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GELSENKIRCHEN: SCHWANENSEE – ergreifend choreographiert von Bridget Breiner. Premiere

Ein Traum von SCHWANENSEE – ergreifend choreographiert von Bridget Breiner

 Traumhaft getanzt von der „Primaballerina Assoluta“ Kusha Alexi. Das BALLETTWUNDER von Gelsenkirchen. Premiere 9.11.13

Alexi-S’see-Gelsenkirchen © Sebastien Galtier
Ordep Rodriquez-Chacon, Kusha Alexi. Foto:Costin Radu

 Die Schweizerin Kusha Alexi ist sicherlich eine der größten und besten Tänzerinnen unserer Zeit. Monte Carlo, Zürich, Hamburg, München u.v.a. und viele Preise zieren ihren bisherigen erfolgreichen Tanztheater-Lebenslauf, der geprägt wurde von Welt-Choreografen wie Spoerli, Neumeier, Cranko, Balanchine oder z.B. van Manen. Sie gehört zu den Spitzentänzerinnen, die mit ihrer superben perfekten Technik, beeindruckender Subtilität, frappierender Musikalität und herzergreifendem Darstellungsvermögen die Herzen begeisterter Ballettomanen allerorten nicht nur zu Jubel-Orkanen bewegt, sondern auch zu Tränen rührt; gerade wieder bewiesen am „kleinen“ Musiktheater im Revier mit der vielleicht kleinsten Compagnie Deutschlands – gerade einmal 14 Tänzer. Herausgekommen ist ein derart fantastischer Ballettabend, dass er den ganz großen Häusern in Deutschland mehr als zur Ehre gereichen würde; eine grandiose zeitgemäße aber doch immer Tschaikowskys Handlungsballett sehr ernst nehmende Choreografie – kein moderner sinnloser Mumpitz wie die Thoss-Produktion vor Jahren am Essener Aalto.

 Es erscheint geradezu unglaublich und geriert an ein Ballettwunder dass man mit einer derart reduzierten Compagnie Tschaikowskys Schwanensee überzeugend inszenieren kann. Die großartige Bridget Breiner (seit 2012 Ballett-Chefin am MiR) hat es mit dieser bezaubernden Arbeit geschafft.

 Sie inszeniert ein bisschen an das Rusalka-Märchen angelehnt: Das zauberhafte sensible und fast zerbrechliche Naturwesen verliebt sich in den Prinzen, der die nun Entwurzelte aber missverständlich enttäuscht, worauf sie wieder in ihr Revier zurückkehrt – dort aber jeden Bodenkontakt mittlerweile verloren hat und stirbt. Und wie Kusha Alexi dieses Finale hochkünstlerisch und dennoch zutiefst menschlich gestaltet, gehört zum Ergreifendsten was man geradezu tränenforcierend, ohne kitschig zu wirken, je auf einer Tanztheaterbühne gesehen hat. Bravo!

 Was auf den ersten Blick manche Zuschauer irritierte, war handlungsdramaturgisch absolut genial eingesetzt, nämlich drei zauberhafte Romanzen von Peter I. Tschaikowsky; einfühlsam gesungen von Noriko Ogawa-Yatake und feinfühlig begleitet am Klavier von Salvador Caro. Es sind drei wohlausgesuchte und passend genial platzierte Stellen, wo die Liebenden quasi aus dem Handlungsrahmen heraustreten und sich ganz menschlich näher kommen; innige Momente, an denen die geballte Sinfonik des allseits großen Orchester die Intimität des Augenblicks zerstören würde.

 Wenn ich aus dem bewundernswürdigen Ensemble noch zwei Solisten besonders lobe, dann Ordep Rodriguez Chacon(Prinz), ein Tänzer mit bewundernswerter Sprungkraft und Aidan Gibson (Verlobte) mit bravierenden Spitzentanz. Insgesamt aber tanzten alle mit wirklich sagenhaftem Engagement, Bewegungsfreude und wunderschöner Musikalität – wobei ich hier auch noch einmal auf die Inszenierung eingehen möchte, die wirklich jede musikalische Note in tänzerischen Momenten reflektierte; eine schon fast atemberaubende Choreografie.

Die subtilen Bühnenbild-Elemente und die überzeugenden Kostüme steuerte Jean-Marc Puissant bei. Forciert und mit flotten Tempi dirigierte Heiko Mathias Förster die Neue Philharmonie Westfalen – der wunderbare Tanzbühnenzauber lenkte allerdings von manchem Grobschlächtigkeiten im Orchestergraben ab.

 Was für ein ergreifender Tanztheaterabend! Was für ein tolles Ensemble! 20 Minuten zurecht vom Premierenpublikum gefeierte Standing Ovations.

 Auch, aber nicht nur, wegen der Weltklasse-Ballerina ist diese geradezu steinerweichend wunderschöne Produktion, für Ballettfreunde jedweden Alters, jede noch so weite Anreise wert.

 Peter Bilsing / 10.11.13

 

Bilder: Sebastian Galtier

 

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