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FRANKFURT/ Alte Oper: LONDON SYMPHONY ORCHESTRA; Noseda, Buniatishvili (Tschaykowsky)

03.12.2019 | Konzert/Liederabende


Khatia Buniatishvili, Klavier, Gianandrea Noseda, London Symphony Orchestra. Foto: Siemon

Besuchtes Konzert: Alte Oper Frankfurt, 02. Dezember 2019

Pjotr I. Tschaikovsky – Klavierkonzert No. 1 b-moll op. 23
Pjotr I. Tschaikowski – Symphonie No. 5 e-moll op. 64

Solistin: Khatia Buniatishvili, Klavier
London Symphony Orchestra
Dirigent: Gianandrea Noseda

Symphonische Sternstunde

Tschaikowsky‘s beliebtes Klavierkonzert No. 1, 1875 in Boston uraufgeführt, gehört zu den meist gespielten Klavierkonzerten auf der Welt. Auch in diesem Jahr war dieses Konzert mehrfach in der Alten Oper zu hören. Nun also wieder auch beim Gastspiel des London Symphony Orchestras (LSO) innerhalb der Pro Arte Konzertreihe.

Solistin des Konzertabends in der Alten Oper Frankfurt war die georgische Pianistin Kathia Buniatishvili. Die vielfach ausgezeichnete Künstlerin, die bereits mit sechs Jahren ihr Konzertdebüt gab, zeigte bei ihrem Gastspiel eine sehr auf Virtuosität und Fingerfertigkeit ausgerichtete Interpretation.

Bereits im Kopfsatz demonstrierte sie ihre Fähigkeit, komplexe Strukturen in zugespitzte Tempi auszuformulieren. Sehr energisch mit wuchtigen Akzenten in der linken Hand erklangen die berühmten Anfangsakkorde. Mit großer Rasanz fegte sie durch die vielen Triolen, um dann aber auch durch plötzliche Wechsel im Tempo neuen Spannungsmomente zu bilden. Ihr ungebändigter Vorwärtsdrang hatte zuweilen etwas zu viel an musikalischer Artistik. Hier blieben die kontemplativen Momente zu deutlich im Hintergrund.

Das anschließende Andantino semplice spielte hingegen Buniatishvili mit feiner Phrasierung und spürbarer Verinnerlichung. Ganz in ihrem Element war sie dann wieder in der zupackenden Virtuosität im beschließenden dritten Satz. Technisch auf höchstem Niveau spielte sie die zahlreichen Akkordsprünge und Läufe souverän aus. Dazu suchte Buniatishvili immer wieder den Dialog mit dem Orchester.

An ihrer Seite agierte auf Augenhöhe Dirigent Gianandrea Noseda, langjähriger erster Gast-Dirigent, des LSO’s. Herrlich gleich zu Beginn die aufstrahlenden Hörner und der satte Ton in der Streichergruppe. Noseda verstand es ausgezeichnet, das Orchester in den Mittelpunkt seiner Spielkunst zu führen. Ausgezeichnet die dynamische Abstufung und die kraftvollen Akzente. Fabelhaft das perfekte Zusammenspiel im kantablen zweiten Satz mit einem hinreißenden Solo der Flöte. Aufrauschend und mit rhythmischer Verve dann der tänzerische finale Satz.

Großer Jubel für beide Künstler am Ende des ersten Teils. Khatia Buniatishvili bedankte sich mit einem sehr sensibel vorgetragenen Impromptus No. 4 von Franz Schubert.

Und doch war es der zweite Teil des Programms, der dem Abend seiner Außerordenlichkeit beschied. Im Jahr 1888 entstand Tschaikowsky’s fünfte Symphonie, die er als persönliches Bekenntnis seiner Seele verstand. In seinen drei letzten Symphonien verfasste der Komponist programmatische Angaben, die der dann wieder verbannte. Zu viel Persönliches wurde darin offenbahrt. Das verbindende Element in diesen Werken ist die Macht des Schicksals. In den Symphonien vier und fünf führt der Kampf mit dem Schicksal am Ende ins Licht, während in der beschließenden sechsten Symphonie der Tod das letzte Wort hat.

Gianandrea Noseda nahm sich für den klagenden Beginn mit den wunderbar intonierenden Klarinetten viel Zeit, das Schicksalsmotiv, das diese Symphonie so prägt, deutlichst in den Konzertsaal zu formulieren.

Mit untrüglichem Instinkt und tiefer Verbundenheit zur Musik traf Noseda traumwandlerisch sicher den rechten Puls, um diesem Meisterwerk alles zu geben. Großartig seine ausgewogene Dynamik, das Hineinhören in die Strukturen und das Ausmusizieren der weitläufigen Melodiebögen.

Eine Insel der Glückseeligkeit durften die zahlreichen Zuhörer mit dem hingebungsvoll ausmusiziertem Andante Cantabile erleben. Mit schlankem Ton phrasierte das Solo-Horn im Dialog mit den meisterhaften Kollegen an Klarinette und Oboe.

Leichtfüssig und doch mit Eintrübungen des Schicksalmotivs führte Noseda dann durch den Walzer, bevor er dann im beschließenden Andante Maestoso alle Schleusen öffnete und das hingebungsvolle LSO entfesselt aufspielen ließ.

Mit welchem Furor und größter Präzision dieser Elite-Klangkörper gerade diesen Satz interpretierte, gehört zu den Sternstunden der diesjährigen Konzertsaison! Die Spannung, die Noseda und das LSO fortwährend aufbauten, kuliminierte in einer überragend dargebotenen Coda, die einem lichtvollen Klangdom gleichkam. So spannend, so gehaltvoll, ja, so tief bewegend kann die Musik des russischen Meisterkomponisten klingen, wenn ein hingebungsvoll wissend agierender Dirigent seine Passion auf ein Orchester überträgt, welches mit ihm diesen gemeinsamen Weg beschritt! An diesem Abend zeigte das LSO eindrucksvoll, warum es zu den besten Orchestern der Welt gehört. Eine wunderbare Erfahrung!

Das Publikum war in seiner euphorischen Begeisterung, gipfelnd im rhythmischen Applaus, kaum zu bändigen. Und so beschenkte das LSO und Noseda die Zuhörer mit einer hinreißend dargebotenen Polonaise in bester dynamischer Ausgestaltung aus Tschaikowsky’s Oper „Eugen Onegin“!

Ein symphonische Sternstunde!

 

 

 

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