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Georg Markus: ES WAR GANZ ANDERS

23.12.2013 | buch

BuchCover Markus, Es war ganz anders x

Georg Markus:
ES WAR GANZ ANDERS
Geheimnisse der österreichischen Geschichte
304 Seiten, Amalthea Verlag 2013

Man könnte meinen, dass Georg Markus in seinen Büchern (die man mittlerweile gar nicht mehr zählen kann) immer dieselben Geschichten erzählt. Aber, wie er im Vorwort darlegt, ändert sich ja der Wissensstand ununterbrochen. Allein durch seine wöchentliche historische Glosse im „Kurier“ werden zahlreiche neue Informationen an ihn herangetragen, Nachlässe und Briefe gewähren erstaunliche Einblicke, Leute melden sich und wissen aus ihrer Familiengeschichte zu berichten. Sicher sind in seinem jüngsten Buch ein paar „alte Hüte“ unter den Stories dabei, aber manches ist doch neu.

Dass, wenn man chronologisch beginnen will, beim Wiener Kongress (der 2014 seinen „200er“ feiern wird) nicht nur getanzt wurde, versteht sich von selbst, hat man doch schließlich damals Europa neu geordnet. Dass die Klatsch- und Liebesgeschichten der Beteiligten weit mehr wahrgenommen wurden als die Verhandlungen, verzerrt das Bild dieses Ereignisses noch immer.

Dann ist Georg Markus, wie immer – es wird wohl auch am meisten und am liebsten gelesen – vordringlich bei den Habsburgern. Dass Kaiserin Elisabeth und ihre Schwiegermutter, Erzherzogin Sophie, einander spinnefeind waren, wie man es seit den „Sissi“-Filmen zu wissen scheint (Romy Schneider gegen Vilma Degischer) und wie es teilweise auch noch in berühmten Biographien steht, dürfte durch die Lektüre von Sophies Briefen widerlegt sein. Definitives wird man natürlich nie wissen, auch über anderes nicht. Immerhin scheint klar, dass Katharina Schratt – über die Markus einst selbst ein Buch geschrieben hat und die ihm mittlerweile weniger sympathisch ist – Kaiser Franz Joseph nicht nur finanziell geschröpft, sondern auch heftig betrogen hat. Die Geschichte mit Hans Graf Wiczek war bekannt, die mit dem König von Bulgarien weniger, die mit dem Schauspieler Viktor Kutschera (von einem Enkel berichtet) eigentlich nicht. Fest steht: die Liebhaber der Dame mussten reich sein. Sonst waren sie nicht von Interesse…

1914, vor 100 Jahren, brach nicht nur der Erste Weltkrieg aus, der das Jahr 2014 vermutlich medial drückend beherrschen wird. Damals starben auch Thronfolger Erzherzog Franz Ferdinand und seine Gattin in Sarajevo – ein Enkel berichtet, wie die beiden in der Familienhistorie tradiert wurden, Markus geht der Mordwaffe und dem Auto, in dem die beiden starben, nach, die eine bunte Geschichte hatten, bevor sie im Heeresgeschichtlichen Museum landeten.

Im übrigen: Die Geschichte jenes Bruders von Kaiserin Elisabeth, der ein angesehener Augenarzt war (und die Schwester warnte, sie solle keine nächtlichen Gespräche mit Heinrich Heine führen, sonst schnappe sie eines Tages über), ein angeblicher Sohn von Kronprinz Rudolf, die bekannte Luise von Toskana, ihr Bruder Leopold Wölfling – die Promis des Buches reichen bis zu den Kennedys, wobei Markus John F. noch einmal in Österreich aufgespürt hat. Von Hedy Lamarr wird berichtet, dass sie am Ende von Schönheitsoperationen entstellt war (nicht aber, dass ihre Kinder mit ihrem Wunsch, einen Teil der mütterlichen Asche in einem Ehrengrab am Zentralfriedhof beisetzen zu lassen, an den sturen Wiener Behörden scheiterten).

Es gibt einige wirklich originelle Kapitel, wobei Markus auch die Leistung anderer weiter verwertet – etwa die Auflistung der reichsten Österreicher 1910 (von Roman Sandgruber erstellt), die natürlich reichen Kommentar erlaubt, oder der Blick in den „Lehmann“, jenes Wiener Adressbuch, das so profunde Einblicke bietet, wenn man es zu lesen versteht und über das auch ein Buch erschienen ist.

Neu scheint die Erkenntnis, dass ein Großteil von Marcel Prawys finanziellem Erbe über seine entfremdete Schwester, die er zur Erbin einsetzte, zugunsten eines US-Nationalparks gelandet ist, und amüsant ist jedenfalls das fiktive Telefongespräch, das Georg Markus zwischen dem Autor Franzobel und Hans Moser stattfinden ließ, in dem sich Moser heftig wehrt, von Franzobel 2010 als Nazi-Mitläufer auf die Josefstadt-Bühne gebracht worden zu sein… Es gibt offensichtlich tatsächlich immer etwas Neues zu erzählen.

Renate Wagner

 

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