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FRANKFURT /Alte Oper: MARTIN GRUBINGER /hr.S.O. – VASILY PETRENKO

19.03.2016 | Konzert/Liederabende

Frankfurt: „MARTIN GRUBINGER-

                   hr-S.O.-VASILY PETRENKO“ –  Konzert in der AOF 18.03.2016

Vor knapp drei Jahren wurde „Speaking Drums“ (Eötvös) uraufgeführt, nun gastierte mit diesem Werk einer der populärsten Schlagzeuger unserer Zeit Martin Grubinger wiederum in der Alten Oper und ließ die Wände des großen Konzertsaals erzittern.  Mit den Attributen eines Hochleistungssportlers stets in Action bediente der junge Solist in ständigem Wechsel die Vielzahl seiner Schlaginstrumente und formte die Klänge des ungarischen Komponisten zu summarischer Tonalität. Expressive Eruptionen der Trommeln, Pauken, Gongs, Röhrenglocken verleihen diesem Musikstück eine bedrohlich-düstere Atmosphäre aber auch lyrische Momente zu den Klängen der Vibrafone, Xylofone etc. Zuvor erklärte der agile sympathische junge Mann die diversen Schlaginstrumente und begleitete das Werk mit dem Untertitel „Vier Gedichte für Solo-Schlagzeug und Orchester“ zudem mit unartikulierten Lauten eines Sioux-Indianers auf dem Kriegspfad. Das Publikum war entzückt.

In bemerkenswerter Akkuratesse  begleitete das hr-sinfonieorchester unter der fachkundigen Leitung von Vasily Petrenko dieses mystisch-nuancierte Instrumentalportrait und bewältigte souverän die ungewöhnliche Herausforderung mit den unverkennbaren melodischen Anleihen von Berg, Gershwin etc.

Es folgte ein Werk der japanischen Komponistin Keiko Abe (*1937)  der programmatisch-heroischen „Prism Rhapsodie für Marimbafon“ von majestätischer geradezu pathetischer Aussage. Die orchestralen Abläufe dieses Konzertstücks erinnern in ihrer teils lyrischen Harmonie und opulenten Bandbreite an Cinema-Untermalungen. Dabei bot das kurze Stück genügend Freiraum zur solistischen Entfaltung Martin Grubingers zwischen spielerischem Elan und angespannter Ekstase. Petrenko formte mit dem makellos artikulierenden hessischen Eliteorchester einen prächtig-dimensionalen  nachhaltigen Sound.

Nach der Pause erklang das Epos „Manfred“ (Peter Tschaikowsky) jenem Viersätzer, halb Symphonie, halb Tondichtung nach Byrons Versdrama, in den Tschaikowsky wohl einen guten Teil an Autobiographischem investierte. Der Held als unverstandener Außenseiter, das musste der Psyche des Komponisten regelrecht entgegenkommen. Tschaikowsky komponierte diese grandiose Psycho-Analyse zwischen seiner vierten und sechsten Symphonie und bezeichnete es selbst als sein bestes symphonisches Werk.

Vasily Petrenko am Pult des exemplarisch überbordend  aufspielenden hr-sinfonieorchesters bekennt sich rückhaltlos zu den Extremen dieser Tondichtung. Manfreds Irrungen durch die Alpen illustriert der junge Dirigent im breit gefächerten dynamischen Klangbild, expansive Tempi bilden geradewegs einen plastischen Breitwandeffekt. In rhetorischer Präsenz breiten Fagotte und Bassklarinette das einleitende Manfred-Thema in scharfen Umrissen aus. Mit Mut zum Extremen, hält Petrenko die Strukturen der Partitur mit eiserner Hand zusammen, wählte zügige Tempi und gewährleistete ein Musizieren von äußerster Spannung und Faszination.

In der wohlüberlegten aber keineswegs gemächlichen Gangart geht kein Detail der riesenhaft besetzten Partitur verloren, vieles glaubt man erstmals zu vernehmen, nicht zuletzt aufgrund des vorbildlich-transparent aufgefächerten  Klangbildes sowie der immensen Orchester- Kultur dieses hochqualifizierten Instrumentariums wegen.  Im Regenbogen des Gebirgswasserfalls erscheint dem Helden die Alpenfee, individuell edel zum Klang der wieselflinken Streicher, der energischen Holzbläser elegisch untermalt und dennoch spannungsvoll zum Klingen gebracht.

Weich im romantischen Tschaikowsky-Klang entfaltet sich das pastorale Idyll des dritten Satzes, hier wird mit Herz musiziert – jedoch ohne sentimentalen Herzschmerz. Natürlich räumliche Akkorde entfalten sich während der sanften Oboenmelodik zu weitläufiger sinfonischer Brillanz.

Beschwörend in virtuos-orchestraler Vitalität endet der letzte Satz des sinfonischen Seelengemäldes im entfesselten Bacchanal, der visionären Erscheinung Astartes, geprägt von höchster Musizier-Qualität  dieses wunderbaren Klangkörpers mit seinem jugendlich-vitalen Dirigenten. Dynamisch, aufwühlend, breit gefächert erhebt sich nochmals fast drohend das Schicksalsmotiv des ersten Satzes in präsenter Klangdimension der lupenreinen Bläserfraktionen. Verhallend in orgelgesättigter Choral-Apotheose haucht schließlich der titelgebende Held zu traumhaft elegischen Klängen sein Leben aus.

Großer Beifall für eine hervorragend-überwältigende Interpretation.

Gerhard Hoffmann

 

 

 

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