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FRANKFURT/ Opernhaus: „NUR WER DIE SEHNSUCHT KENNT“  Inszenierte Lieder 

27.03.2021 | Oper international

Frankfurt / Oper: „NUR WER DIE SEHNSUCHT KENNT“

 Inszenierte Lieder  26.03.221

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Mariusz Kłubczuk (Klavier), Mikołai Trąbka (Bariton), Andrea Carè (Tenor), Olesya Golovneva (Sopran), Kelsey Lauritano (Mezzosopran) und Vladislav Sulimsky (Bariton). Foto: Monika Rittershaus

Mangels freiem normalem Kulturbetrieb während der Pandemie hatte sich die Oper Frankfurt erneut ein interessantes Event ausgedacht, zum Titel eines Liedes von Peter Tschaikowsky „Nur wer die Sehnsucht kennt“ setzte Christof Loy ein Viertel aus dem Lied- Schaffen des russischen Meister-Komponisten in Szene nachdem die ursprünglich für Januar 2021 geplante Produktion „Fedora“ von Umberto Giordano den inzwischen nicht mehr nachvollziehbaren Kultur-Schließungen zum Opfer fiel.

Den unerfüllbaren Wunsch nach menschlicher Begegnung reflektierte nun Christof Loy in ein Spiel um Rausch, Resignation, Vergessen seiner im Mittelpunkt stehenden Hauptfigur eines Mannes und lässt dessen Liebesbeziehungen in diversen Situationen Revue passieren. Wir begegnen ineinander verwobenen zwei männlichen sowie zwei weiblichen Figuren welche sich auf ambivalente Weise im Affekt der Emotionen der Hauptperson widerspiegeln, dabei entstanden humane Relationen von großer Dramatik und Dynamik. Wie ein roter Faden zog sich die unglückliche Biographie des Komponisten durch seine Romanzen, Balladen etc. die emotionalen Zustände verdichtet in lyrischen Monologen die Qualen der Liebe ausdrückend, verstand es der Regisseur sensibel jene Gefühlswelten auf die vortrefflich darstellenden Künstler zu transponieren. Immer wieder wurden diese menschlichen Figuren  mit ihrer eigenen schmerzhaften Verschlossenheit konfrontiert, die Sänger verstanden es zudem großartig musikalisch  Unsagbares des genialen und unglücklichen Komponisten auszudrücken. Choreographische (Andreas Heise) Passagen ließen die Personen im wortlosen Dialog oder zum Gesang der Nachtigall schweigend verstummen. Langsam verdunkelte sich die Szenerie (Olaf Winter), zu Kerzenschein erklangen die beiden letzten Lieder Schon erloschen die Lichter und in schierer Dunkelheit resigniert Wieder wie einstmals allein mit dem bedeutungsvollen Schluck Wasser auf Tschaikowskys Cholera-Infektion intendierend sang Sulimsky die Final-Strophe.

Liedgesang galt schon immer als hohe Kunst das Nonplusultra bravouröser Interpretationen der menschlichen Stimme. In meinem geistigen Auge sah ich die Künstler des Abends auf leerer Bühne, dennoch ließ ich mich vom Geschehen dieser zweifellos ungewöhnlichen Inszenierung in Wohnraum-Atmosphäre (Herbert Murauer) faszinieren und lauschte dem holden Gesang im russischen Original, versehen mit deutschen Untertiteln.

Nach Bekunden des Regisseurs war es ihm unmöglich die geplante Fedora-Inszenierung mit Corona-Abstandsregeln auf die Bühne zu bringen, agierten die Sänger dennoch zu beeindruckend- intimer Nähe.

Herausragend allen Sängern voran  überzeugte Vladislav Sulimsky mit wohltimbriertem dunklem Baritonvolumen und formte seine glaubwürdig interpretierten Texte ganz im Sinne der slawischen Gesangstraditionen. In psychologischer Durchleuchtung mit herzhaftem Zugriff,  effektvollen Tongebungen erklangen weich strömende Tiefen und prächtig harmonisch leidenschaftliche Höhenformationen. Lyrischer grundiert, heller im Timbre, weich fließend verstand es der junge Bariton Mikolai Trabka seinen Preziosen seelenvollen Ausdruck zu schenken.

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Vladislav Sulimsky (Bariton) und Mariusz Kłubczuk (Klavier) sowie Olesya Golovneva (Sopran; am Boden liegend). Foto: Monika Rittershaus

Die Fähigkeit, Töne und Inhalt der Textur ideal zu kombinieren gelangen Olesya Golovneva bestens, ohne Zweifel besitzt die Sopranistin einen interessant farbigen Sopran welchen sie beherzt einzusetzen vermag, jedoch konnte sie gelegentliche Schärfen in den oberen Regionen kaum unterdrücken. Ausdrucksstark, sehr beweglich, warm getönt, in beachtlicher Klangfülle präsentierte dagegen Kelsey Lauritano ihren vollen runden wohltimbrierten Mezzosopran.

Mit viel Engagement, vokaler Präsenz, markant kernig, strahlend im Höhenflug bot Andrea Caré  mitreißend-tenoralen Schöngesang.

Eindrucksvoll, betont nachdrücklich, in wirbelnder Rhythmik, prächtig im Anschlag akzentuiert, voll dynamischer Klangfarben gaben die beiden Pianisten Mariusz Klubczuk sowie Nikolai Petersen den Tschaikowsky-Partituren  höchst differenziertes Spiel zu gestalterischen  Klangbögen. Ob nun in vortrefflicher subtiler Sänger-Begleitung oder dem Solo Souvenir de Florence beeindruckten die Künstler homogen und kontrastreich.

Impressionistisch erklang als Intermezzo vom Band das Allegro Vivace aus „Dornröschen“ intoniert vom  Streichsextett (Mitglieder des FOMO).

Diese digitale Premiere wurde ermöglicht in Zusammenarbeit  mit dem Kulturkanal arte, dem hr2 (Übertragung am 28.03. – 20:04h) sowie als Video demnächst bei Unitel.

Gerhard Hoffmann

 

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