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ERFURT: DIE ZAUBERIN von P.I. Tschaikowsky

29.10.2012 | KRITIKEN, Oper

Erfurt: Die Zauberin/Tschaikowsky 28.10.

 In Erfurt wird zur Zeit die rare Tschaikowsky-Oper Die Zauberin gespielt, und es ist schon erstaunlich, daß diese große Oper des bereits arrivierten Komponisten zumindest im Westen bisher nahezu unbekannnt geblieben ist. Natürlich war ihr auch in Rußland kein großer Erfolg beschieden. An der Theatralik des Sujets, für das Tschaikowsky selber Feuer und Flamme war, hat es sicher nicht gelegen, eher schon an dem Libretto des diesbezüglich etwas unkundigen Dichters Schpazinki, der seine Tragödie in eine 4aktige Oper umarbeiteten mußte. In der Zeit der absolutistischen Unterdrückung Ende 18.Jahrhundert in Nizni-Novgorod bildet sich im Salon einer jungen ‚Zauberin‘, eigentlich einer bezaubernden Frau namens Kuma, eine Art Parallelgesellschaft, die für bürgerliche Freiheiten sowie Kunstfreiheit eintritt. In der Inszenierung Tatjana Gürbacas ist es ein eher moderner weiß- und großgekachelter Raum mit punkigen und New-wavigen Gestalten und Street-Bemalung. Der Chor hat in einem ganzaktigen Permanent-Einsatz einen großartigen Auftritt, teils in einzelnen Tanziposen, auch auf den Tischen, teils auch in Gruppenbildung, einzelne Wächter mit Kalashnikov, dazu ein Eisbär und ein paar Athleten. Ganz oben mittig eine Eisentür. Der ganze Raum wirkt wie ein Guckkasten in der schwarzen Bühne (Klaus Grünberg, auch Beleuchtung). Die altrussisch und modern inspierierten Kostüme stammen von Marc Weeger und Silke Willrett. Der 2.Akt mutet wie ein DDR Staatshotel an. Der Raum ist mit einem runden grauen Vorhang begrenzt, in der Mitte ein runder großer Tisch, an dem die Fürstin allein über ihr Schicksal lamentiert, weil der Fürst immer zu der Zauberin geht. Später treten auch der Fürst, der Sohn und der Minister auf. Nach einer heftigen Auseinandersetzung der Eheleute will der Sohn seine Mutter rächen und die Zauberin ermorden. Das Volk bricht mit einer Phalanx aus Bierkästen ein, wird aber von dem Sohn, dem Sympathien für die Freiheitsbestrebungen nachgesagt werden, noch einmal besänftigt. Im 3.Akt gibt es quasi eine Kombination aus 1. und 2.Bild, wenn der Raum der Zauberin zu einer kleinen weißen Wohnung mutiert, aber mit dem runden Tisch des Fürstinnenpalais‘, in dem Kuma den in sie verliebten Fürsten empfängt, ihn aber zurückweist, da sie sich in seinen Sohn Juri verliebt hat. Nachdem der Fürst unter Drohungen gegangen ist, erscheint bereits Juri mit Freund und Blendlampen, läßt sich aber schnell von seinem eigentlichen Vorhaben abbringen und verliebt sich seinerseits in Kuma. Sie verabreden sich zur Flucht. Der letzte Akt driftet dann geradezu ins Phantasmagorische, leicht Absurde ab. Die eifersüchtige Fürstin besorgt sich Gift beim Zauberer Kudma, der in einem roten Teufelskostüm von Revueladys ekortiert in einer Spelunke haust. Es gelingt der Fürstin, der sich einstellenden Kuma das dampfende Gift als Getränk zu verabreichen, sodaß diese später in den Armen des angekommenen Juri stirbt. Der später erscheinende Fürst tötet aus blinder Eifersucht den eigenen Sohn und verfällt in Wahnsinn. Diese Szene hat in ihre Tragik auch etwas völlig absurd Komisches.

 Die Musik ist von vorne bis hinten genuiner Tschaikowsky und kann sich seinen großen Werken jederzeit an die Seite stellen lassen. Der Komponist findet auch immer die richtige Mischung von großem dramatischem Aufschwung und zurückhaltenderem resp. aufbauendem Kammerton.Vom Orchester wird die Komposition brillant und adäquat wiedergegeben unter der sicheren Leitung von Johannes Pell.

 Der Paisi (ein hier als Mönch dargestellter Vagabund) und Kudma wird von Jörg Rathmann mit expressiv feurigem Tenor und totalem Körpereinsatz wiedergegeben, eine veristische Zeichnung. In den Nebenrollen des Foka, Polja, Balakin, Potab, Lukas und Kiciga reussieren Sebastian Pilgrim, Daniela Gerstenmeyer, Marwan Shamiyeh, Yoontak Rhim (Thüringer Opernstudio), Reinhard Becker und Dario Süß und ergänzen ein insgesamt sehr homogenes Ensemble. Nenila, die Aufwartefrau der Fürstin und Schwester des MInisters, gibt die junge Yunfei Lu (ebenfalls Thür.Operstudio) mit feinem Mezzo ganz köstlich, wie sie in biederster 60er Jahre Mode linkisch dies und das aufträgt. Ihr Mann Mamyrov gibt Vazgen Ghazaryan mit satt ausschwingemdem Baß und erzreaktionärem Gehabe. Dafür muß er sich bei der ‚Chorparty‘ demütigen lassen. Prinz Juri wird von Markus Petsch „tenoral“ gegeben und erscheint als recht agiler Player. Fürstin Eupraxia Romanovna ist Liubov Sakolova mit abgeklärtem dunklem Mezzo, den sie in ihrer Soloszene schön ausspinnen kann. Den Fürsten Nikita Kurljatev gibt Yuri Batukov mit weiträumig samtigem und großem Baß und bemerkenswerter (Omni)präsenz. Objekt seiner und einiger anderer Liebe ist die Zauberin Kuma Ilia Papandreou mit schönem leuchtetendem fast voluminösem Sopran, den sie aber auch mit guter Diktion einsetzt. Von bester Gestalt, schwarz in hohen Stiefeln und meist mit hoher spitzer Pelzkappe ist sie eine echt russische ‚bezaubernde‘ Frau.

Friedeon Rosén

 

 

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