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FREIBURG: SCHÖNE NEUE WELT.Schauspiel nach dem Roman von Aldous Huxley. In einer Bearbeitung von Robert Koall

08.04.2016 | Theater

Theater Freiburg: „Schöne neue Welt“. Schauspiel nach dem Roman von Aldous Huxley. In einer Bearbeitung von Robert Koall – Premiere  7.4.2016

mathe
Copyright: Maurice Korbel

Der 1932 erschienene Roman Brave New World (übrigens ein Shakespeare-Zitat) von Aldous Huxley gehört zu den wichtigsten Romanen des 20. Jahrhunderts. Beschrieben wird darin eine düstere Zukunftsvision des 26. Jahrhunderts, wo Kinder im Labor gezeugt und durch Konditionierung zu fünf Kasten herangezogen werden, von den durch Mangel an Sauerstoff unterbelichteten Epsilons bis zu der perfekt ausgestatteten herrschenden Klasse der Alphas. Gruppensexorgien nach Vorschrift und Rauschzustände mittels der allgemein zugänglichen Droge Soma werden nur von gelegentlichen Trips ins Reservat, eine Art Zoo der alten Welt unterbrochen. Ziel dieser überregelten Gesellschaft ist „Stabilität, Frieden und Freiheit“, geopfert werden dieser Maxime jedoch jegliche persönliche Freiheit, wie auch Religion und das Recht auf jegliches negative Gefühl oder schlechte Erfahrungen.

Lenina Crowne (Marie Jordan), eine Beta, nimmt die Einladung des leicht fabrikationsfehlerhaften Alpha-Manns Bernard Marx (André Benndorff) zu einem Kurztrip in ein Reservat an. Da leben noch „Wilde“, die sich ekelhafterweise natürlich fortpflanzen. Dort treffen sie auf John Savage (Hendrik Heutmann) und seine Mutter Linda (Melanie Lüninghöner), die einst der zivilisierten Welt angehörte und bei einer Reise ins Reservat mit dem Direktor verschollen ging. Die beiden werden mit der Erlaubnis von Mustapha Mond (Victor Calero), dem Weltaufsichtsrat, zu Untersuchungszwecken in die Zivilisation mitgenommen. Der Direktor muss ob der Schande, Vater eines natürlich gezeugten Sohnes zu sein, zurücktreten. Linda versinkt bald im Drogenrausch, während John von Bernhard auf Partys zur Schau gestellt wird. Als John diese Zurschaustellung schliesslich verweigert, sinkt Berhards Beliebtheitskurve wieder und er versinkt in Depressionen. Wegen Ausschreitungen schickt der Weltaufsichtsrat John, Bernhard und dessen Freund Helmholtz (Jürgen Herold) in die Verbannung. Wegen des Verlusts der persönlichen Freiheit und seiner misslungenen Beziehung zu Lenina erhängt sich John schliesslich.

Robert Koall gebührt ein Lob für die kurzatmige, an den richtigen Stellen gestraffte Version. Allerdings fragt man sich schon nach dem Mehrwert, den die Bühnenbearbeitung dieses Jahrhundertromans haben soll. (Gleiches galt schon für den Homo Faber). Beschäftigungstherapie für Englisch-Lehrer?

Auf der Bühne (Dirk Thiele) drehen sich im Dauerrauschnebel wabenförmige Stahlstrukturen. Militärisch grausam wie ein Bienenstock ist diese Welt organisiert. Die futuristischen Kostüme in Weiss und Gold (Kathrin Krumbein), sind zeitlos, die goldenen Halbmasken verleihen den Menschen gelegentlich etwas Roboterhaftes.

Florian Hertweck lässt die Abiturlektüre in einer unbestimmten Zukunft spielen, Bezüge zur Gegenwart sind aber durchaus durch die Videosequenzen aus dem Reservat gegeben, die in den Strassen des heutigen Freiburgs gefilmt wurden. Ganz klar: Wir sind die Wilden, die sich wie John an eine Shakespeare-Gesamtausgabe klammern. Aber das Klammern an das Alte ist gefährlich, mindert die Produktion, die Nachfrage nach Neuem: Den brutal logischen Argumenten des hochintelligenten Weltaufsichtsrats Mustapha Mond (der selbst durchaus alles Verwerfliche kennt und probiert hat), kann weder John noch der Zuschauer irgendetwas entgegensetzen.

Dieser schönen weiss-goldenen rauschvernebelten Welt der ewigen Jugend und Zufriedenheit bald anzugehören… Wann nur hat diese Vision ihren Schrecken verloren?

Alice Matheson

 

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