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FREIBURG im Breisgau: OSCAR UND DIE DAME IN ROSA von Fabrice Bollon

09.01.2014 | KRITIKEN, Oper

Uraufführung einer Familienoper in Freiburg im Breisgau:  „Oscar und die Dame in Rosa“ von Fabrice Bollon (Vorstellung: 9. 1. 2014)

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Die beiden Titelrollen waren mit Xavier Sabata als Dame in Rosa und Sharon Carty als Oscar exzellent besetzt (Foto: Maurice Korbel)

 Das Theater Freiburg im Breisgau wartete im Rahmen ihrer Reihe „Jugendtheater“ am 5. 1. 2014 mit der Uraufführung einer Familienoper auf. „Oscar und die Dame in Rosa“ von Fabrice Bollon nach der gleichnamigen Erzählung des französischen Autors Eric-Emmanuel Schmitt ist die Geschichte eines zehnjährigen Buben, der sterbenskrank ist.

 Oscar weiß das nur zu gut, doch seine Eltern wollen nicht darüber sprechen, was ihn immer wütender macht. Da taucht im Krankenhaus seine lebensfrohe Oma Rosa auf, die ehemalige Catcherin, die sich mit ihm im Schimpfen misst. Oscar erlebt nun in kürzester Zeit – unerschrocken und lustvoll – alle Höhen und Tiefen des menschlichen Daseins, nachdem ihm Oma Rosa ihr Geheimnis verraten hat: Er müsse jeden Tag für zehn Jahre seines Lebens nehmen. Konfrontiert mit erster Liebe, Eifersucht, Midlife-Crisis, gewinnt Oscar an Erfahrung, die nur das Alter bringen kann. Nach „hundertzehn Jahren“ eines intensiven Lebens begreift er, dass das Sterben wie selbstverständlich zum Leben gehört.

 Die Inszenierung von Clemens Bechtel, der auch das Libretto der Oper schrieb, deren Handlung elf Tage umfasst, geriet sehr einfühlsam und schuf eine dichte Atmosphäre, in die das Publikum, das sich aus allen Altersgruppen zusammensetzte, fast andächtig eintauchte. Man hätte eine Stecknadel fallen hören, so still war es im Theater. Viele Szenen waren auch mit Humor gewürzt, wie beispielsweise die Szene mit dem Kinderchor oder die rasante Autofahrt von Oma Rosa, die mit witzigen Comic-Zeichnungen auf der Rückwand der Bühne illustriert wurde (Video: Thilo Nass). Gelungen auch der Gag, die Erwachsenen auf Stelzen gehen zu lassen, wodurch die Welt der Kinder noch winziger schien. Die Ausstattung der Bühne, deren wichtigstes und oft einziges Requisit ein überdimensionales Spitalsbett war, besorgte Olga Motta.

 Berührend die zarte, bubenhaft wirkende irische Mezzosopranistin Sharon Carty als Oscar, die in jeder Szene überzeugend wirkte und stimmlich die höchsten Töne bewundernswert sicher bewältigte! Ihr ebenbürtig der katalanische Countertenor Xavier Sabata als Oma Rosa. Erstaunlich, wie er jeden Ton einer älteren Frau traf und bei aller Komik seiner Rolle nie in billigen Klamauk verfiel. Man musste den Hut vor ihm ziehen.

 Überzeugend auch die blutjunge Sopranistin Carina Schmieger in der Rolle der Peggy Blue, die nach einer gut verlaufenen Operation Oscars Freundin wird. Eine Sängerin mit großer Zukunftsperspektive! Der amerikanische Bariton Neal Schwantes spielte den Arzt Dr. Düsseldorf ein wenig zu dämonisch und wirkte auf Stelzen beinahe furchterregend. Wie auch Oscars Eltern, die von der Sopranistin Sigrun Schell und vom Bariton Wolfgang Newerla eindrucksvoll dargestellt wurden.

 Aus dem großen Ensemble des Theaters seien noch die chinesische Mezzosopranistin Qiu Ying Du als Putzfrau und Prince Fischer als Klinikclown auf Riesenstelzen genannt, die auf subtil-komische Art für Humor sorgten.  Quirlig und temporeich fegte der Kinderchor über die Bühne (Leitung: Thomas Schmieger), stimmkräftig agierte der Opernchor des Theaters Freiburg (Leitung: Bernhard Moncado).

 Fabrice Bollon, geboren 1965 in Paris, der in seiner Geburtsstadt und danach am Mozarteum in Salzburg studierte, machte sich international als Dirigent einen Namen. Seit 2008 ist er Generalmusikdirektor der Stadt Freiburg, „Oscar und die Dame in Rosa“ ist seine erste Opernkomposition, die er selbst als „Familienoper“ beschreibt. Zur Musik ein Zitat des Komponisten aus einem im Programmheft unter dem Titel „Eine Parabel über das pralle Leben“ abgedruckten Gespräch: „Es gibt viele verschiedene Formen der Sprache in der Musik, die man dort einsetzen soll, wo man sie braucht. Das haben früher Komponisten wie Mozart, Brahms etc. nicht anders gehandhabt. Anstatt die Sprache auf ein paar wenige Formeln zu reduzieren, wie es in den letzten 50 Jahren immer wieder als Dogma propagiert wurde, muss man sich für alle Richtungen öffnen, den Reichtum unserer musikalischen Umwelt einsaugen, sich davon ernähren und alles neu formen. Es ist meine tiefe Überzeugung als Komponist, dass sich die »klassische« Musik nicht abschotten darf, dass sie keinerlei Berührungsängste haben darf.  Es geht um die Fähigkeit, die Umwelt zu referieren und zu transformieren. Ob in der Popmusik, im Jazz oder in der sogenannten Avantgarde – man findet überall Ansätze, die für das eigene Komponieren fruchtbar sein können.“

 Diese Ansätze fand Fabrice Bollon in reichlichem Maße. Er spickte seine Partitur mit vielen Zitaten, illustrierte die Handlung musikalisch mit teilweise lyrisch-zarten bis zu expressiv- lautmalerischen Tönen. Unter seiner gefühlvollen Leitung spielte das Philharmonische Orchester Freiburg die Partitur seines Erstlingswerks auffallend nuanciert.

 Das ergriffen lauschende Publikum belohnte am Schluss alle Mitwirkenden mit nicht enden wollendem Applaus, wobei die beiden Hauptdarsteller Sharon Carty und Xavier Sabata besonders bejubelt wurden. Starken Beifall gab es auch für den Komponisten und Dirigenten Fabrice Bollon.

 Udo Pacolt

 

 

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