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GENF: DIE WALKÜRE. Premiere

08.11.2013 | KRITIKEN, Oper

Premiere: Die Walküre, Grand Théâtre de Genève am 7.11.2013

 Wotan straft seine liebste Tochter Brünnhilde in dem er sie verbannt und ihr ein Schicksal als Hausfrau, als Mensch, beschert. Wehr- und willenlos soll sie auf dem Berggipfel schlafen, bis ein Mann sie nimmt. Brünnhilde ist das Bauernopfer in einem System voller Abhängigkeiten und Intrigen. Getrieben vom eigenen Überleben ist eine freie Entscheidung nicht mehr möglich. Durch die Ausgrenzung Brünnhildes, kann Wotan den Schaden von sich abwenden um die Götter schützen. Ohne Zweifel, ist der dritte Akt wohl der sensibelste und innigste Teil des gesamten Ring-Zyklus. Die Trennung ist rational nicht zu verstehen, nur so kann man begreifen, dass er ihr doch noch Schutz gewährt und sie doch nicht ganz schutzlos preisgeben will. Auf ihren Wunsch umgibt sie ein Feuerwall, nur ein tapferer Mann wird ihn durchschreiten, nur einer, der Wotans Speer nicht fürchtet.

 Hundings Haus bestand aus einer riesigen Baumwurzel, in den der Schutz suchende Siegmund wie ein unbeholfener Bär hineintappste, von seiner Zwillingsschwester Sieglinde willkommen aufgenommen, verpflegt und von dem wenig erfreuten Hausherrn als Gast geduldet wurde.

 Günther Groissböck spielte Hunding brutal und unzugänglich. Mit wunderbarem Klang beherrschte er seine verängstigte Frau total. So kann man sich häusliche Gewalt vorstellen, wenn er sie an den Haaren packte, demütigte, erniedrigte und sie das Messer zückte, um ihn am liebsten zu töten. Die stattliche Michaela Kaune, wirkte ihrem schmächtigen Bruder gegenüber wie eine Hünin, gab der domestizierten Sieglinde mit ihrem kraftvollen, sicher geführten Sopran und wundervollen Pianis feinen Ausdruck. Der Tenor Will Hartmann vermag als verliebter Siegmund zwar nicht ganz zu gefallen, geriet stimmlich an seine Grenzen und überzeugte in seiner Sorge um die bräutliche Schwester die von Brünnhilde gerettet wurde nicht wirklich.

 Jürgen Rose reduzierte den Ort des Geschehens auf engsten Raum wie in einer Kammeroper, demgegenüber stand die weit geöffnete requisitenlose Bühne. Das reduzieren der Handlung auf kleinstem Raum in einer unendlich grenzenlos wirkenden Weite vermochte zu beeindrucken.

 Fricka Elena Zhidkova pochte auf Recht und Ordnung, erinnerte Wotan an seine Vertrags-Brüchigkeit und an seinen Ehebruch und machte ihm klar was sie vom Inzest seiner Kinder hält. Schuldbewusst fügte sich Wotan und vollstreckte was er nicht gerne tat, nämlich seine Brünnhilde zu opfern. Sie stellte nicht die Idealbesetzung einer beherrschten Fricka dar, man nahm ihr die überlegene Hüterin der Familie nicht ab und war gesanglich eher spröde und eindimensional.

 Der 3.Akt, in dem Dieter Dorn den „Walkürenritt“ auf einer kleinen Plattform spielen liess, auf der die Töchter die toten Helden beigten, die verstossene Brünnhilde vergebens Wotan um Mitleid für die schwangere Sieglinde anflehte und in echter Verzweiflung kniefällig ersuchte die unerhörte Strafe wenigstens etwas zu mildern, wurde berührend und wirkungsvoll umgesetzt.

 Im Finale wirkte Wotan Tom Fox nicht nur etwas zu steif sondern sang ausdrucksschwach und mit seinen Stimmresten textunverständlich in sich hinein nuschelte. Petra Lang war zweifelslos die Sensation des Abends, die mit viel Expressivität und Wohllaut, mit hervorragend sicher geführter Stimme der Brünnhilde überzeugende Gestalt gab.

 Zu grosser Form aufbrechen können, bewies auch das Orchestre de la Suisse Romande. Unter der profunden Leitung von Ingo Metzmacher glänzte das Orchester. Mit Dynamik, Flexibilität und innigen Farben sorgte er für anhaltende Spannung und gab der poetischen Gesamtwirkung viel Raum. Nicht die lauten Töne und anhaltenden Bögen waren gefragt, sondern das reduzieren der Musik auf das Wesentliche, sich anpassen an das kammerhafte des Bühnenbildes um somit eine Symbiose zu bilden die sehr einleuchtend und gefällig war. Das Publikum war begeistert und bejubelte frenetisch die Protagonisten und die gesamte Regie.

 Marcel Paolino

 

 

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