GRAZ: Eröffnung der Styriarte 2018 mit „Fux.OPERNFEST“ (Helmut List Halle & Glücksgarten)
22.6. 2018 — Karl Masek
Copyright: Andrea Masek
Man startete mit „Julo Ascanio, Re d‘Alba“, einer von insgesamt 18 Opern des um 1660 im kleinen steirischen Weiler Hirtenfeld, etwa 20 km östlich von Graz geborenen Johann Joseph Fux. Aus dem Bauernbuben wurde ein Starkomponist der Barockzeit mit geradezu märchenhafter, gleichzeitig dauerhafter Karriere. Für drei Habsburgerkaiser war Fux Hofkapellmeister und „Hofcompositeur“, diente dort nicht weniger als 42 Jahre. War offenbar eine ideale Mischung aus kompositorisch-kontrapunktischer Meisterschaft, effektsicherem „Gewusst-wie“, der schillernden Farbigkeit, der musikalischen Inspiration. Er war Superstar, er war populär,…, er war exaltiert, because er hatte Flair,…“: Falcos Zeilen aus dem „Amadeus“ könnten auch für Fux gelten. Aber auch mit „Beständigkeit im Dienst“, Verhandlungsgeschick, Geschäftstüchtigkeit wusste er seine Dienstgeber zu beeindrucken…
Einen Sechsjahresplan hat man seitens der styriarte mit einem Fux-Opernzyklus. Als besonderes „Abenteuer im Garten der Kunst“, wie der künstlerische Leiter der styriarte, Mathis Huber, im Editorial des Festspielprospekts angekündigt hat. Mit „prickelnder Fröhlichkeit“. Und mit Überraschungen. Die Oper aus dem Jahr 1708, Libretto: Pietro Antonio Bernardoni, handelt von Ascanius, dem Sohn des trojanischen Helden Aeneas, der von der antiken Stadt Alba Longa aus die Politik Aeneas‘ weiter führt. Er triumphiert wieder einmal nach blutiger Schlacht. Er verliebt sich ausgerechnet in die Schwester des geschlagenen Feindes Evandro mit Namen Emilia. Damit das Werk nicht zu früh endet, will sich Emilia ihrerseits aufkeimende Zuneigung zu Ascanius nicht eingestehen. Carmentas mütterliche Autorität bewirkt eine Art unschlüssiges Lieto fine, zumal auch Emiliens Bruder Evandro für Heirat plädiert, sie prophezeit ihrer Tochter reiche Nachkommenschaft, aus der sehr viel später römische Kaiser und die Habsburgerdynastie (!) hervorgehen werden. Viel Mythos, viel Habsburger-Huldigung. Das gefiel Fuxens Chefs! Und dann noch das Hohelied der Mildtätigkeit. Da verzeiht einer am Ende sogar seinen Feinden. Da ließ sich trefflich dem Vatikan eins auswischen, lag doch Joseph I. im Clinch mit dem damaligen Papst…
Dieses 90-Minuten-Werk allein schien dem Intendanten ungeachtet vieler musikalischer Kühn- und Schönheiten nicht abendfüllend zu sein, und so bekam diese Serenata“ eine Outdoor-Rahmenhandlung für den Glücksgarten dazu. Der Komponist tritt hier selbst auf. Derlei hat man in letzter Zeit schon in allzu vielen Operninszenierungen gesehen. Dramaturgie und Fux-Szenen: Karl Böhmer.
Der Grazer Schauspieler Christoph Steiner machte das allerdings ziemlich gut. Beim kaiserlichen Fest, verbunden mit ländlichem Musikvergnügen treten auch Überraschungsgäste, Musiker aus Fuxens oststeirischer Heimat, auf, weil das der Wiener Kaiserhof besonders schätzt. Die fidelen Hirtenfelder vergnügten mit barocken G‘stanzeln, z.B. aus dem Dantz Büchlein von F.J. Dreysser aus dem Jahr 1720 und allerlei Schmankerln vom in Scheibbs geborenen Johann Heinrich Schmelzer sowie einer „Gavotta Styriarca“. Also durchaus originell, diese Idee, für den Glücksgarten!
