David Moss, Jeff Hallman, John Brancy, (c) Monika Rittershaus
Oper Frankfurt: Lost Highway/Olga Neuwirth 19.9.2018
Im Bockenheimer Depot wird „Lost Highway“, Olga Neuwirths Musiktheater-Adaption von 2002/3 auf ein Libretto von Elfriede Jelinek nach dem Drehbuch zum gleichnamigen Film von David Lynch gespielt. Die Komposition der 1968 geborenen österreichischen Komponistin beinhaltet ein live zugespieltes kleines Orchester (Ensemble Modern), das aber nur bei Zwischenspielen auf der Leinwand sichtbar wird, da es hinter der Bühne verdeckt spielt, sowie im Surround-Klang gespielte elektronische Episoden, die aber von Markus Noisternig und Gilbert Nouno, kompositorischen Mitarbeitern Neuwirths, live zugespielt werden. Zusätzlich fungiert noch ein Klangregisseur, Norbert Ommer. Geschätzt verhält sich der Anteil von elektronischer Komposition zu Ensemle-Komposition 2/3 zu 1/3, wobei es aber auch Überlappungen gibt, wie auch in den Szenen, wo überwiegende Video-Einspielungen mit realem Bühnenbild und Darstellern in ähnlichem Verhältnis abwechseln. Olga Neuwirth betont im Programmheft ihre Affinität bei diesem Musiktheater nach David Lynch zu einem weitgehendem Bühnenbild aus Videos, in die aber Live-Darsteller wohl integriert sein können. Ihre Musik ist weitgehend nicht tonal konzipiert, Geräusche spielen eine große Rolle, und gemäß dem nicht linear erzählten Stoff, der sich oft in erschreckenden Bildern manifestiert, dominieren abrupte und harte, eher dunkle und tiefe Klangmassen besonders in den elektronischen Teilen, während in den vom kleinen live-Orchester gespielten Teilen auch aufgelockert rhythmische Gestalten erscheinen.
Inhaltlich geht es nacheinander um zwei Paare. Das erste lebt in einem Bungalow, der Mann Fred versucht die kriselnde Ehe durch Ansprache seiner Frau zu retten, was mißlingt. Für ihn wird immer klarer, daß die Frau einen Liebhaber hat, der auch in die Wohnung eindringt. Dem Paar wird ein Video zugespielt, das aber keine Klarheit bringt wie auch die Einschaltung der Polizei. Dann sieht man die Frau ermordet daliegen, daneben ihr Mann, der verhaftet und zum Tod verurteilt wird. Nach einer bestimmten Zeit im Gefängnis nimmt aber ein anderer Mann, Pete, seine Stelle ein, der sich nach seiner Freilassung in dieselbe Frau in anderer Gestalt, Alice, verliebt. Da sie mit einem undurchschaubar ominösem Mr. Eddy in einer Beziehung ist, muss Pete seinerseits morden, um an Geld und Alice zu kommen. Das gelingt zwar, nach ihrer Flucht in die Wüste entzieht sich Alice ihm aber wieder.
Am Anfang und am Ende ist die Bühne in der interessanten Inszenierung von Yuval Sharon zweigeteilt. In dem oberen Teil spielt sich in einem perspektivischen Video die Geschichte von Renee und Fred ab, während der untere Teil grün gefärbt ist, und nur Fred (der gute Schauspieler Jeff Burrell) parallel zum obigen Geschehen live auftritt, assistiert von Gestalten in auch ganz grünen Ganzkörperanzügen und -masken, die ihm Requisiten zureichen oder Kleider an- und abnehmen, z.T. aber auch „intelligent“ mitspielen. Danach dominiert nur noch das Video, jetzt treten aber auch SängerInnen auf. Am Ende wieder mit unterem Teil, wo Fred wie am Anfang aus der Gegensprechanlage hört, daß Dick Laurent (Mr.Eddy) ermordet worden sei. (Bühnenbild, Video, Licht: Jason H. Thompson, Kaitlyn Pietras, vielfarbige Kostüme von Doey Lüthi)
Die musikalische Gesamtleitung obliegt Karsten Januschke, und man hat tatsächlich den Eindruck eines integralen Klangraums, eines gewaltigen Musiktheaters. Dabei gewinnen auch die Stimmen große Bedeutung. Renee/Alice ist der wie diamant-geschliffene Sopran der Elizabeth Reiter, die dazu noch in Koloraturen brilliert. Pete ist John Brancy, ein dunkler Bariton, der singt, als ob er ganz dezidiert Klangblöcke zu bewegen vermag und ebenfalls koloraturstark ist. David Moss‚ Eddy ist neben Sänger auch Schlagzeuger und performender Komponist und sang Mr. Eddy /Dick Laurent schon bei der Uraufführung in Graz mit seiner versatilen markant baritonal geführten Stimme. Als ‚Mystery Man‘ tritt der versierte hochstimmige Countertenor Rupert Enticknap in goldbrauner Western-Gewandung auf. In den Nebenrollen singen/agieren Samuel Levine, Juanita Lascarro, Jörg Schäfer, Nicholas Bruder, Jim Phetterplace jr. und Jeff Hallman als Raucher (in einer eigenen Szene!) und Erzähler.
Friedeon Rosén