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FRANKFURT: EDGAR von Giacomo Puccini. Konzertant

18.02.2014 | KRITIKEN, Oper

OPER FRANKFURT: EDGAR von Puccini /konzertant  18.2.2014

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Angela Meade, Bryan Hymel, Tanja Ariane Baumgartner, Marco Vratogna, Kihwan Sim. Foto: Wolfgang Runkel

 An der Frankfurter Oper wurde jetzt ein wichtiges Frühwerk G.Puccinis konzertant aufgeführt: „Edgar“, nach dem Achtungserfolg „Le villi“, Puccinis 2.Oper, die er nach dem Drama Alfred de Mussets auf das Libretto F.Fontanas schrieb. Dieser verlegte die Handlung aus Tirol in das mittelalterliche Flandern und machte eine ganz krude, teils bigotte Geschichte daraus.

Edgar steht zwischen den zwei Frauen Fidelia und Tigrana, die beide, wie der Name schon ankündigt, gegensätzliche Sphären verkörpern. Fidelia ähnelt in etwa Micaela aus ‚Carmen‘ und Elisabeth aus Tannhäuser, Tigrana aber Carmen selber bzw. auch der Tannhäuserschen Venus. Edgar lässt sich in seinem Heimatdorf zum Niederbrennen seines Vaterhauses hinreißen und flieht mit Tigrana. Als er ihrer überdrüssig wird, lässt er sich für den Krieg anwerben von Frank, der auch aus seinem Dorf stammt und der an Wolfram oder Escamillo erinnern könnte. Im letzten Akt setzt sich Edgar in unglaublicher Weise in Szene. Er täuscht seinen eigenen Tod vor und marschiert als Mönch verkleidet vor dem Katafalk, hält schlechte Reden über sich selbst und stachelt das Volk damit auf, seinen eigenen Leichnam zu schänden. Nur Fidelia steht zu ihm, und sie versöhnen sich wieder, als er sich zu erkennnen gibt. Tigrana, die er mit einem Schatz aus Schmuck und Edelsteinen ködert, wenn sie wie das Volk auch schlecht über ihn redet, verleugnet ihn. Als sie wahrnimmt, daß  Edgar und Fidelia wieder zusammmen gefunden haben, ersticht sie die Nebenbuhlerin.

 Es war für Puccini schwierig, mit der Komposition voranzukommen, aber Fontana ging nicht auf seine Änderungswünsche ein. Endlich kam eine monströse, spätromantisch vorveristische Oper heraus, die aber bestes Grundmaterial für Puccinis spätere Welterfolge enthielt. Auch die Aufführungsgeschichte lief sich äußerst zäh an, da es für ‚Edgar‘ eines Ausnahmetenors bedarf. In den ersten Jahren warb Puccini heftig um Francesco Tamagno, Verdis Otello, der dann in Madrid dem Werk einen gewissen Erfolg sicherte. Natürlich hat in der Komposition Fidelia auch ihre verführerischen Seiten. Für Tigrana aber gelingt es Puccini, eine echt schwüle laszive schwer erotische Stimmung aufzubauen, die im Orchester auch durch ‚exotische‘ Instrumente untermauert wird.

Die Frankfurter in Großbesetzung realisieren diesen frühen Wurf ganz ausgezeichnet und mit Hingabe. Marc Soustrot, der Puccinis Quasi-Operette La Rondine hier bereits dirigiert hat, bringt große Empathie mit, ein doch auch sehr sprödes Jugendwerk, das wie Wagners Feen und ‚Liebesverbot‘ bis heute kaum aufgeführt wird, mit großer Verve aufzubereiten und zu einem eindrücklichen, nahezu veristischen Klangerlebnis zu machen. Große Chöre und Jugendchor treten als bigotte Dorfbevölkerung oft in kunstvollen Dialog mit den Solisten. und die Sphären überlappen sich, wenn die begleitende Orgel bei Tigaranas Gesängen einfach weiterspielt und die Benützung ‚göttlicher Werte‘ für ihr Treiben sichtbar werden läßt. Puccini hat nie wieder in seinem Schaffen einen Mezzosopran eine solche Bedeutung gegeben, auch nicht mehr solch einem Frauentyp. Dieser wird von Tanja Ariane Baumgartner mit ihrem durchschlagenden klangprächtigen dunkelgefärbten Organ einzigartig gesungen. Kihwan Sim gibt die Kurzrolle des Gualtieros mit soigniertem Baßbariton. Marco Vratogna ist ein echter Verdi-Bariton und singt den Frank mit großer Geste und Stimmkraft. Die Fidelia wird von Angela Meade mit ebenfalls durchdringendem Sopran sehr distinguiert gezeichnet, wobei sie mit seidig schönem Timbre besticht. Bryan Hymel gehört zur jüngeren Tenorgeneration und ist schon ein echter Geheimtipp. In dieser wirklich schwierigen Partie, in der er unzählige lange Phrasen in hohen Sphären zu gestalten hat, reussiert er mit unglaublicher Stimmpotenz, mit metallischem Heldenklang und lässt auf eine ganz große Karriere hoffen.

Friedeon Rosèn

 

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