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FRANKFURT: OEDIPE von Enescu. Premiere

09.12.2013 | Allgemein, KRITIKEN, Oper

Frankfurt: Oedipe/Enescu  Premiere  8.12.2013

 
Simon Neal, Katharina Magiera, Andreas Bauer. Foto: Monika Rittershaus

 Die Frankfurter Oper spielt seit neuestem die Lyrische Tragödie Oedipe, wohl die einzige Oper von George Enescu, Moldawier bzw.Rumäne, der aber viel Zeit seines Lebens außerhalb Rumäniens verbracht hat. Das Produktionsteam mit Hans Neuenfels/Regie und Alexander Liebreich/musikal.Leitung fand es sinnvoll, den 4.Akt der Oper (wohl nach ‚Ödipus auf Kolonos‘) zu streichen, da sich Ödipus hier einer Sühne im christlichem Sinne hingäbe. Wenn man bedenkt, dass sich Enescu ca. 20 Jahre seines Lebens an diesem Opernstoff, der ihn auch deswegen anzog, da er sich in der Nähe seiner Heimat zugetragen hat, arbeitete, scheint es, auch wenn man die Argumente im Programmheft berücksichtigt,  einigermaßen verwegen, durch Weglassung eines ganzen Aktes in ein Operngefüge einzugreifen, eben auch, da die Oper so selten gespielt wird. Ein weiterer Grund dafür scheint, dass Neuenfels so seine Konzeption (dazu später) leichter durchziehen konnte. Er hätte ja trotzdem die Möglichkeit gehabt, gegen die Sühne im christlichen Sinne anzuinszenieren. Das scheint ja gerade das Geniale an der Kunstform Oper, dass die verschiedenen in ihr versammelten Künste auch andere Aussagen formulieren können – und gegen den Strich inszenieren ist ja oft auch für das Publikum interessanter als affirmative (Steh)oper.

Oder um noch ein anderes kurzes Beispiel zu bringen: Wagner hat ja besonders im ‚Ring‘ in der Handlung und in Gesängen auf der Bühne ganz was andres ausgesagt, als in der Musik (im Orchester) kommentiert wird.

 Also was ist nun die Konzeption Neuenfels‘, mit der er auch seine Radikalkürzung des ‚Oedipe‘ zu legitimieren versucht? Wir sehen zu Beginn einen heutigen „Forscher“ in die bühnengroße archäologische Höhle (Bühne: Rifail Ajdarpasic) eindringen, die er mit Taschenlampe und Fernrohr inspiziert und sich Notizen macht. Es handelt sich um eine Art Riesen-Schultafel, die eng mit mathematischen Formeln und -Sätzen beschrieben ist, wobei einige Stellen wieder abgewischt wurden. In dieses Vorspiel platzt der Königshof von Theben herein, die Geburt Ödipus‘ wird sinnbidlich in einem Ei dargestellt, und Theresias verkündet, was der Neugeborene in seinem Leben anrichten wird. Unser ‚Archäologe‘ beschließt nun, genau dieses Leben als Ödipus zu leben und selber dadurch die Forschung ‚voranzutreiben‘. Die Schwierigkeit mit dem Chor, der  bei Enescu oft oratorisch eingesetzt ist und für Neuenfels die reale Handlung stören könnte, löst er, indem er einige Stellen von Solisten übernehmen läßt. Bei der Pestszene sitzt der Chor dann aber wie bei einem Unikolleg auf einer Tribüne, und Ödpus doziert davor als Wissenschaftler im Weißkittel. Mit schwarzen Faltenröcken über schwarzen Hosen (Kostüme: Elina Schnizler) agiert Chor und E-Chor sehr kompakt, wirkt in dieser Aufmachung aber wie orientalische Klageweiber.

 Die Musik der 1936 uraufgeführten Oper wirkt großteils spätromantisch,  steuert unter der Leitung von A.Liebreich die dramatischen Höhepunkte vehement an und wird vom Orchester farbenreich interpretiert. Nur an wenigen Stellen wagt sich Enescu in neuere musikalische Gefilde, so in der Sphinx-Szene, die vierteltönig und in aparter Instrumentation erklingt. Jenny Carlstedt  und Britta Stallmeister fallen in ihren kurzen Nebenrollen als Merope und Antigone mehr durch ihre extravaganten Gewänder auf. Auch der Laios des Hans-Jürgen Lazar fällt in diese Kategorie. Einen stimmgewaltigen Wächter, der auch wie der Anführer einer Punk-Statistengruppe wirkt, singt der Baß Andreas Bauer. In weiteren Nebenrollen reüssieren Vuyani Mlinde, Michael McCown und Dietrich Volle, der auf Ödipus folgende Herrscher Kreon, der nach soviel männlichen  ‚Brachialirrtümerm‘ von Neuenfels in Frauenkleidern gezeigt wird. Den Phorbas zeichnet mit eindrücklicher Geste und prononciert warmem Baßbariton Kihwan Sim. Den Tiresias gibt ganz weiß und ausgemergelt Magnus Baldvinsson mit hellem in der Höhe etwas brüchigem, aber expressiven Baß samt Adjutant in einem ‚antiken‘ Rollator. Die Sphinx der Katharina Magiera ist wieder hörens- und sehenswert in einer asymetrisch designeten Falten- Glitzerrobe. Und Tanja Ariane Baumgartner liefert mit ihrem wohltönenden Mezzo eine Jokaste ab, die sich in ihrem kleinen Schwarzen mit Kopfbedeckung schon vorher der Trauerzeremonie angepasst hat. Ödipus selbst wird von Simon Neal mit seinem vielgestaltigen gut timbrierten Bariton in jeder Lage zuverlässig gesungen.

 Friedeon Rosén

 

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