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DÜSSELDORF/ Rheinoper: EINE FLORENTINISCHE TRAGÖDIE – war zumindest angekündigt. Herausgekommen ins Opernverhunzung pur!

16.06.2013 | Allgemein, KRITIKEN, Oper

Zemlinsky Inszenierungstragödie an der Rheinoper – Premiere 16.6.13, angekündigt war „Eine Florentinische Tragödie“

Dies ist eine Gastkritik aus www.deropernfreund.de , mit freundlicher Genehmigung des Magazins!


Foto: Hans Jörg Michel

 So könnte die Pressemitteilung der Deutschen Oper am Rhein (Intendanz) aussehen:

 Meine Damen und Herren, liebe weitgereiste Opernfreund!

 Leider müssen wir Ihnen erneut mitteilen, daß wir uns, schon wieder, erst nach der Premieren des an sich großartigen Opernjuwels „Eine Florentinischen Tragödie“, gezwungener Maßen entschlossen haben, dieses Stück ab sofort nur noch konzertant zu bringen. Wir möchten Schaden von unserem Publikum abzuwenden. Bedauerliche erste Krankmeldungen von Zuschauern, die ich sehr ernst nehme, haben mich entsetzt und sprachlos gemacht.

 Die Regisseurin Barbara Klimo hat zusammen mit ihrem Team (Bühne: Veronika Stemmberger / Kostüme: Frank Bloching) das Werk dermaßen verhunzt, daß sich Zemlinsky-Liebhaber, Kritiker und Mitglieder der aus Wien extra angereisten Internationalen Zemlinsky-Gesellschaft spontan krank gemeldet haben. Einige haben sich in ihrer Empörung teilweise schon in der Pause übergeben bzw. mussten wg. bedrohliche gestiegenem Bluthochdruck notärztlich versorgt werden – wie ich hörte konnten nicht wenige ihre Rückreise nach Wien gar nicht mehr antreten oder sind in der Düsseldorfer Altstadt versackt, wie die meisten Kritiker und Zemlinsky-Sympathisanten.

 Gott sei Dank hat der Großteil unseres hochgeschätzten Düsseldorfer Publikums dieses Desaster gar nicht erst bemerkt, da dieses doch sehr unbekannte Werk Gott-sei-Dank vom Regieteam – im Programmheft der Rheinoper unter „Handlung“ auch völlig falsch dargestellt wurde, so daß sich die Empörung in Grenzen in noch akklamatorisch höflichen Grenzen hielten.

 Der Spruch „nichts (Böses) sehen, nichts (Böses) hören, nichts (Böses) sagen“ nach der Lehre des buddhistischen Gottes Vadjra, den wir ja alle kennen, ist nun leider einmal Bestandteil meines hochdotierten Vertrages als General-Intendant der Rheinoper, so dass ich – auch in diesem Fall – vorausgehende Warnung wie „Achtung Christoph Meyer, diese Frau arrangiert einen gigantischen Schwachsinn, der nicht das Geringste mit Zemlinsky zu tun hat!“ oder „Mensch Meyer, Zemlinsky-Kenner und Opernfreunde, die sich vernünftig vorbereiten, werden sich total verarscht fühlen.“ natürlich wie schon beim Skandal-Tannhäuser völlig ignoriert habe.


Foto: Hans Jörg Michel

 Alle Opernfreunde, die dachten, daß wir würden wirklich Zemlinskys begnadete Oper „Eine Florentinische Tragödie“ bringen würden, tauschen wir bei nachgewiesener Kenntnis des Originalinhalts (durch gezieltes Nachfragen an der Retourkasse, versteht sich) selbstverständlich die gekauften Karten wieder um.

 Anmerkung des Kritikers zu dieser Inszenierungskatatrophe:

 Die vorausgehende Meldung ist, mit Verlaub Herr Meyer, natürlich von mir fingiert worden, da ich ansonsten nicht weiter auf dieses unsägliche Produktion von Newcomerin Barbara Klimo eingehen werde, die mein Sitznachbar (ein betagter Wiener!) zurecht und von mir unwidersprochen als „verquirlte Sch…“ betitelte. „Ich werde meine teuren Fahrtkosten von der Rheinoper zurückfordern, denn das ist Betrug; nicht nur am Werk Zemlinskys!“ so der empörte älterer Herr weiter.

 Das war das Schlechteste und Dilettantischste, was mir in sagenhaften 40 Jahren an der Rheinoper Düsseldorf untergekommen ist. Eine Bewertung, der aus meiner Sicht auch völlig überforderten Sänger, erspare ich mir, denn ich gehe davon aus, dass man unter permanenten spastischen Zuckungen, hirnrissigem Bewegungsaktionismus und dümmlichstem Kinderkarnevals-Blödsinn kaum eine vernünftige Sangesleistung dieser extrem schwierigen Partien liefern kann.

