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Dresden/Semperoper: 11. SYMPHONIEKONZERT DER SÄCHSISCHEN STAATSKAPELLE MIT HERBERT BLOMSTEDT AM PULT

Dresden / Semperoper: 11. SYMPHONIEKONZERT DER SÄCHSISCHEN STAATSKAPELLE MIT HERBERT BLOMSTEDT AM PULT – 23. 6. 2013


Herbert Blomstedt

 Unter herzlichem Beifall seiner treuen Verehrerinnen und Verehrer und der übrigen Konzertbesucher, die seit diesem Konzert vielleicht auch mit dazugehören, betrat Herbert Blomstedt, der ewig jung gebliebene, ehemalige Chefdirigent der Sächsischen Staatskapelle Dresden (1975 – 1985), der immer noch einen festen Platz im Herzen seines Publikums hat, ein bisschen fülliger geworden (was ihm sehr gut steht) und elastischen Schrittes das Konzertpodium und eröffnete das 11. Symphoniekonzert der Kapelle, im Wagner-Jahr natürlich mit Wagner, dem „Vorspiel“ und „Isoldes Liebestod“ (ohne Gesang, da in der Konzertfassung) aus „Tristan und Isolde“ in seiner frischen, unverfälschten Art vom liebevoll gestalteten Anfang bis hin zur dramatischen Zuspitzung, bei der er nichts ausufern ließ. Die Kapelle spielte vielleicht etwas „gebändigter“ als sonst, aber auch mit vielen Feinheiten.

 Blomstedt ließ es sich nicht nehmen, während des Umbaus für das nächste Stück,“Poesis“ für Orchester des schwedischen Komponisten Ingvar Lidholm, das Publikum persönlich zu begrüßen und in seiner humorvollen, charmanten Art in das Stück seines Freundes, den er 1949 in Deutschland (Darmstadt) kenngelernt hatte, einzuführen. Er leitete auch die Uraufführung (1964) dieser als Auftragskomposition zum 50jährigen Jubiläum des Stockholmer Philharmonischen Orchesters (jetzt Königliche Philharmoniker Stockholm) verfassten Komposition und führt das Stück in den zwei Fassungen des Komponisten immer wieder auf.

 „Nach den schönen Melodien von Wagner“, wie Blomstedt erklärte, erwarteten nun „raue Klänge wie von grobem Sandpapier“ den Hörer. Das Stück schafft neue Möglichkeiten, die Farben eines klassischen Symphonieorchesters sehr intensiv und neu zu erfahren. Es ist kein gefälliges Stück, keine Hymne auf das Jubiläum, sondern ein Vorstoß ins Unbekannte, in neue Klänge und Klangwirkungen von nicht rhythmisch organisierten Naturlauten und Alltagsgeräuschen, mit Glissandi der Violinen und des Kontrabasses, mit großem Vibrato und Kontrabass-Solo (um den Kontrabassisten für neue Musik zu gewinnen, der er vorher vehement ablehnend gegenüberstand). Der nicht-solistische Klavierpart, für den extra der große Konzertflügel herein gerollt wurde, ist nicht im Sinne eines Klavierkonzertes gedacht, sondern ins Orchester integriert. Zunächst darf der Pianist tatsächlich auf den Tasten spielen, dann aber muss er im wahrsten Sinne des Wortes „voll“ in die Saiten greifen, um die große „Kantilene“ auszuführen, was die Pianistin Naomi Shamban sehr gewissenhaft und mit Klangsinn tat.

 Lidholm wollte „Neues“ schaffen, und Blomstedt versöhnte im Voraus das Publikum mit seinen gewinnenden Erläuterungen und köstlichen Instrumenten-Imitationen. Man hätte am liebsten das ganze Stück in seiner Interpretation gehört, obwohl die Staatskapelle sich sehr engagiert der Komposition annahm und mit ihren viel gerühmten Fähigkeiten zur Aufführung brachte. Das Stück ist ein Experiment, ein Vorstoß zu „neuen Ufern“, interessant und unterhaltsam, aber man sollte nur nicht zu sehr nach dem Inhalt fragen, höchstens nach der Absicht.

 So wie in den Konzerten der Dresdner Hofkapelle, der jetzigen Sächsischen Staatskapelle, das Vorspiel zu „Tristan und Isolde“ erstmalig 1863 und in Verbindung mit dem „Liebestod“ 1879 jeweils zusammen mit einer Symphonie L. v. Beethovens, den Wagner sehr bewunderte, aufgeführt wurde, stand auch bei diesem Konzert eine Symphonie Beethovens auf dem Programm, die „Symphonie Nr. 3 Es Dur op. 55, die „Eroica“.

Den 1. Satz frisch und fröhlich und mit viel Temperament musiziert, den 2. Satz entsprechend der Bezeichnung „Marcia funebre“ forsch und resolut, wurden die Emotionen im 3. Satz entsprechend der Enttäuschung Beethovens über Napoleons Kaiserkrönung merklich gedämpft, immer noch leidenschaftlich, aber wehmütig und erschütternd. Der 4. Satz erschien wieder optimistisch und hoffnungsvoll, bis zu einem frohen, fast tänzerischen Ausklang mit „himmlisch“ schönen Holzbläsern.

 Blomstedt sucht und findet immer den richtigen „Mittelweg“. Er geht nicht bis ins Extreme, sondern lässt die Leidenschaften sich in gebändigtem Maß innerhalb einer bestimmten Bandbreite entfalten. Die sehr guten Streicher, und Holzbläser in gut abgestimmter Korrespondenz mit den anderen Instrumenten unterstützten ihn dabei sehr. Die feinen, leisen und doch sehr gut vernehmbaren Paukenschläge unterstrichen den sehr ansprechenden Gesamteindruck.

 Jeder Dirigent hat seine besondere Handschrift, die Blomstedts erfreut sich bei großen Teilen des Publikums ganz besonderer Beliebtheit.

 Ingrid Gerk

 

 

 

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