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Erstes Gespräch mit Bogdan Roščić und Philippe Jordan im TV

 

Copyright: „Servus TV“

Gespräch von Ioan Holender mit Bogdan Roščić und Philippe Jordan auf „Servus-TV“

Heinrich Schramm-Schiessl analysiert:

„Na ja, da war viel heisse Luft dabei. In den ersten zwei Dritteln hörte man eigentlich nur schon Bekanntes aus dem Leben der beiden Herren. Erst im letzten Drittel ging es tatsächlich um die Staatsoper, ohne allerdings wirklich Neues zu hören, was ich allerdings auch nicht wirklich erwartet habe. Eigentlich hörte man nur die Gemeinplätze, die noch jeder neue Direktor vor Amtsantritt von sich gegeben hat. Was Staatsoper 4.0 bedeutet, hat sich mir immer noch nicht erschlossen. Das Interessanteste und Bemerkenswerteste war für mich die Aussage, dass beide die Staatsoper zu 100% als geeignwet für die Aufführung von Mozart-Opern erachten. Ich habe das ja nie angezweifelt, aber in den letzten Jahren waren ja viele Dirigenten und sonstige (selbsternannte) Fachleute der Ansicht, dass das nicht der Fall sei…“

Ergänzend Anton Cupak zu diesem Gespräch:

„Beide Herren kamen recht sympathisch rüber und bezüglich Bogdan Roscic wurde mit der immer noch in zunehmend kleineren Kreisen herrschenden Meinung, dass sich da einer aus der Unterhaltungsbranche in die Heiligen Hallen verirrt hat, gründlich aufgeräumt. Dem Mann ist Kompetenz in keinem Fall abzuschreiben, dazu bedurfte es gar nicht der „Bestätigung“ von Künstlern aus der Opernbranche, denen er in deren Anfangszeit mit seiner Tonträger-Firma Wege geebnet hat.

Holender erwähnte das Gerücht, dass Bogdan Roscic vor einigen Jahren das Angebot, den ORF als Generalintendant zu übernehmen abgelehnt habe – mit dem Hinweis, dass ihn in Österreich nur die Staatsoper interessieren würde.

Das ist – vorausgesetzt es stimmt – ein ganz starkes Bekenntnis, denn der ORF bietet doch viel mehr Gestaltungsmöglichkeit und wohl auch Einfluss. Roscic hat aber nun, was er wollte und die Wiener Opernfreunde dürfen ihn mit Spannung und doch einer gewissen Vorfreude erwarten.“

Peter Skorepa kommentiert zu diesem Gespräch:

Das jus primae noctis eines vormittäglichen Gespräches im TV mit dem designierten Staatsoperndirektor wurde von dessen zukünftigem Vorvorgänger Joan Holender vorgenommen, mit der üblichen gelassenen Noblesse und im Servus TV, wobei die treffendste Umschreibung der ausgeschriebenen Funktion des Direktors der Wiener Staatsoper als „einer fast staatstragenden Rolle“ in diesem Lande von dem deutschen und offensichtlich auch Wien-kundigen Bariton Christian Gerhaher in einer Seiteneinspielung auch so genannt wurde.

Wenn auch wenig Konkretes und zum Teil auch schon bekannt gewordenes in dem Gespräch zu Tage kam, dann war doch ein wichtiges Detail von und über Bogdan Roščić zu erfahren, nämlich sein Bekenntnis zum „Gemeinschaftserlebnis Oper, das nur wahr auf einer Bühne stattfindet“. Das scheint insofern wichtig, als der ministerielle Auftrag, die Oper 4.0 zu generieren, leicht zu elektronisch unterstützten und Musikantenstadel artigen Auswüchsen an Massenunterhaltung neigen könnte. Hier zu unterscheiden zwischen musikalischer Qualität vor Ort, also einem theatralischem Erlebnis und andererseits aber geforderter Massenverbreitung, das wird viel Fingerspitzengefühl verlangen.

