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FRANKFURT: TILIMBOM von Igor Strawinsky

02.06.2012 | KRITIKEN, Oper

Frankfurt: TILIMBOM von Strawinsky  am  1.6.2012

„Tilimbom oder Mit offenen Augen hören“ nennt die Regisseurin und Choreographin Andrea Schwalbach ihren Strawinsky-Abend, den sie jetzt im Bockenheimer Depot der Frankfurter Oper gestaltete. Dabei stellte sie mehrere Stücke des Komponisten zu einem ‚Theater der Groteske‘ zusammen. Die verbindende Figur der Hauptstücke Mavra und Petrushka stellt der sog. Mohr dar, der hier als Hellhäutiger aber nur mit ein paar Dunkelstrichen im Gesicht gezeichnet ist, um sich so eine vielleicht lästigen Diskussion über ‚Schwarzgeschminkte“, die ja in den letzten Feuilletons heftig geführt wurde, vom Hals zu halten. Der ‚Mohr‘ also aus Petrushka, wo er den aggressiven Rivalen des introvertierten, körperlich missgestalteten Petrushka auf dem Jahrmarkt spielt, ist als Husar Basil und Mavra dieselbe Person in Strawinskys Opera bouffe ‚Mavra‘. Nachdem der ‚Mohr‘ zuerst Petruska getötet hat, bringt er als Basil zusammen mit Parasha eine der 4 ‚Babushkis‘ um, um sich deren Frauenkleider zu sichern, die er als Köchin bei Parashas Mutter benötigt.
Schließlich tötet ihn bei Schwalbach die wieder auferstandene ‚Puppe‘ Petrushka. Das ist für die Regisseurin das angemessen groteske Theater, für das
sie sich bei Strawinsky reichlich Inspiration holen kann.

Die Bühnen- und Kostümbildnerin Nora Johanna Gromer stellt ihr dafür ein phantastisch leicht surreal anmutendes (Zirkus)Ambiente zur Verfügung. Die 4 Babushkis, davon zwei Riesenmänner (Statisterie), sind in Berge von Kleidern samt Kopf- und Gesichtsschleier eingemummt und bewegen sich köstlich.Es gibt noch oben das Häuschen von Parasha, die Kiste/Truhe für Petrushka, daneben hockt zuerst der ‚Mohr‘ mit Säbel, Pistole, wahlweise Gewehr. Die Bühne ist mit Pappmaché ausgelgt. Links daneben sitzen die Musiker, die als ‚Violine‘ sich auch in die Szene herüber bewegen.

Gespielt wird ‚Mavra‘ in der Version für Kammerensemble von W.Radeke 2002. Den Klavierpart übernehmen In Sun Suh und Karsten Januschke. Die burlesken Szenen ‚Petrushka‘ spielen sie zusammen vierhändig. Dazu werden noch die Pastorale für Stimme und Klavier (1921) und Tilimbom Nr.1 für mittlere Stimme und Klavier 1917 gespielt.  Die musikalische Leitung hat Karsten Januschke mit gutem Gespür für Minimalistik und neue Sachlichkeit dieser Musiken.

Die Mezzosopranistin Sharon Carty singt einfühlsam im Lied ‚Tilimbom‘, sowie die schwatzhafte Rolle der Nachbarin in Mavra. Anna Ryberg leiht ihren hellleuchtenden Sopran der Parasha, einem typisch russischen Landmädchen. In Petrushka gibt Albi Gika die Titelrolle mit unglaublicher tänzerischer Virtuosität und introvertiert leidensaffinem Spiel. Als Ballerina überzeugt tänzerisch Katrin Schyns. Der tölpelhaft aggressive ‚Mohr‘ ist Joseph Mitterrutzner, der in Petruska zum höhenagressiven, stark-timbrierten Tenor mutiert. Den anderen, warmen Mezzo stellt Merjä Mäkelä als Mutter Parashas.

Friedeon Rosén

 

 

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