Nun aber doch noch zum Hauptwerk. „Julo Ascanio“ ist ein Einakter mit Ouvertüre, 15 Arien, Rezitativen, einem Terzett und einem Chorfinale, bei dem alle 5 Rollen sängerisch eingreifen.
Fux muss damals ein sehr gutes Orchester gehabt haben: Den Musiker(innen) des Zefiro Barockorchester werden nämlich außerordentliche Schwierigkeiten abverlangt. Das 1989 gegründete Ensemble (spezialisiert auf Musik des 18. Jhts) machte seinem Namen Ehre, spielte über weite Strecken wie Zephir, der sanfte, freundliche Gott der Westwinde. Das klang seidig, sanft, mitunter aber auch etwas dünn. Die Helmut List Halle erweist sich einmal mehr als für Barockmusik nur bedingt geeignet. Dirigent Alfredo Bernardini einer der Gründer des Ensembles und Oboist, legte Wert auf Leichtigkeit und Schlankheit der Tongebung sowie Schattierungen gerade im Pianobereich.
Szenisch war, ehrlich gestanden, bei dieser fast konzertanten Wiedergabe wenig los. Eine markante Handschrift blieb Wolfgang Atzenhofer schuldig. Ansätze der neuerdings wieder in Mode kommenden „barocken Gestik“. Sonst blieb es statisch. Bei der abschließenden Hochzeit gestattete man sich Spurenelemente an ironischen Tanzschrittchen (Choreographie: Jörg Weinöhl). Lob für die modernistisch-barocken Kostüme sowie für die originelle Glücksgartengestaltung durch Lilli Hartmann.
Das Bühnenbild der Medienproduktionsfirma OchoReSotto ist eine gigantomanische Hausfassaden-Bestrahlung. Das wirkt eine Zeitlang als toller Blickfang, aber die Effekte nützen sich mit der Zeit ab, das Auge ermüdet mit Fortdauer des Abends.
Monica Piccinini, Arianna Venditelli. Bühne: OchoReSotto. Copypright: styriarte
Was die sängerischen Leistungen betrifft: Die Palme des Abends gebührt der in Rom geborenen Sopranistin Arianna Venditelli. Sie gewann 2015 den Publikumspreis beim renommierten Innsbrucker Cesti-Wettbewerb und hat einige Jahre intensiv mit Riccardo Muti gearbeitet. Eine bemerkenswert schöne, weiche Stimme, die in der Höhe wunderbar aufgeht und als unschlüssig Liebende/Hassende eine ungeheure Bandbreite an innigen Tönen aufweist. Der Lover aus dem Feindeslager Ascanio, der Altist Kai Wessel, war die Enttäuschung des Abends. Zu blass klang die Stimme des eigentlich sehr renommierten Counters, den ich u.a. aus der Uraufführung von Jörg Widmanns „Babylon“ in München in besserer Erinnerung hatte. Die drei weiteren Protagonisten fallen in die Kategorie „gut“. Monika Piccinini als resolute Mutter Carmenta mit stilsicherem Sopran und perfekter Höhe, der schlankstimmige, angenehme Bass des Mauro Borgioni als Evandro und der ausgeglichene, technisch gut fundierte Tenor Valerio Contaldo (Teucro).
Leider war der Wettergott den Veranstaltern nicht sonderlich gut gesinnt. Nach wochenlangem Sommerwetter ging die Quecksilbersäule ausgerechnet an diesem Abend auf 13 Grad Celsius zurück, der Wind machte es gefühlt noch kühler, und so war der Glücksgarten nach Ende der Oper nurmehr das halbe Vergnügen. Schade, man hatte sich auch kulinarisch große Mühe gegeben.
Karl Masek