Man sollte sich auf gute Arbeit auch der kommenden Direktion Bogdan Roščić einstellen können, beschwört er doch mit Adornos Worten „Die unvergleichliche Autorität des Genius Loci“, weiters versichert uns in einer Seiteneinspielung Franz Welser-Möst, dass Bogdan Roščić „für die Wiener Staatsoper brenne“.

Und Philippe Jordan verweist auf die hervorragenden Möglichkeiten, in diesem Hause auch Mozart spielen zu können, „das A&O der Musik“, wie Roščić es nennt.

Das Thema Opernstudio, von Roščić als Stichwort genannt, wurde nicht weiter angeschnitten. Wir hatten ja schon eines in Wien, das in der Ära Holender entschlief, dann aber wieder auf der Agenda des jetzigen Direktors Dominique Meyer stand und beschlussfähig vorbereitet aber die finanziellen Hürden nicht übersprang. Ob Roščić mehr Glück damit hat?

Renate Wagner meint schließlich dazu:

Üblicherweise dienen die Gespräche, die Ioan Holender für Servus TV führt, ihm selbst: Sie beweisen ihm und den anderen, dass er noch kein „Has been“ ist, der unbeachtet am Altenteil sitzt. Diesmal allerdings hat er Wiens Opernfreunde mit einer wichtigen Information versorgt. Er hat uns gezeigt, wer die beiden Herren sind, die in ziemlich genau zwei Jahren und neun Monaten die „Herrschaft“ in der Wiener Staatsoper antreten werden.

Dass Bogdan Roscic und Philippe Jordan gute Figur gemacht haben, ist keine Frage, und das in vieler Hinsicht. Sie waren zwar nicht völlig entspannt, dazu sind sie zu gescheit, sie wussten schon, was dieser Auftritt bedeutet. Aber keinesfalls haben sie sich aufgeplustert und eine Show abgezogen, im Gegenteil, sie waren konzentriert im Hier und Jetzt, und hätte Roscic nicht unbedingt Adorno zitieren müssen (und klarstellen, dass er eine journalistische „Edelfeder“ wurde, weil er den Grips hatte, einen Wittgenstein-Artikel zu kritisieren – das ist schon ein bisschen hoch gesprungen), sie wären ganz ohne Peinlichkeit ausgekommen.

Kurz, die beiden Herren sind jemand, sie müssen niemandem vormachen, wer sie sind, ja, dass sie überhaupt jemand sind – was man ja von so vielen Künstlern (und Politikern und und und) so oft „vorgetanzt“ bekommt. Ängste, dass sie einmal in Größenwahn verfallen und nur noch sich selbst umkreisen, statt ihren Job zu tun, haben sie keine ausgelöst.

Positiv fiel auf, dass die beiden sich offenbar wirklich gut verstehen. Bedenkt man, wie sich der vorige GMD hinausgemobbt fühlte, weil man nie mit ihm redete, ihn nie zu Entscheidungen heranzog, ihn Dinge aus der Zeitung erfahren ließ, dann wird das bei Roscic / Jordan vermutlich nicht passieren. Die reden miteinander und liegen offenbar auf einer Wellenlänge. Man kann nichts über die so wichtigen menschlichen Qualitäten sagen, wenn man jemanden eine knappe Stunde im Fernsehen gesehen hat (es gibt ja auch sehr gute Schauspieler, die einem vorspielen können, was sie wollen), aber irgendwie fühlt man sich nicht verunsichert: Der Schweizer, der Österreicher, die ihre Jobs können und lieben, haben offenbar nur das Beste vor.

