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FREIBURG: CARMEN. Ladies Night

30.11.2014 | Oper

Theater Freiburg: Bizet: „Carmen“, Pr. 29.11. 2014 – Ladies Night

Unbenannt
Katerina Hebelková, Roberto Gionfriddo, Maria Pires, Daniel Morales Pérez (v.l.) Foto: Maurice Korbel

 Endlich war der Umbau des grossen Hauses fertig und das Ensemble vom Gelände der Brauerei Ganter wieder nach Hause umgezogen. Das musste gebührend gefeiert werden, und dafür eignet sich Carmen doch ganz fabelhaft.

 Die englische Regisseurin Rosamund Gilmore inszeniert die Oper als Schicksalsstrudel, in den die Protagonisten gezogen werden. Alles dreht sich, allen voran Carmen und José umeinander und ihrem Schicksal entgegen, und als sichtbarstes Symbol der Schicksalhaftigkeit dieses Todestanzes die beiden Flamencotänzer (Maria Pires, Daniel Morales Pérez), die mit ihren Masken etwas an die Unabwendbarkeit des Schicksals im Sinne griechischer Tragödien mahnen. Die „Schicksalsschatten“ der Hauptfiguren machen zwar ihre Sache ausgezeichnet und werten die Intermezzi auf, in den Handlungsszenen gehen sie aber dem Zuschauer bald auf die Nerven: Ausserdem hat man als leidenschaftlicher Theaterbesucher Ähnliches schon öfter gesehen. Schlimmer ist, dass über der ausgeklügelten Choreographie der Tänzer die Personenführung der Sänger so gut wie vergessen wurde. (Dramaturgie: Heiko Voss).

 Ansonsten bleibt die Inszenierung dankenswerterweise zurückhaltend. Ausgetobt wird sich lediglich bei den Kostümen (Ausstattung: Nicola Reichert) und da heisst die Devise wohl 80er-Party (Übersetzung: Bunt und hässlich). Von Carmens Transparentrock-über-Leggins-zu-Ballerinas-Fiasko in schlimmster Madonna-Manier bis zu Escamillos lila Diskoanzug wird hier danebengegriffen, was geht. Eine so billige Absteige wird man in ganz Spanien nicht finden. Bleibt zu vermuten, dass der Umbau so teuer war, dass kein Geld mehr für die Kostüme übrig blieb.

 Zum Glück ist Carmen bühnentechnisch zumindest nur schwer totzukriegen, da die Musik zumeist alles wieder aufwiegt. Da kommt mir immer der Ratschlag meiner Urgrossmutter an meine Grossmutter in deren Hochzeitsnacht in den Sinn: „Augen zu und denk an was Hübscheres.“

 Leider nützt das diesmal bei Roberto Gionfriddo alias Don José auch nichts: Ohne Höhen und Tiefen, und in der mittleren Tonlage so schwachbrüstig, dass Fabrice Bollon alle Mühe hatte, die Instrumente so zurückzuhalten, dass diese bei „La fleur-…“ nicht alles übertönen, quält sich Gionfriddo durch den Abend. In die Reihe der männlichen Enttäuschungen reiht sich auch nahtlos Juan Orozco als Escamillo ein: Sonst eine sicher Bank im Ensemble, singt Orozco den feurigen Torero gelangweilt, schnoddrig in der Sprache und lethargisch im Ausdruck, etwa wie Elvis in seinen letzten Konzerten (liegt vielleicht am Outfit). Dass der glänzende Alejandro Lárraga Schleske mit seiner kleinen Rolle als Morales einzig die Ehre der Männer retten muss, ist schon arg.

 Nein, der Abend gehörte eindeutig den Damen: Allen voran Katerina Hebelková als Carmen, die mit einer umwerfenden Bühnenpräsenz, herausragendem Schauspiel und ausdrucksstarkem melodiöser und wirklich sexy Stimme die Carmen absolut überzeugend darstellt. Die Verführungsszenen sind musikalisch und darstellerisch so intensiv, dass sich da wohl jeder Mann im Publikum in den Abgrund gestürzt hätte.

 Entdeckung des Abends war aber Kim-Lillian Strebel als Michaela. Die TheaterFreunde-Stipendiatin hatte zwar ein Heimspiel, ihre wunderschöne, klare und volle Stimme war aber auch für unvoreingenommene Ohren ein Genuss. Wenn die wenigen Unsicherheiten in den Höhen noch bereinigt werden, wächst hier ein Star heran. Carina Schmieger als Frasquita und Susana Schnell als Mercedes erzielen ebenfalls Achtungserfolge.

 Fabrice Bollon hat alle Hände voll zu tun und ist mehrheitlich damit beschäftigt, das Orchester zurückzuhalten, was manchmal in einer gewissen Trägheit zur Folge hat. Mit seiner grossen Erfahrung bereinigt er aber manchen Schnitzer der Sänger. Dank auch für die altmodische Rezitativfassung, die – auch wenn nicht ganz original – doch die bessere ist.

 Wie immer verlassen kann man sich auf den ausgezeichneten Chor (Leitung: Bernhard Moncado), der diesmal vom Kinder- und Jugendchor (Leitung: Thomas Schmieger) lautstark und melodiös unterstützt wird. Vielleicht wachsen da ja ein paar Männerstimmen heran?

Alice Matheson

 

 

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