten statt einer Pistole nur einen Haarfön in der Hand halten, ist das nicht witzig, sondern nur blöd. Und wenn der Chor beim Ständchen des Grafen zu Beginn auf Kämmen pfeifend mitsummt ist das nur noch ärgerlich.

Peter Kellner als Basilio und Wilfried Zelinka als Bartolo
Peter Kellner (Basilio) und Wilfried Zelinka (Bartolo). Copyright: Werner Kmetitsch

Aber glücklicherweise wird auch ernsthaft musiziert, und das zum Teil sogar sehr ordentlich. Als Graf Almaviva überzeugt der junge mexikanische Tenor Eleazar Rodríguez besonders mit lyrischer stimmlicher Wärme und sicherer Höhe. Wilfried Zelinka war sowohl stimmlich als auch darstellerisch ein idealer Doktor Bartolo, der auch mit dem Parlando keine Mühe hatte. Anna Brull besitzt einen hell timbrierten Mezzosopran mit sicherer Höhe, dem es nur in der Tiefe noch etwas an Volumen mangelt. Aber mit perfekten Koloraturen und viel Spielwitz bewährte sich die aus dem Opernstudio ins Ensemble übernommene junge Spanierin bestens.

In dieser Vorstellung übernahm der holländische Bariton Peter Bording die Titelrolle, und stellte mit seinem kräftigen Bariton einen eleganten Figaro dar; lediglich zu Beginn in seiner Auftrittsarie trübten einige musikalische Unsicherheiten den positiven Gesamteindruck. Mit einem samtweichen Bass sang der erst 25-jährige Slowake Peter Kellner den Basilio. Der polnische Bariton Dariusz Perczak (als Fiorello und als Offizier mit kräftiger Stimme) und die aus Uruguay stammende Sopranistin Sofia Mara (endlich einmal eine Berta mit frischer und nicht, wie so oft, mit ausgesungener Stimme), beide aus dem Opernstudio, ergänzten das sehr homogene Ensemble.

Unter der Leitung von Marcus Merkel musizierte das Grazer Philharmonische Orchester mit Leichtigkeit und Eleganz (nur der Solohornist patzte mehrmals).

Dass es wohl verschiedenen Arten von Humor gibt, beweist wohl die Tatsache, dass sich große Teile des Publikums, das an diesem Faschingssamstag die Grazer Oper füllte, königlich amüsierten. Diese Inszenierung ähnelt sehr in ihrer grellen Buntheit und mit der gleichen Art von plumpem Klamauk der „Don Pasquale“-Inszenierung von Irina Brook an der Wiener Staatsoper. Angeblich gefällt die ja auch einigen Leuten. Aber Geschmäcker sind ja verschieden.

Walter Nowotny

Noch ein wichtiger Hinweis:

Eine Opernaufführung ist ein Zusammenspiel von Musik und Regie, Kostüme, Bühnenbild, Requisiten und Licht lassen Abend für Abend eine kleine Welt auf der Bühne entstehen. In diese Welt einzutauchen ist ein Abenteuer für Herz und Verstand. Für Menschen mit normaler Sehfähigkeit ist so ein Abenteuer ganz selbstverständlich. Aber wie ist es für einen Besucher, der schlecht oder gar nicht sehen kann? Der Zauber des Bühnengeschehens bleibt ihm verborgen.

Durch eine Live-Audiodeskription kann man den sehbehinderten und blinden Zuschauern einen musikalisch-akustischen Opernabend bieten. Das will und wird die Oper Graz am 24. April 2016 durchführen und hat sich für dieses in Österreich erstmalig angebotene Projekt Anke Nicolai und Alexander Fichert von der Berliner Firma „audioskript“ nach Graz geholt.

Der Zuhörer bekommt über sein Headset präzise Beschreibungen über das Handlungsgeschehen auf der Bühne vermittelt, ohne den Musikgenuss zu stören, Simultan und situationsbezogen werden die Erläuterungen zwischen den Gesangspausen eingesprochen. So entsteht für den sehgeschädigten Zuschauer ein ganzheitlicher Eindruck.

Dank der finanziellen Unterstützung von Sponsoren findet die Aufführung von Rossinis „Il barbiere di Siviglia“ mit Live-Audiodeskription am Sonntag, dem 24. April 2016 um 15 Uhr in der Oper Graz statt.

 

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