Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

FRANKFURT: "SIRENEN – BILDER DES BEGEHRENS UND DES VERNICHTENS" von Rolf Riehm

04.10.2014 | Allgemein, KRITIKEN, Oper

Uraufführung an der Oper Frankfurt: „Sirenen – Bilder des Begehrens und des Vernichtens“ von Rolf Riehm (Vorstellung: 4. 10. 2014)

 Unbenannt
Die Mezzosopranistin Tanja Ariane Baumgartner war eine überzeugende Kirke (Foto: Wolfgang Runkel)

 An der Oper Frankfurt, die seit Jahren auch mit Uraufführungen oder selten gespielten Opern das Publikum beglückt, wurde kürzlich die Oper „Sirenen – Bilder des Begehrens und des Vernichtens“ von Rolf Riehm uraufgeführt. Das Libretto des Auftragswerks der Oper Frankfurt stammt vom Komponisten nach der Odyssee von Homer sowie nach Karoline von Günderode und nach Isabella Eberhardt.

Die Handlung der Oper in drei Teilen und acht Szenen in Kurzfassung: Die verlassene Kirke betrauert den Verlust ihrer Liebe und ersinnt einen verzweifelten Plan: Wenn Odysseus nicht zu ihr zurückkehre, wolle sie dem sterblichen Geliebten im Jenseits, im „Land, wo die Lebenden zu den Toten reden“, wiederbegegnen. Sie zieht Telegonos groß und schickt ihn als jungen Mann mit dem Speer seines Vaters, den dieser auf Aiaia zurückgelassen hatte, in die Welt hinaus. Telegonos verwundet auf der Insel Ithaka seinen Vater tödlich, ohne ihn zu erkennen. Danach begleitet er Odysseus auf seiner Reise in den Tod. Doch Odysseus will nicht sterben, bevor er nicht die allumfassende Weisheit der Sirenen gehört hat. Er kehrt in Gedanken zu den Felsen der Sirenen zurück, kommt jedoch seinem Ziel nicht näher. – Er stemmt sich gegen den Tod und wehrt sich gegen die Schatten aus der Unterwelt. Er sendet seine Seele zu den Sirenen, um am Ende nichts anderes zu erfahren, als dass sein eigener Tod die einzige Wahrheit ist, von der man ihm hätte erzählen können. – Nach dem Tod des Körpers betritt Odysseus das „Land, wo die Lebenden zu den Toten reden“. Kirke erwartet ihn dort in Vorfreude auf das lang ersehnte Wiedersehen. Odysseus aber ist immer noch auf der Suche nach einer Wahrheit, die er dem verhallenden Klang der Sirenen entreißen will. Jene Frau, die dort wartet, bedeutet ihm nichts.

 Der 1937 geborene Rolf Riehm beschäftigte sich seit den 90er Jahren intensiv mit dem Thema Odysseus und die Sirenen, schrieb mehrere Orchesterstücke und 1994 die Oper Das Schweigen der Sirenen, ehe er nun seine zweite Oper zu diesem Stoff komponierte. Dazu ein Zitat des Komponisten aus dem illustrativ gut gestalteten Programmheft: „Diese Oper, die ich gemacht habe, soll das Beste sein, wozu ich fähig bin. Sie soll so spannend und heterogen sein, wie heutzutage nötig. Aber darüber hinaus: Sie soll auch das Haus füllen und nicht etwas Spezielles für Experten sein.“

 Unter der Leitung des britischen Dirigenten Martyn Brabbins brachte das exzellente Frankfurter Opern- und Museumsorchester die expressive Partitur des Komponisten mit allen Feinheiten zum Erklingen, wobei beispielsweise die Erzählung des Odysseus, die von einer Pauke und einer singenden Säge begleitet wird, eine beeindruckende Wirkung erzeugte.

 Regisseur Tobias Heyder schuf eine Inszenierung mit Filmprojektionen (Video: Christina Becker), deren Sinn sich dem Publikum allerdings oftmals kaum erschloss und die man als entbehrlich bezeichnen könnte. Auffallend die ausgefeilte Personenführung, die alle Akteure fast stets in Bewegung hielt. Für das Bühnenbild, das mit wenigen Requisiten auskam und dessen Mittelpunkt eine hohe, schlanke Treppe für die Sirenen war, zeichnete Tilo Steffens verantwortlich, die Kostüme, die fast nur in Schwarz und Weiß gehalten waren, entwarf Verena Polkowski.

 In der Rolle der Kirke bot die Mezzosopranistin Tanja Ariane Baumgartner, die sich in den letzten Jahren zum weiblichen Star der Oper Frankfurt entwickelte, sowohl stimmlich wie auch darstellerisch eine exzellente Leistung. Man bekam das Gefühl, dass der Komponist die Partie der Kirke ihr auf den Leib geschrieben habe.

 Die Rolle des Odysseus war zweigeteilt, wobei der Schauspieler Michael Mendl seine starke Bühnenpräsenz in die Waagschale warf, während der amerikanische Countertenor Lawrence Zazzo mit seiner höhensicheren Stimme punktete. Kirkes Sohn wurde vom Schauspieler Dominic Betz dargestellt, der seine Rolle mit größtmöglichem Einsatz spielte.

 Die acht Sirenen, deren Stimmen des Öfteren aus allen Ecken und Winkeln des Opernhauses auf das Publikum prasselten, waren Sarah Maria Sun, Annette Schönmüller, Frauke Burg, Britta Stallmeister, Barbara Zechmeister, Nina Tarandek, Maria Pantiukhova und Jessica Strong. Ihr Sirenengesang – oft in schrillsten Tönen – war von unglaublicher Intensität und verführerischer Wirksamkeit, wie es nicht besser sein konnte.  Ergänzt wurden sie von Antje Mertens, die ihr artistisches Können an einem mehrere Meter langen Tuch unter Beweis stellte.

 Das Publikum belohnte alle Mitwirkenden mit nicht enden wollendem Applaus, unter den sich auch einige Bravorufe mischten.

 

Udo Pacolt

 

Diese Seite drucken