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GARS/ Oper Burg Gars: TOSCA

Gerneralprobe fehlerfrei?

13.07.2018 | Oper

Scarpia: Michele Kalmar, Cavaradossi: Oscar Marin, Tosca: Lada Lissy (Foto: OperBurgGars c R.Podolsky)

12.7.2018 – GENERALPROBE FEHLERFREI? – PREMIERE „TOSCA“ (Oper Burg Gars)

Es gibt ja den alten Aberglauben, dass die Premiere problemlos verläuft, wenn es bei der Generalprobe viele Pannen gibt. Dem zufolge muss bei der Generalprobe für die diesjährigen Opernsommerspiele auf der pittoresken Ruine der Babenberger in Gars am Kamp alles glatt gegangensein – angesichts der zahlreichen Hoppalas, die dem Ensemble in der Premiere zusätzlich zur Aufregung des ersten Abends noch manche Herausforderung bereiteten. Vom Gemälde Cavaradossis, das sich partout nicht enthüllen lassen wollte, über das „Fetzenlaberl“, mit dem die Ministranten, zum Te Deum gerufen, in der Kirche spielen sollten, und das sich gleich mehrfach Richtung Auditorium verselbständigte, bis hin zum Signalton der ÖBB Lokomotive, der vom Fuß des Burgberges her übergut hörbar der bedauernswerten Titelheldin akurat in den Höhepunkt des „Vissi d’arte“ hinein röhrte.

Das engagierte Ensemble ließ sich aber durch solche Unbill nicht aus der Ruhe bringen und präsentierte eine ansprechende Version des Meisterwerks Puccinis,die nach einigen Startschwierigkeiten von Akt zu Akt an Intensität gewann und am Ende vom allgemeinen Zuspruch des Publikums honoriert wurde. Im Mittelpunkt des Geschehens stand die Kasachin Lada Kyssy als römische Operndiva, eine gut aussehende junge Künstlerin mit einem hellen, in allen Lagen gut geführten Sopran, der auch über die entsprechenden Ausdrucksmittel für die ganze Bandbreite zwischen kokettem Geplänkel, liebevoller Zärtlichkeit, irritierter Eifersucht und bedrängter Verzweiflung verfügt. An einigen wenigen exponiert dramatischen Stellen hörte man, dass die Sängerin von der Lucia und Gilda her kommt, und man möchte ihr raten, sich genug Zeit zur Entwicklung zu gönnen, gerade, da die Richtung ohnehin stimmt.
Ihr zur Seite als politisch engagierter Maler stand der Spanier Oscar Marin, der eine Weile brauchte, um gewissermaßen in Fahrt zu kommen, schließlich aber nach einem packenden zweiten Akt mit „Lucevan le stelle“ einen Höhepunkt des Abends setzen konnte. Die Konditionsprobleme, die der Rezensent von Marins Garser Carlos in Erinnerung hatte, konnte der Tenor unterdessen anscheinend ausgleichen, seine Stärken sind die präzise Wortdeutlichkeit und eine angenehm strömende Mittellage – den Akzenten, die „man“ sich von einem Cavaradossi erwartet („Tosca, sei tu“,„La vita mi costasse“, „Vittoria“), steht seine Neigung zur Einengung des Tons in der Höhe leider im Weg. Der Ungar Michele Kalmandy gestaltete einenin Statur und Auftreten frontal aggressiven römischen Polizeichef, auch gesanglich ist er ein Haudegen, legt sozusagen ohne Rücksicht auf technische Verluste einfach los und nimmt dafür aber in Kauf, dass er häufig über den Rand der notierten Linie hinaus gerät.

