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DÜSSELDORF: L’ELISIR D’AMORE. Premiere

31.01.2015 | Oper

Düsseldorf: „L’ELISIR D’AMORE“ – 30.01.2015 (Premiere)

 Die DOR meldet sich eindrucksvoll in den Reihen der führenden deutschen Opernhäuser zu­rück, dieses Mal mit einer gefeierten Neuproduktion von Donizettis „Liebestrank“. Dabei er­scheint die Inszenierung anfänglich gar nicht sonderlich interessant. Der aus Andorra stam­mende Regisseur Joan Anton Rechi hat die Handlung in einem wenig eindrucksvollen Büh­nenbild (Bühnenhintergrund hängt bis zum Schnürboden voller Weingläser) von Alfons Flo­res in ihren Grundzügen belassen, allerdings einige Interpretationen vorgenommen, die durchaus neu sind. So beginnt das erste Bild auf der Hochzeitsfeier der Giannetta, offenbar einer Freundin der begüterten Adina. Nemorino ist dort als Kellner tätig. In die Feier platzt Belcore mit seiner Mannschaft hinein. Während die Damen von ihm sehr angetan sind, gilt das für Adina nicht. Da Belcore aufgrund seines Rangs gewöhnt ist, sich zu nehmen, was er will, löst er das Problem auf seine Weise und kettet sie per Handschelle kurzerhand an sich. Adinas zum Teil rührende Bemühungen, die Fessel loszuwerden, scheitern, selbst als sie mit einer Art Schlachtermesser darauf einschlägt. Nun erscheint Dulcamara in der illustren Ge­sellschaft. Seine Anpreisungen des Liebestranks finden allgemeines Interesse. Die Zutaten schneidet er während seines „Udite, udite“ auf einem Rolltisch selbst zurecht. Das ist unter­haltsam, so wenn er im Takt eine Gurke und anderes Gemüse schneidet.

 Ihren eigenen Wert findet die Regieleistung allerdings erst nach der Pause. Als Adina nach den aus dem Libretto bekannten Koketterien doch noch ihre Zuneigung zu Nemorino entdeckt und Belcore beleidigt auf der Strecke bleibt, wird sie sich ihrer Weiblichkeit bewußt. Sie öff­net sich zunächst das Haar und läßt es über die Schulter fallen, zieht dann aus einem kleinen roten Handtäschchen einen Kamm heraus und macht sich zurecht. Sodann entledigt sie sich ihrer steifen Robe und schlüpft in ein kleines Schwarzes. Plötzlich liegen alle ihre Reize offen zu Tage. Sodann ist sie es, die die weitere Entwicklung in die Hand und Nemorino bei der Hand nimmt. Die Szene geht weit über die Oberflächlichkeit einer Opera buffa hinaus. Das Publikum spürt das und versteht, dass dem Regisseur hier ein Moment emotionaler Tiefe ge­lungen ist. Unterstützt wird er dabei allerdings von den der beschriebenen Verwandlung ideal gerecht werdenden und auch generell sehr attraktiven Kostümen von Sebastian Ellrich.

 Musikalisch stand es fast zum noch Besseren. Kapellmeister Lukas Beikircher befeuerte die hörbar inspirierten Düsseldorfer Symphoniker zu einer fulminanten Leistung. Lediglich dem Solotrompeter unterlief ein Schmiß. Der Chor der DOR
war darstellerisch nachhaltig gefor­dert. Dem Chorleiter Christoph Kurig gelang es dennoch, die Damen und Herren präzise einzustimmen.

Auch die vier Protagonisten waren hohen Ansprüchen gewachsen. Herausragend sang Anett Frisch, bekannt geworden als Donna Elvira der Salzburger Festspiele und im April auch wie­der in Wien zu hören. Die erst 29jährige Leipzigern hat die Belcanto-Technik verinnerlicht, als sei sie in Italien geboren. Ein klangvolles Timbre, zuverlässige Spitzentöne, Intonationssi­cherheit in jeder Lage, kombiniert mit ihrer attraktiven Erscheinung machen sie zum Star von morgen, jedenfalls wenn man ihr Partien mit dieser Schwierigkeit und der Möglichkeit einer darstellerischen Profilierung zugesteht. Eine grandiose Leistung bot auch der Baßbariton Guenes Guerle, ein echtes Multi-Tasking-Talent. Während seiner Auftrittsarie bewegt er sich mit außerordentlicher physischer Eleganz in der Rhythmik der Musik und schneidet, wie oben erwähnt, zugleich in atemberaubenden Tempo die Zutaten zu seinem vermeintlichen Liebes­trank. Mehrfach im Laufe des Abends steht er auch auf dem Tisch oder singt aus dem Publi­kumsraum. Köstlich seine Darstellung einer Transe. Guenes ist zwar eigentlich viel zu jung für den Quacksalber Dulcamara und wird deshalb etwas grau eingefärbt. Seine körperliche Beweglichkeit und Präsenz sind aber atemberaubend. Dazu singt er ähnlich wie Anett Fritsch, als habe er noch nie ein anderes Fach als Belcanto gesungen. Demnächst ist er am Grand Théatre de Génève zu hören. Er wäre mit seinen unerschöpflichen stimmlichen Mitteln sicherlich auch eine Option für Wien, wo er übrigens 2004 den Belvedere-Wettbewerb gewonnen hat.

 Die übrigen drei Mitwirkenden stammen samt und sonders von der „Talentschmiede“ Cluj-Napoca (Klausenburg), dem Stammhaus des im letzten Jahr ausgeschiedenen Wiener Opern­chefs Ioan Holender. Bogdan Baciu war Belcore. Darstellerisch und technisch ließ er keine Wünsche offen. Allerdings scheint mir die Stimme doch ein wenig über das Fach hinauszu­wachsen, zumal er bereits erfolgreich „Brüllpartien“ wie Escamillo und Heerrufer gesungen hat. Ovidiu Purcel besitzt einen gut geschulten Tenor. Ein klassischer tenore leggiero ist er aber eigentlich nicht mehr. Dennoch erntete er für seine Romanze großen Jubel. Darstellerisch hatte ihn die Regie allerdings weit weniger gut bedacht als die drei anderen (eine Torte ins Gesicht geworfen zu bekommen, genügt allein nicht), sodaß er als Figur etwas blaß blieb. Luiza Fatyol gab der kleinen Rolle der Giannetta so viel Profil, wie sie konnte. In der bespro­chenen Produktion gewinnt die Figur allerdings als Braut deutliche Bühnenpräsenz und win­det sich in ihrer kleinen Solonummer in vorzeitigen Wehen. Kurz danach wird sie im Bühnen­hintergrund von ihrem (vorehelich gezeugten) Kind entbunden.

Klaus Ulrich Groth

 

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