Filmstart: 27. Oktober 2016
GIRL ON THE TRAIN
USA / 2016
Regie: Tate Taylor
Mit: Emily Blunt, Haley Bennett, Rebecca Ferguson, Justin Theroux, Luke Evans u.a.
Die Ausgangssituation ist „klassisch“: Ein Mensch beobachtet andere, und eines Tages bildet er sich ein, ein Verbrechen gesehen zu haben, ganz wie in Hitchcocks „Das Fenster zum Hof“. Allerdings verläuft die Geschichte von Rachel, die mit unendlicher Traurigkeit im Vorstadtzug nach New York sitzt, anders. Und wer sich einen klaren, starken Krimi erhofft, wird bald in einen fast undurchsichtigen Strudel der Ereignisse gezogen, in dem die Menschen im Fokus und vor allem die Zeitebenen dauernd wechseln.
Basis für „Girl on the Train“ ist ein Kriminalroman von Paula Hawkins, der viele Leser gefunden haben soll. Kennt man ihn nicht, tut man sich mit Rachel ein bisschen schwer. Gut, sie ist Alkoholikerin, entsprechend verzweifelt, und Emily Blunt, die auch die strahlend schöne, junge Queen Victoria gespielt hat, aber auch eine toughe FBI-Agentin sein konnte („Sicario“), hat diesmal die Charakterrolle der Trinkerin, die vor unseren Augen quasi zerfällt – sehr traurig und sehr überzeugend.
Seit ihrer Scheidung von Tom, der nun mit Anna verheiratet ist, lebt sie bei einer Freundin, und weil sie nicht zugeben will, dass sie keinen Job mehr hat, fährt sie täglich mit dem Vorortezug in die Stadt. Dabei sieht sie das Haus von Tom, seiner neuen Frau Anna und deren Baby, aber auch von einem anderen Paar, Megan und Scott, das sie sich als ideale Liebende träumt.
Keine Frage, dass sie es nicht sind, und als Megan vermisst wird, gerät der Film in ein wirbelndes, schwer durchschaubares Krimi-Chaos: So, wie die Handlung „herumspringt“, hat man es nicht leicht, überall durchzusteigen. Die ehrliche Anteilnahme gilt Emily Blunt, die so bemitleidenswert dreinsieht und sich in ihrem Alkoholproblem offenbar genau so wenig in der Geschichte richtig auskennt wie der des Buches unkundige Kinobesucher.
Dass die Damen Anna (Rebecca Ferguson) und Megan (Haley Bennett) sich in ihrer durchschnittlichen Blondheit so ähnlich sehen, hilft auch nicht wirklich. Ob Rachel sich immer wieder in eine von ihnen so sehr hineinversetzt, dass sie gewissermaßen in deren Körper schlüpft – da bleibt in einer Art von Traum- und Irrational-Szenen vieles unklar…
Wenn Rachel zu Megans Gatten (Luke Evans) geht, um ihm deren Ehebruch zu berichten, ist das eine falsche Spur, während die Handlung immer mehr auf ihren ungetreuen Exgatten Tom (Justin Theroux) zuspitzt. Und immer ist man mit Rachel, die sich wegen ihres oftmaligen Suffs im Grunde an nichts Genaues erinnert…
Am Ende muss man einen hässlichen Mord mitansehen, eigentlich zwei, aber der letztere ist nicht ganz so schlimm, weil er den richtigen trifft, und dann weiß man langsam auch, worum es in dem von Tate Taylor inszenierten Streifen gegangen ist – und wie unendlich fies Männer sein können.
Dennoch, man hat ja doch einfach einen spannenden Krimi erhofft und kriegt letztendlich ein total verkorkstes Melodram…
Renate Wagner