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FRANKFURT: TRISTAN UND ISOLDE. Wiederaufnahme

22.04.2014 | KRITIKEN, Oper

Frankfurt: „TRISTAN UND ISOLDE“ 21.04. 2014

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Claudia Mahnke, Jennifer Wilson, Lance Ryan. Foto: Wolfgang Runkel

 „Weh, ach wehe! Dies zu dulden“ – lediglich der interessanten, vielversprechenden Sänger wegen, ließ ich letztmals Christoph Nels irreale Inszenierung von „Tristan und Isolde“ (Richard Wagner) über mich ergehen, schloss bar der skurrilen Optik teils die Augen und ließ mich von den meditativen Gefühlswelten, von der melodischen Magie Wagners Musik  bezaubern.

 Hatte ich Jennifer Wilson als Brünnhilde in Berlin noch in allerbester Erinnerung, beflügelte diese ungewöhnliche Interpretin meine Erwartungen auf das Höchste und diese wurden nicht nur erfüllt, sondern noch weit übertroffen. Jennifer Wilson gab nun an der Oper Frankfurt ihr Debüt und glänzte als fulminante  Isolde. Ihren Monolog im ersten Aufzug sang sie mit großem Detailreichtum und spielte zudem im Pianissimo die lyrischen Qualitäten ihres herrlich timbrierten Soprans aus. In ungewöhnlicher Schönheit und tief empfundener Emotion erklang die Passage Ich sah ihm in die Augen. Ohne Fehl und Tadel, ohne jeglichen  störenden Scharfton gerieten die dynamischen Ausbrüche, welche traumwandlerische Durchschlagskraft, welches übermächtiges in jeder Phase, atemberaubendes Volumen, welch herrlich schwebende Töne im Liebesduett, fanden sich hier im überwältigenden Vokalfocus. Welch herrliche leuchtende Bögen setzte die Sängerin zudem im finalen Liebestod, derart strömende, weiche Höhenflüge berührten ungemein – zum Sterben schön.

Erlag ich nach meiner letztlich gehörten Isolde dem Wahn, es gäbe keine Steigerung mehr, gelangte ich heute zur Einsicht „oh, wie du dich trügst“. Nun freue ich mich auf die Färberin dieser grandiosen Sängerin in Leipzig.

 Ach hätte von diesen vokalen Vorzügen Lance Ryan doch nur einen Bruchteil. Aber ihm scheint  der Eintrag ins Guinnessbuch der Rekorde gewiss, denn er übertrifft keinen gegenwärtigen Tristan an Lautstärke, eiskalten Metallschärfen. Bewundernswert natürlich wie der kanadische Tenor in ungetrübter Stahlkraft, ohne jegliche Ermüdung die Partie absolviert, doch schön kann man diese eindimensionale Interpretation nicht nennen. Seinem Tristan fehlen jegliche warmen, differenziert bewegenden Töne, kurzum die Emotionen.

Stimmen sind ja nun eine persönliche Geschmacksfrage und Claudia Mahnke ist nun leider meine Sache nicht. Ihr heller Mezzosopran tendiert immer mehr in höhere Lagen, ihr mächtiges, herbes Timbre schmeichelt in keiner Weise meinem Ohr. Gewiss muss man der sehr engagierten Sängerin eine starke Persönlichkeit bescheinigen, zur Gestaltung ihrer ausdrucksstarken Brangäne.  Beste Diktion verlieh Simon Neal dem treuen Kurwenal, schenkte seinem bestens fundierten Bariton satte Tiefen, expansive, warme, markante Farben.

In differenzierter Artikulation, eindringlich ohne jegliche Larmoyanz, dicht,  intensiv mit wohltimbriertem Bass, exponierten und dennoch klangvollen Tönen brillierte Andreas Bauer als ausgezeichneter König Marke. Vokal bestens disponiert absolvierten Dietrich Volle (Melot), Michael McCown (Hirt), Simon Bode Seemann), Iurii Samoilov (Steuermann) ihre kleinen Rollen, starke Akzente setzte zudem der präsente Herrenchor.

 Überrascht hat mich allerdings Stefan Blunier am Pult des prächtig musizierenden Frankfurter Opern- und Museumsorchesters bereits nach dem spannungsreichen, differenzierten, sich in den Klangfluten steigernden Vorspiel. Blunier animierte das aufmerksam spielende Orchester zu wesentlich schnelleren Tempi, erreichte in konzentriert frischer Partituranalyse einen entschlackten Gesamtklang,  eine schlanke Dynamik sowie eine farbenreiche Transparenz. Gewiss vernahm man mehr als früher, Bluniers aufstampfende Temperamentsausbrüche – doch solange der Dirigent in dieser kultiviert, beflügelnden Expansion musiziert, lassen wir ihm weiterhin seine Marotten.         

Gerhard Hoffmann

 

 

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