GENT/Vlaamse Opera : AGRIPPINA von Georg Friedrich Händel am 28.10.2012
Das totale Büro
AGRIPPINA , das erste Meisterwerk des jungen Händel, erfreut sich in letzter Zeit immer grösserer Beliebtheit.Und so kam es jetzt auch in der Vlaamse Opera in Gent(die bereits als Gebäude in ihrer prachtvollen Plüschhaftigkeit eine Reise wert ist) – als Koproduktion mit der Oper von Oviedo – zur Aufführung.
Regisseuse Mariame Clément siedelt die Action in einem Fernsehstudio an, in dem gerade eine Dallas/Dynastie-ähnliche Familiensaga zur Aufzeichnung kommt. Eine Transposition, die nicht unbedingt auf der Hand liegt, aber durchaus für Erheiterung sorgt. Da sie immer vom Respekt vor der Musik getragen ist.stört sie auch nicht weiter -wenn es einem gelingt von den permanenten Attacken auf das ästhetische Empfinden und die Sehnerven (grausliche 80er Jahre -Kostüme, abgrundtiefe Geschmacklosigkeiten wie protzige Jacuzzis und porzellanene Windhunde etc.etc.) im wahrsten Sinne des Wortes abzu-sehen.
Die hochkarätige Sängercrew liess sich jedenfalls durch die von ihr zu verrichtenden banalsten Tätigkeiten(Fingernägel lackieren, rauchen,Whiskey trinken etc. etc.) nicht von ihrer Hauptaufgabe ablenken.
Allen voran die beiden Superprimadonnen: Ann Hallenberg als furchterregend machtgeiles Biest Agrippina und Elena Tsagallova als dreigleisig fahrende Geliebten-Tussi Poppea, deren Koloraturen scheinbar anstrengungslos nur so vor sich hinperlten.
Schaumbad
Aber Kristina Hammarström (Ottone), Renata Pokupic (Nerone), Umberto Chiummo(Claudio) sowie Joao Fernandes (Pallante) und Jose Lemos (Narciso) konnten – wenn auch nur in den „kleineren Rollen“ – gesanglich und darstellerisch durchaus mit ihnen mithalten.
Für ein straffes Dirigat sorgte Paul McCreesh.
Am Ende der Oper werden wie beim Abspann eines Bio-Pic die weiteren Schicksale der handelnden Personen auf die Bühne projiziert. Und man entdeckt mit Entsetzen, dass alle, aber auch wirklich a l l e Protagonisten (und nicht nur Nero, Poppea und Agrippina,von denen es man ja wusste) letztlich eines fürchterlich gewaltsamen und grausamen Todes gestorben sind.
Diese Erkenntnis hat mit dem letztendlich heiteren Charakter des Werkes(und seinemHappy End) nun eigentlich gar nichts zu tun, beeindruckt aber trotzdem.
Nicht alle Zuschauer hielten der gesamten Spieldauer stand, was schade ist.Denn so oft wird man nicht mit viereinhalb Stunden lückenlos hochstehend interpretierter Musik versorgt.
Robert Quitta, Gent