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FREIBERG/ Mittelsächsisches Theater: GRÄFIN MARIZA

23.12.2013 | Allgemein, KRITIKEN, Oper

Freiberg: „GRÄFIN MARIZA“ – 22. 12.2013

 Für seine neuerliche Auseinandersetzung mit Kálmáns „Mariza“ bemühte Manfred Straube eine Konzeption, die er vor rund 40 Jahren als Regieanfänger gemeinsam mit dem Dramaturgen Heiner Maaß für das Volkstheater Halberstadt erarbeitet hatte. In nunmehr modifizierter Form geht es ihm darum, „klischeehafte Verhaltensmuster zum Gegenstand der Darstellung zu machen“ und „auch in diesem Genre die Lust (des Publikums) am kritischen Denkvermögen zu schulen.“ Aus diesem Grunde spielt sich das Geschehen nun in der Mitte der „Goldenen Zwanziger“ ab, Hitlers Gier nach  den für seinen Aufstieg zur Macht erforderlichen Millionen gerät dabei eher etwas verschämt ins Bild (da muss man schon genau hinschauen) und findet ansonsten konzeptionell keinen Niederschlag. Um die im Programmheft  vertretene These „Das Dasein unserer Helden hängt nur noch vom Blicke ihrer geliebten Wesen ab“ zu vertiefen, kommentiert eine Stimme aus dem Off entsprechende Dreh- und Angelpunkte der Handlung. Dies und zwei werkfremde, zur Verdeutlichung des Zeitkolorits herangezogene „Einlagen“ für das „Tabarin“ haben eine Aufführungsdauer von reichlich drei Stunden zur Folge, die von den das Haus  fast bis auf den letzten Platz füllenden Zuschauern freundlich akzeptiert wurde. Immerhin bedienten Straube und sein Ausstatter Peter Sommerer  Erwartungshaltungen, gelangten nach einem etwas breit und beliebig angelegten 1. Akt zu einem gesteigerten Tempo und boten insgesamt eine Aufführung, deren zeitbezogene Einsprengsel das Publikum keineswegs verschreckten.

Raoul Grüneis, neuer musikalischer Chef des Hauses, nahm sich höchstpersönlich des ohrwurmträchtigen Werkes an und musizierte mit der Mittelsächsischen Philharmonie einen Kálmán, der es in sich hatte, mit einer guten Prise Paprika gewürzt wurde und das Sentiment so mancher Nummer (mitunter zu) genüsslich auskostete. Geringfügige Unsicherheiten zwischen Graben und Bühne tolerierte man da gern. Die von Tobias Horschke vorbereiteten Chöre passten sich diesem positiven  Gesamteindruck weitgehend an, wenngleich einige Passagen klanglich noch  ausbalanciert werden sollten.

In der Titelpartie brillierte einmal mehr Lilia Milek als mittlerweile im jugendlichen Fach beheimatete Diva von Format, deren dunkel getönte Mittellage jenes erotische Flair ausstrahlte, dem nicht nur ein abgehalfterter Adliger verfallen dürfte. Allerdings wäre ihr zu raten, in der Höhe mit weniger Nachdruck zu agieren. Wir wissen doch, dass sie mühelos über die geforderten Töne verfügt. Gegenüber einer solchen Vollblutkünstlerin nahm sich die als Gast eingesprungene, zudem von Kostüm und Maske stiefmütterlich behandelte Madelaine Vogt (Lisa) denn doch einigermaßen bescheiden aus. Mit ansprechendem, noch ausgeglichener einzusetzendem Material ließ Barbora Fritscher (Manja) aufhorchen. War ihr beduinenhaftes Outfit als Anspielung auf den Namen von Anita Berber, einer Ikone des Berliner Nachtlebens der von Straube anvisierten Zeit, zu verstehen?

Ein junger Mann, den man einfach liebhaben muss, der keinen körperlichen Einsatz scheut, bei dem alle Schwiegermütter dahinschmelzen dürften und der auch ordentlich singt – das alles ist Christoph Schröter, nur eines ist er (noch) nicht – ein Graf Tassilo. Hierzu gebricht es ihm an der erforderlichen Reife, am Charme des gewieften Operettentenors, der mit der Stimme zu spielen versteht und  verführerische Pianodelikatessen zu seinem ureigenen vokalen Waffenarsenal zählt. Seinem in den unterschiedlichsten Genres eingesetzten Tenorkollegen Jens Winkelmann dürfte der Zsupan gleichfalls kaum auf Leib und Stimme geschrieben sein. Immerhin zog er sich mit Anstand aus der Affäre. Als Populescu vermied Sergio Raonic Lukovic billige Routine, präsentierte sich vielmehr als ernstzunehmender Lebemann mit intriganten Abgründen. Die Erzkomödianten Rita Zaworka, vormals selbst eine begeisternde Mariza, und Jürgen Petereit (Bozena und Penizek) spielten einander derart die Bälle zu, dass es eine helle Freude war. Der im Hintergrund agierende Herr Hitler dürfte den Handlungsträgern des Stückes erwartungsgemäß eine solche gründlich verderben.

Joachim Weise

 

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