Von der Wiener Staatsoper an den Kamp gereist sind Benedikt Kobel als der Spoletta, den man von ihm  auch vom Haus am Ring kennt, sowie Marcus Pelz, dessen Mesner bedauerlicherweise einer groben Verwechslung von ironischer Zeichnung mit plattem Klamauk zum Opfer fällt. Der flüchtende Angelotti wurde vom rumänischen Bariton Vasile Chisiu expressiv dargestellt, wobei leider die Qualen der Haft offenbar auch seiner Intonation gehörig zugesetzt haben. Inwiefern sein Fluchtversuch in Frauenkleidern angesichts seines Vollbarts von Erfolg gekrönt gewesen wäre, ist eine Frage, auf welche nur das Regie-Team die Antwort weiß. Ricardo Bojorquez als Sciarrone gönnt die Inszenierung die kleine, aber effektvolle Idee, die Leiche des eben erst ermordeten Chefs auffinden und seine Verachtung für das Scheusal, dem zu dienen er gezwungen war, zum Ausdruck bringen zu dürfen. Anteilnehmend bereitet Roger Diaz-Cajamarca als Schließer den Cavaradossi auf seinen letzten Weg vor .
Aus der Umgebung stammt Katharina Tschakert, die sich als Hirtenknabe ihrer Aufgabe wohltönend entledigt, neu ist der Tonfall ihres kurzen Morgenliedchens, das man sonst ja eher von Sängerknaben im Ohr hat. Ihr kommt in der Inszenierung von Wolfgang Gratschmeier und Stephanie Schimmer eine symbolische Schlüsselfunktion zu – verschmilzt sie doch hoch auf der Balustrade mit dem schwerttragenden Gerichtsengel der Engelsburg am Tiber und verkörpert so gleichsam in einer Vision die neue, aufgeklärte Menschheit, die nach dem Märtyrertod des First Couple auf dem überdimensionalen, die gesamte Bühne bedeckenden Leichentuch ersteht, das am Ende des 2. Akts über den toten Scarpia gezogen wird und Ende der Tyrannei, Gewalt, Folter und Unfreiheit bedeutet. Ein Zugang, dem einiges, ja viel abzugewinnen ist; der nur leider – aus Rücksicht auf die Wendigkeit des potentiellen Publikums der niederösterreichischen Sommertheater-Events? – in der Ausführung auf die geschilderten Elementen beschränkt bleibt und manche bedenkenswerte Konsequenz des attraktiven Grundgedankens unausgeführt ließ.

Womit, und das ist in Zeiten wie diesen ja durchaus als Bonus zu vermelden, eine Produktion zur Aufführung gelangt, die unter geschickter Einbeziehung der effektvollen Spielstätte nicht mehr und nicht weniger tut, als das genial angelegte Drama gemäß Libretto und Partitur zu erzählen, gewürzt mit einigen klugen Einfällen – Angelotti stürzt sich, in der rettenden Kirche angelangt, vor Durst als erstes über das Weihwasser; ungemein eindrucksvoll die Verteilung der Glockentöne am Beginn des 3. Aktes auf unterschiedliche Orte ringsum in der Burg – leider aber beeinträchtigt durch eine wirklich schlampige Handhabung der kirchlichen Szenerie im 1. Akt. Wenn schon das Wissen um gottesdienstliche Abläufe und Gewänder nicht mehr Allgemeingut ist, so sollte es doch Berater geben (angeblich war der örtliche Pfarrer ohnehin in die Vorbereitungen der Aufführung involviert), die für eine angemessene Ausstaffierung des Chores (Kostüme: Gerlinde Höglhammer) die nötigen Ezzes geben und auch der Protagonistin aus der russischen Teilrepublik wenigstens zeigt, wie man in einer westlichen Kirche das Kreuzzeichen schlägt.

Die musikalische Leitung lag in den bewährten Händen des Intendanten Johannes Wildner, der in seiner launigen Eröffnungsrede das Grundanliegen der Produktion erläuterte und dann vom Pult aus das Orchester der Klangvereinigung Wien, den Chor der Oper Burg Gars und die Solisten durch den Abend führte – mit gelegentlichen Koordinationsproblemen, die wohl der ungünstigen Anlage von Szene und „Stadel“ (einen Graben gibt es in Gars ja nicht) anzulasten waren – am eindrücklichsten blieb das stimmungsvoll-elegische Vorspiel zum 3. Akt.

(Valentino Hribernig-Körber) 

 

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