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FRANKFURT: Das Rheingold – Alberichs Welt
Oper Frankfurt, 19. April 2019
Frankfurts sehr beliebte „Ring“-Inszenierung in der Regie von Vera Nemirova kehrte nun mit einer Wiederaufnahme des „Rheingoldes“ zurück. Nachdem die erste Vorstellung, eine Woche zuvor, szenisch dem Tarifstreik zum Opfer fiel und nur konzertant gegeben werden konnte, nun also in seiner szenischen Gestalt. Wenn es einen unvergesslichen Eindruck in dieser Inszenierung gibt, so ist und bleibt das der Beginn des Vorabends. Der Zuschauerraum und Orchestergraben bleibt komplett verdunkelt. Aus dem Nichts ertönt das tiefe Es der Kontrabässe während nach kurzer auf der genialisch konzipierten „Ring-Scheibe“ von Bühnenbildner Jens Kilian große Wassertropfen als Videoprojektion frappierend lebendig die Scheibe „bewässern“. Das Spiel beginnt…..
Nemirova hat genau die Partitur befragt und entwickelt eine überzeugende, vielschichtige Personenführung. Wotan und Fricka zeigen mit allerhand zärtlichen Gesten, dass ihre Beziehung noch unbeschädigt ist. Berührend ist das Entstehen der gegenseitigen Liebe zwischen Fasolt und Freier herausgearbeitet. Oder auf der anderen Seite ebenso schlüssig, wie Fafner dem Bann des Rheingoldes erliegt. Viele kluge Ideen in einem immer wieder aufs Neue faszinierenden Raumkonzept, welches jederzeit Verwandlungen bei offener Bühne ermöglicht. Zu loben sind die geradezu magischen Lichteffekte, die Olaf Winter gezaubert hat.
Auf der Bühne agierte ein weitgehend homogenes und souveränes Ensemble, bei bemerkenswert guter Textverständlichkeit. James Rutherford sang einen sicheren, kernigen Wotan, dem ich noch mehr Mut zu Zwischentönen wünsche. Manche Akzente gelangen außergewöhnlich, so z.B. sein kurzer Kontrollverlust „Vergeh frevelnder Gauch“, perfekt pariert von seinem Alberich-Konterpart. Selten ist dieser heftige Wortwechsel derart brachial und doch so perfekt zu bestaunen. Sehr gut hat sich der Alberich von Jochen Schmeckenbecher weiterentwickelt. Er war das stimmliche und ausdrucksdichte Zentrum der Aufführung. Endlos seine Ideen für packende Textgestaltung und entsprechende Pointen. Dazu auch eine große dynamische Skala vom Flüsten bis zum ausladenden Fortissimo. Eine großartige Leistung!
Kurt Streit als Loge hatte erkennbar viel Spaß und Spielfreude bei seinen z.T. athletischen Aktionen. Sein heller Tenor passt sehr gut zu den Anforderungen der Rolle. Er gestaltete seine Partie weniger deklamatorisch, sondern vor allem durch eine gelungene, ganz aus der Musik heraus empfundene Phrasierung.
Tanja Ariane Baumgartner war eine jugendliche, z.T. auch energische Fricka, die wie immer bei ihr, durch ihre besondere Stimmfärbung und die Mühelosigkeit ihres Gesanges, einen eigenen Rollencharakter formte.
Eine Aufwertung war die Besetzung der Freia in der fabelhaften Gestaltung durch Sara Jakubiak. Als Erda war Katharina Magiera eine jugendlich tönende Ur-Mutter mit ihrem eher hellen Mezzosopran. Alfred Reiter als Fasolt agierte engagiert, kämpfte leider mit den Höhen und suchte dabei sein Glück zu finden in einer z.T. arg aufgerissenen Tongebung. Andreas Bauer als Fafner war ihm stimmlich deutlich überlegen und verschob damit die Pole in seine Richtung. AJ Glueckert wirkte als Froh musikalisch nicht immer sattelfest, erfreute jedoch mit viel Tenorklang. Grenzwertig wirkte der Donner von Brendon Cedel, der als Einziger nicht sehr verständlich sang und immer wieder durch kehlig-dumpfe Tongebung auffiel. Mime wurde sehr menschlich, verletzlich von Michael McCown interpretiert. Die Rheintöchter (Woglinde: Elisabeth Reiter, Wellgunde: Judita Nagyova, Flosshilde: Katharina Magiera) erfreuten durch ihr homogenes Zusammenspiel.
GMD Sebastian Weigle genoss sichtlich jeden Takt dieses Meisterwerkes mit seinem gut vorbereiteten Orchester. Perfekt wahrte er die Balance und löste kleinere Unfälle im Orchester oder auch bei den Sängern sofort auf. In seiner Lesart ist das Werk kein zügiges Plauderstück, sondern Weigle nahm sich Zeit, um allen Verästelungen der Partitur nachzuspüren. Mit gut 2 Stunden 30 Minuten wählte er bedächtige Tempi, die es ihm ermöglichten die Partitur gut aufzufächern. Dabei nutzte er ebenso jede Gelegenheit, wie in den Zwischenspielen oder im Finale, das Orchester auch heftig aufrauschen zu lassen. Sehr überzeugend, mitreißend und fabehaft umgesetzt von allen Gruppen des Frankfurter Museumsorchesters.
Überraschend war dennoch die Reaktion der ausverkauften Vorstellung.
Das Publikum zeigte sich zufrieden, vermied aber durchweg deutliche Jubel-Bekundungen und war mit dem Applaus schnell zu Ende.
Dirk Schauß