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GENF: DER ROSENKAVALIER

05.04.2012 | KRITIKEN, Oper

Der Rosenkavalier im Grand Théâtre de Genève, vom 3. April 2012


Soile Isokoski (Marschallin). Foto: Grand Théâtre de Geneve

 Eine kluge Frau, ein junger Mann, ein noch jüngeres Mädchen und ein lüsterner Baron. Vier Menschen versuchen sich bei schönster Musik und mit klügstem Text sehr nahe zu kommen. Turbulentes Ergebnis: Liebe, Triebe und Intrige! Eine wahrlich Rokoko-Pracht-Produktion.

 Die Oper Genf hat sich wohlweislich dafür entschieden die Kultinszenierung von Otto Schenk und Jürgen Rose aufzuführen, und damit einen hochrangigen glamourösen Rosenkavalier  zu präsentieren. Ein Publikumsrenner des Nationaltheaters München, und das seit 1972!

 Genau vierzig Jahre nach der Premiere darf man diese Prachtinszenierung mit internationaler Besetzung in Genf bestaunen. Und man kann sich kaum vorstellen, wie manche tolle Aufführungen in diesen vielen Jahren über die Bühne gegangen sein müssen und wie viele wunderbare, international renommierte Sängerinnen- und Sängerpersönlichkeiten in all diesen wundervollen Rollen, welche dieses Werk zu bieten hat, interpretieren durften.

 Hätte man sich für eine neue Inszenierung entschieden, wäre die wohl perfekteste und schönste Aufführung dem hiesigen Publikum vergönnt geblieben. Sicherlich, es ginge auch mit einer neuen und moderneren Interpretation.  Da es sich beim Rosenkavalier um ein sehr populäres Repertoirestück handelt, gibt es noch genügend Möglichkeiten eine andere Sichtweise erleben zu dürfen. Eines ist sicher, besser kann es kaum noch werden.

 Soile Isokoski ist eine führende Interpretin der Marschallin. Unzählige Male hatte sie schon diese Partie gesungen und es ist immer wieder wundervoll, sie in dieser Rolle zu erleben. Nuancierter, textverständlicher, inniger und zugleich hintergründiger könnte man diese Parlando-Partie kaum mehr gestalten. Sie führte ihren tragfähigen Sopran majestätisch und bruchlos über alle Klippen und bestach mit schönen Piani, weit gesponnenen Bögen und voll aufleuchtender Höhe.

 Und Octavian sang mit einem wunderbar satten Ton, sein Timbre duftete in allen Lagen nach weissen Rosen. Wahrlich ein Glück,  hatte Alice Coote diese Rolle inne und interpretierte so herrlich berauschend. Mit Szenenapplaus für das imposante Ambiente im Haus Faninal gelang die Überreichung der Rose berührend und erhebend. Die Rose durfte Sophie übernehmen: Kerstin Avemo gab eine solide Sophie, bisweilen noch etwas zurückhaltend.

 Ein ebenso grosser Segen war es, Octavians Kontrahent, Baron Ochs von Lerchenau, von einem ebenso prächtigen Interpreten zu hören. Alfred Reiter kennt die Rolle bis ins kleinste Detail: Selbst der polternden Komik gab er eine Eleganz. Ein gelungener Faninal bot Lionel Lhote zum Besten.

 Niksa Baresa präsentierte gemeinsam mit dem Orchestre de la Suisse Romande eine grossartige Leistung. Die filigrane Vieldeutigkeit dieser Musik, die Hornorgien des ersten, die horrende Virtuosität des dritten Akts, die für die Balance so verzwickt-heiklen Schwebeklänge der hohen Streicher und Holzbläser oder die satten Orchesterklänge: Der Maestro und das Orchester blieben im Rausch wie in der Zurücknahme brillant und intonationssicher.

 Im Übrigen gilt zu bewundern, wie sorgfältig die Regie von Otto Schenk die Figuren führte. Wie durch gekonntes Positionieren, durch angedeutete Gesten und Blicke zuletzt die subtilen Beziehungen im Trio von Sophie, Oktavian und Marschallin allmählich unwiderruflich geklärt werden. Und wie die drei fantastischen Frauenstimmen verschmelzen in einer Schönheit, die unaufhörlich und doch immer schon vorbei ist. Einfach wunderbar!

 Marcel Paolino

 

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