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ERL/ Tiroler Festspiele: DAS RHEINGOLD – Wagner zum Hören

31.07.2015 | Allgemein, Oper

Tiroler Festspiele Erl, Das Rheingold, 30. Juli 2015

Tiroler Wagner zum Hören

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 Copyright Tiroler Festspiele Erl / APA-Fotoservice / Xiomara Bender

 Richard Wagners Ring-Tetralogie bleibt einfach der Publikumshit Nummer 1 bei Gustav Kuhns Sommerfestspielen im Tiroler Unterinntal. Auch heuer standen wieder zwei Serien auf dem Programm, diesmal nicht mit dem effekthaschenden Anspruch den Ring in 24 Stunden aufzuführen (was eigentlich nie wirklich gemacht wurde!), sondern in der Art und Weise, wie es Wagner einst idealerweise vorgeschwebt war: An vier aufeinanderfolgenden Abenden!

 Immer wieder begeistert es mich, mit welch einfachen szenischen Mitteln es Kuhn als Regisseur gelingt, im Erler Passionsspielhaus Opernaufführungen zu gestalten. Das Orchester sitzt auch diesmal wie gewohnt erhöht auf der Hinterbühne, nur durch einen durchsichtigen Vorhang abgetrennt, im Vordergrund sorgen einfache, aber effektvolle Requisiten (Bühnenbilder kann man das ja fast nicht nennen, was Jan Hax Halama minimalistisch verwendet) und sehr geschmackvolle Kostüme (Lenka Radecky) für Ästhetik und logische Handlungsabläufe. Da stört es auch nicht wenn – schon traditionellerweise – immer wieder die Kinderstatisterie aus der Umgebung beschäftigt wird, im Falle der von Alberich geschundenen Kreaturen erzielt Kuhn damit sogar einen Gänsehauteffekt.

Tiroler Festspiele Erl - Oper Richard Wagner "Das Rheingold", Premiere: 23.07.2015
Copyright Tiroler Festspiele Erl / APA-Fotoservice / Xiomara Bender

 Auch die vielen kleinen aktuellen Regie-Gags sind eher zum Schmunzeln anregend, als dass sie für Publikumsproteste sorgen könnten. Insgesamt bleibt die Personenführung ja schlüssig, die Handlung spielt im hier und heute, die Götterfamilie verkörpert eine Mischung zwischen Neureich und Halbseiden. Ohne jetzt näher auf alle Einzelheiten von Kuhns Interpretation einzugehen, da sie ja schon in genügend Rezensionen beschrieben wurden, konnte man auch heuer wieder neue Feinheiten entdecken. Etwa die witzigen Charaktere der „Spitzensportler“ Donner (als eitler Hammerwerfer) und Froh (als tumber Golfer). Oder den reichlichen Alkoholkonsum der Göttergattin Fricka. Eine Spitzenleistung gelang Johannes Chum, als Wotan-Berater Loge in Business-Kleidung, aber der größte Beifall galt natürlich am Ende dem fulminanten Thomas Ghazeli, der einen bitterbösen, burlesken Alberich mit unglaublich wortdeutlicher Diktion sang. Michael Kupfer-Radecky als Wotan stand da fast ein wenig im Schatten, Ferdinand von Bothmer (als Froh) und Frederik Baldus (als Donner) reichten auch nicht an Ghazelis Standard heran. Völlig unterschiedliche Timbres hörte man bei den beiden Riesen: Franz Hawlata als verliebter American Footballer Fasolt und Andrea Silvestrelli als eishockeyspielender Fafner, Giorgio Valenta war ein unauffälliger Mime. Bei den Damen mauserte sich Hermine Haselböck zu einer mehr als souveränen Fricka und Alena Sautier trumpfte mit ihrer satten Tiefe als Erda auf. Etwa schrill wirkte Susanne Geb in der wenig dankbaren Rolle der Freia, von den drei Rheintöchtern überzeugte Misaki Ono als Floßhilde besser als Yukiko Aragaki (Woglinde) und Michiko Watanabe (Wellgunde).

 Nach anfänglichen Hornunsicherheiten steigerte sich das Orchester der Festspiele Erl gewaltig und breitete einen herrlichen Wagner-Sound aus. Gustav Kuhn beschränkte sich auf minimalste Zeichengebungen, er hat das Werk ja im kleinen Finger. Erstaunlich schaumgebremster Jubel des Publikums nach einem symphonischen Finale, bei dem keine Regenbogenprojektionen oder Brückenkonstruktionen die Sehnerven beschäftigten und es mir daher perfekt gelang, mich diesem wunderbaren Schluss hinzugeben, wäre da nicht das flackernde Smartphone-Display links neben mir gewesen, dessen Besitzer hektisch nach dem Textbuch blätterte und offenbar nicht mitbekam, dass der „Vorabend“ schon zu Ende ist.

 Fotos: Copyright Tiroler Festspiele Erl / APA-Fotoservice / Xiomara Bender

Ernst Kopica

 

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