Frankfurt: „HR S.O.-PAAVO JÄRVI“ 13.12.2013
Sehr konträr in der Programmgestaltung präsentierte der Chefdirigent Paavo Järvi mit seinem HR Sinfonie Orchester die Abläufe des gestrigen Konzerts in der Alten Oper und dennoch stammen alle Werke aus der Schaffensperiode zu Beginn des 20. Jahrhunderts.
Zu Beginn erklang, passend zur vorweihnachtlichen Adventszeit die „Tuttifäntchen-Suite“ (Paul Hindemith), jenem kurzweiligen Werk um die seelenlose, holzgeschnitzte Puppe. Süffisant, leicht parodiert, transparent erklang die musikalische Miniatur-Episode.
Sergej Prokofjew tat sich mit seinem „Cellokonzert Nr.1“ sehr schwer, nannte es selbst sein Schmerzenskind und die UA im Jahre 1938 endete im Fiasko und wurde mehrmals überarbeitet. Dieses Werk von radikaler Expressivität wird heute von unseren Ohren als genial wahr genommen. Als Solist wurde der britische Cellist Steven Isserlis gewonnen und dieser vortreffliche Interpret adelte dieses ungewöhnliche Füllhorn ungeahnter Klangfarben, mit dem ganzen Arsenal seiner immensen Spieltechnik. Draufgängerisch, unbarmherzig wirft sich Isserlis in dieses Tonchaos, verdichtet in schöpferischem Potenzial die technischen Raffinessen der vertrackten Melodik, deklariert Klangschönheit fast zur Nebensache und lässt im eifrigen Engagement die graue Lockenmähne flattern. Geradezu vehement durchleuchtet Järvi die begleitende, orchestrale Tonalität, in ungeahnt präziser Opulenz folgt das bestens disponierte Orchester und wird zu Recht im Jubel um den Solisten gefeiert. Steven Isserlis bedankte sich mit einem kurzen Kindermarsch (Prokofjew) und warf seinen Blumenstrauß einem Mädchen in der ersten Parkettreihe zu.
Zwei Spätwerke des großen, finnischen Komponisten Jean Sibelius bildeten den Abschluß dieses ungewöhnlichen Konzertabends. Ohne Pause verband Paavo Järvi die „Sechste“ und „Siebte“ zu einer symphonischen Einheit, in harmonischer Orchestersprache verflocht der finnische Dirigent in kantabler Linienführung beide Werke zum thematischen Gesamtbild.
Akribisch, feinnervig kontrastiert dieser Magier der Stabführung mit stets klarem Blick und wenig Gestus die rhythmische Gestaltung dieser wunderbaren Kompositionen. Trefflich motivieren die Streicher die weitausschwingende Melodie den Beginn dieser an sich ruhigen 6. Symphonie, geheimnisvoll thematisch schlicht offenbart sich das Allegretto moderato, der Schnee scheint zu schmelzen im Licht des nordischen Frühlings. Im energischen Vorwärtsdrängen erheben sich die präzisen Bläsersegmente in dennoch gedämpfter Fusion, das Allegro molto entfaltet Järvi in teilweise stürmischer Intensität und lässt das Werk schließlich in einprägsamer Streichermelodie ausklingen. Für seine siebte, letzte Symphonie wählte der nordische geniale Tonsetzer eine Satzbezeichnung, dennoch lassen sich vier voneinander abgrenzende Satzcharaktere erkennen, welche sich jedoch zum umfassenden Hauptkern fügen. Verbildlicht das Adagio dem sensuellen Auge noch die weite, verschneite Landschaft des hohen Nordens, spiegeln bereits die Folgethemen die depressiven Seelenzustände des Komponisten wider und schenken wiederum auch jene hoffnungsvolle
Ambivalenz des meisterlichen Tonsetzers. Versöhnlich mit melancholischen Takten aus Valse triste klingt das vom Orchester so prächtig gespielte Werk aus. Nach einem Moment der Stille, gab es für die Begeisterung des Publikums kein Halten mehr.
Gerhard Hoffmann