Dürnstein/ Stift: 8. SCHUBERTIADE DÜRNSTEIN: „DIE SCHÖNE MÜLLERIN“ MIT DANIEL JOHANNSEN – 11.4.2015
Neben den bekannten Schubertiaden Hohenems und Schwarzenberg gibt es noch eine kleine, feine Schubertiade inmitten der besonders schönen Landschaft der Wachau, die 2008 von dem „Wahl-Kremser“ Robert Holl ins Leben gerufene „Schubertiade Dürnstein“, die heuer bereits zum 8. Mal stattfand. Holl hat sich von der besonderen Atmosphäre des Ortes inspirieren lassen, und diese Atmosphäre inspiriert auch immer wieder Ausführende und Besucher. Ob Franz Schubert jemals in der Wachau war, ist nicht bekannt, aber inzwischen hat sich die dreitägige Schubertiade mit auserlesener Kammermusik, bei der das Schaffen Franz Schuberts im Mittelpunkt steht, als Wachauer „Schubert-Pilgerstätte“ etabliert.
Das Programm des 2. Tages war vielfältig. Als Einstimmung spielte die vielseitige Künstlerin Midori Ortner, die 1996 einen eigenen Musikverein „Freunde der Klavierkunst“ im Ort Pressbaum gegründet hat, im festlichen Barocksaal am kleinen Stutzflügel nicht – wie angekündigt – Schuberts „Sonate in G Dur (op. 78), sondern – wie Initiator Robert Holl mit seiner profunden Bassstimme mitteilte, das „Fragment in c Moll“ (op. 900), das Schubert 1821 (oder später), komponierte. Mit ihrer sehr kontrastreichen Interpretation und persönlicher Sicht auf Schuberts Musik leitete sie zu einem wissenschaftlichen Vortrag von Otto Biba mit dem Thema „Was Schubert alles anders gemacht hat“ über, bei dem einige charakteristische Punkte aus Schuberts künstlerischer Arbeit herausgegriffen wurden, die seinen Kompositionsstil von dem all seiner Zeitgenossen und auch von dem Beethovens, der bis an sein Lebensende am klassischen Stil festhielt, unterscheidet. Schubert leitet bereits zur Romantik über, die in seinen gefühlsbetonten Liederzyklen mit ihren typisch romantischen Texten ihren Niederschlag fand.
Daniel Johannsen, der gegenwärtig zu den gefragtesten Evangelisten seiner Generation gehört, aber auch auf der Opernbühne von sich Reden macht, widmete sich Schuberts „Schöner Müllerin“, am Klavier sehr einfühlsam und mitgestaltend begleitet von David Lutz. Schon nach dem 1. Lied, „Das Wandern“, bei dem Lutz kuragiert loswanderte und Johannsen einen behutsameren Wanderschritt anschlug, hatten beide sofort einen gemeinsamen Konsens für die Liedgestaltung gefunden.
Daniel Johannsen hat alles, was zu einem guten Sänger gehört, eine ansprechende schlanke, leichte, lockere und modulationsfähige Tenorstimme mit Transparenz und vielen verschiedenen Farbnuancen bis hin zu leicht metallischen Effekten, sehr gute Artikulation, Diktion und Textverständlichkeit, die er ganz im Sinne des Inhaltes der Lieder einsetzt, und er ist sich dessen bewusst, was er singt. Er steigerte sich hinein in die gefühlsbetonte Gedankenwelt des enttäuschten, weil schüchternen Müllerburschen, der seine platonisch verehrte „Müllerin“ an den Jäger verliert, der den angeseheneren Beruf und das sicherere Auftreten hat, doch weder larmoyant noch sentimental, sondern ganz im Sinne tief empfundener Gefühle, wie sie auch Schubert eigen gewesen sein mögen.
Mit leichter, sparsamer Gestik unterstrich Johannsen den Lebens-, Liebes- und Leidensweg des Müllerburschen zwischen Leiden, Leid und Leidenschaft, Hoffen und Sehnsucht. Vor den letzten Liedern mit dem traurigen Abschied schlug die Turmglocke der barocken Klosterkirche als würde ihr Klang dazugehören.
David Lutz erwies sich einmal mehr als sehr anpassungsfähiger Begleiter, auch er hat Schuberts persönlichen Stil verinnerlicht. Sein intelligentes, flüssiges Spiel, sein Musikverständnis und sein klangvoller Anschlag bildeten nicht nur eine gute Basis für den Gesang, sondern auch eine glänzende musikalische Ergänzung der gesungenen Liedtexte.
Schuberts Liederzyklen berühren immer noch und immer wieder die Gemüter der Zuhörenden, ganz besonders in einer so intensiven Interpretation, denn nur, „wer selbst brennt, kann auch andere entzünden“.
Ingrid Gerk