Wobei sie auch geschickt genug waren, sich jeden Seitenhieb auf die gegenwärtige Direktion zu schenken. Vielleicht denken die beiden wie Martin Kusej, der im Hinblick auf seine künftige Burgtheaterdirektion sagte: „Ich schütte da sicher mal die Hälfte oder zwei Drittel von diesem Suppentopf aus und koche mal eine neue Suppe auf“, aber sie waren wirklich nicht so geschmacklos, es auszusprechen. Sie werden sicherlich einiges ändern – knapp drei Jahre davor Details zu nennen, wäre unverantwortlicher Wahnsinn. Außerdem wollen wir ja alle – die Journalisten und die Opernbesucher, wir Opernfreunde, die alles besser wissen, man muss uns nur fragen – Raum zur Spekulation…

Sie werden wohl nicht mit einem so nötigen neuen „Ring“ beginnen, wenn Philippe Jordan gerade noch einen in Paris beendet (dass man amikal auf seine bestehenden Verpflichtungen Rücksicht nimmt, sollte zwar selbstverständlich sein, aber man kennt üble Fälle). Dass beide an Mozart in der Staatsoper glauben, hätte einen Hattrick der Da Ponte-Opern erhoffen lassen, aber da wird ja noch rasch die Muti-Tochter davor eine „Cosi“ einschieben, also geht es nicht so einfach. Die Zeiten, wo man eben mit „Fidelio“ eröffnete, sind wohl vorbei. Hoffentlich schreibt schon jemand in der Größenordnung von Ades (wobei natürlich auch die komponierenden Österreicher gefragt sind) an einer schönen, neuen großen Oper zur Eröffnung… Aber das Problem kann man getrost den beiden Herren überlassen, dafür werden sie ja bezahlt. Sie kennen die Ansprüche, sie kennen die Erwartungen.

Kein Wort über die Inszenierungen, die selbstverständlich ein großes Thema sein werden in einer Welt, wo heutzutage schon Operndirektoren von Regisseuren verlangen (!), den Schluß von „Carmen“ zu ändern (!!), weil das Publikum am Ende nicht nach der Ermordung einer Frau klatschen soll (!!!), da ist es doch viel besser, sie nimmt eine Pistole und erschießt Don Jose (!!!!), denn nach der Ermordung eines Mannes darf man offenbar klatschen (!!!!!) – da muss sehr, sehr viel Überlegungsarbeit geleistet werden. Es ist anzunehmen, dass Roscic/ Jordan sich das nicht leicht machen werden … und mit den Zähnen knirschen, dass Herheim für sie nicht zu haben ist.

So nebenbei kam ein „Opernstudio“ auf, niemand hat danach gefragt, Roscic stellte es selbst in den Raum. Danke. Nicht, dass es unbedingt die Aufgabe eines großen Opernhauses wäre – Philippe Jordan selbst ist das Beispiel dafür, wie viel man in Ulm lernen kam, Beczala und Gould denken dankbar zurück, was Linz sie gelehrt hat, die „Ausbildungsstätten“ der kleinen und mittleren Häuser sind ja vorhanden. Aber natürlich hat es auch einen Vorteil, in einem großen Haus aufzuwachsen und mitzuwachsen – Tara Erraught hat mit begeisterter Dankbarkeit erzählt, wie großartig es war, sich in München als Opernschülerin überall frei bewegen zu können, bei Proben der anderen mitzulernen, den großen Kollegen genau zuzusehen und langsam in Minirollen die kleinen Schritte zu machen. Nachwuchspflege ist eine Sache für sich. Die neuen Herren werden das anders machen, als es derzeit der Fall ist.

Dass Ioan Holender ihnen schlußendlich in den Mund legte, das „Live Ereignis“ über alles zu stellen (no na), um die Ängste auszuräumen, die Herren dächten nur noch in Tonträgern und DVD-Aufzeichnungen (was ist grundsätzlich schlecht daran?), wird hoffentlich nicht die LiveStreams beschneiden. Und dass es eine gute Sache ist, gute Aufführungen zu dokumentieren und sie auch in die Welt zu schicken… darüber braucht wohl nicht diskutiert werden. Die guten Aufführungen zu liefern, ist Aufgabe der Direktion.

Nehmt alles nur in allem: Die beiden Herren kamen viel versprechend herüber.