 Bilder sagen mehr als Worte – weinen sie mit mir

 Damit die gestrigen völlig betrogenen Zuschauer nicht den Opernführer bemühen müssen, stelle ich hier kurz inhaltlich den tatsächliche Kern der Geschichte von Oscar Wilde/ Zemlinsky dar:

 „Ich kann ertragen Verachtung, Schande von mancher Art, den schrillen Hohn und offenen Schimpf. Doch wer mir irgend etwas stiehlt, das mir gehört, und wär´s auch nur der schlechteste Teller, davon ich meinen Hunger füttre, setzt Seel und Leib auf Spiel bei seinem Frevel und stirbt!“

So singt es der zermürbt heimkehrende Tuchhändler Simone, der seine Gattin überraschend nach, nach längerer Dienstreise heimkehrend zusammen mit dem Stadplayboy und Barden (Sohn des Stadthalters) Guido Bardi antrifft. Den Sex haben sie schon erkennbar hinter sich – dumm, daß Prinz Bardi noch allzu lange danach, auf die sprichwörtliche Zigarette danach, bei seiner Maitresse weilte. es wird seine sprichwörtlich „letzte Zigarette“ gewesen sein. Weiter:

 „Ist die ganze mächtige Welt in dieses Zimmers Umfang eingeengt, und hat drei Seelen als Bewohner nur? So sei der dürftige Raum jetzt eine Weltenbühne, wo Herrscher fall´n und unser tatlos Leben der Einsatz wird, um den Gott spielt.“ Simone macht noch gute Miene zu bösem Spiel, hat er doch sofort erkannt, was Sache ist. Und so verdichtet sich die Handlung und geradezu klaustrophobisch nähert sich der Tod dem immer noch sich naiv gebenden Prinzen. Der anfangs spielerische Waffenvergleich endet für den adeligen Spross letal, der im Todeskampf gerade noch stammeln kann – noch im Tode seine Herkunft bemüht „Nimm mir vom Hals die Würgefinger; ich bin meines edlen Vaters einziger Sohn“ Worauf ihm der Hausherr mit den Worten „Schweig! Dein Vater wird, wenn kinderlos, beglückter sein!“ den endgültigen Garaus macht

 Und so stirbt der Liebhaber zu einer ungeheuren, hochdramatischen Musik. „Und jetzt zu Dir!“ Der Tuchhändler greift sein Messer und wendet sich seiner Gattin zu, die eben noch von ihrem Liebhaber seinen Tod im Zweikampf („Töte ihn! Töte ihn!“) lauthals forderte, doch da ertönt eine der schönsten Melodien, die jemals ein Komponist für die Oper geschrieben hat, und sie intoniert gänzlich traumverloren, fast exstatisch „Warum hast Du mir nie gesagt, dass Du so stark?“

 Und nach einem großen, mehrfach geteilten Streichermeer, welches Wagner nicht schöner in Noten gesetzt haben könnte, erwidert er fasziniert „Warum hast Du mir nicht gesagt, daß Du so schön… bist.“ Riesenfortissimo im aufblühenden Orchester, als wären wir in der Walküre erstem Akt (Lenz) während sich beide in die Arme sinken und sich über der Leiche des gerichteten Nebenbuhlers vereinen. Das hätte sich selbst Wagner niemals getraut! Und die Oper klingt aus in einer Art Erlösungsmotiv, schön wie das der „Götterdämmerung“.

 Mehr an Dramatik kann eine Oper in einer knappen Stunde nicht bieten. Grandiosere Musik ist nie mehr geschrieben worden. Was Zemlinsky hier für ein kompaktes Musikdrama komponiert hat, ist das Ultimo der Gefühle: Liebe, Gleichgültigkeit, Hass, Hassliebe, Betrug, Mord und Verzeihen. Was für ein Welt-Theater! Und alles in ein gerade mal 60-minütiges dramatisches Wechselbad der Gefühle gesetzt, welches den Zuschauer förmlich Atem raubt, wenn es einiger Maßen ordentlich inszeniert wird.

 Mehr Musik geht nicht! Mehr Gefühl ist geradezu unmöglich. Was für hochanspruchsvolle Partien und wie brillant ist die Geschichte doch gesponnen! Dazu ein packender Text von Oscar Wilde Eine echte Gefahr für Opernfreunde mit Bluthochdruck; aber Hand aufs Herz: kann man zu schönerer Musik sterben? Ich finde nein.


Foto: Hans Jörg Michel

 Leider hat man nach diesem Düsseldorfer Inszenierungsmüll und in Kenntnis dieser phantastischen leider vergessenen Wahnsinns-Oper wirklich das Gefühl gleich Sterben zu müssen. Daher meine Nachricht an die Hinterbliebenen: Hallo! Der Mörder des Kritikers Bilsing ist nicht der Gärtner, sondern ein Herr Meyer und eine Frau Klimo in unseliger Symbiose. Bitte dringend verhaften!

 Peter Bilsing

 

 

 

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