Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

DRESDEN/ Semperoper: DON CARLO

29.01.2013 | KRITIKEN, Oper

Dresden / Semperoper: “DON CARLO“ – 28.1.2013


Foto: Semperoper Dresden

 Die Grippewelle hat nun auch Dresden erreicht und bei der Sächsischen Staatskapelle offenbar für Ausfälle gesorgt. Die leicht “schrägen“ Einsätze bei den Bläsern ist man hier einfach nicht mehr gewohnt. Der sonst so zuverlässige Chor (Pablo Assante) schien ebenfalls leichte Probleme zu haben, aber die Professionalität von Chor und Orchester konnte diese Probleme überspielen und ließ trotzdem einige Qualität erkennen.

 Als Filippo II., König von Spanien, konnte zum wiederholten Male Matti Salminen, der große Sänger ausdrucksvoller Basspartien, begrüßt werden. Er ist noch immer ein spanischer König auf der Bühne, dem keiner, außer der Großinquisitor zu widersprechen vermag. Seine Stimme ist leiser geworden, aber immer noch ausdrucksstark und klangvoll. Er verkörperte in unmittelbarer Direktheit den alternden König, der als Resümee seines Leben seine Einsamkeit beklagt: „Sie hat mich nie geliebt …“. Hat er wirklich etwas erreicht? Hat ihm die Krone die Macht verliehen, etwas nachhaltig zu bewirken? Allein diese Arie sang Salminen so erschütternd, begleitet von eindringlich schönen Cellosoli und einem kurzen, ebenfalls sehr beeindruckenden Violin-Solo, den besonderen Spezialitäten des Orchesters, dass die mit leiser Stimme gesungenen Worte in ihrem Gehalt noch eindringlicher wurden und stark berührten – die Einsamkeit eines Königs, dessen Macht letzten Endes nichts vermochte. Oper muss so sein, dass selbst der routinierteste Besucher immer wieder erschüttert wird, auch wenn er zum soundsovielten Male die gleiche Oper erlebt.

Die Rolle des Don Carlo hatte Zoran Todorovich übernommen. Seine Stimme ist fest, aber schrill in der Höhe. Er verfügt über eine große Spannbreite zwischen starkem, dramatischem Ausdruck und sehr diszipliniertem Piano. Im Spiel gestaltet er solo sehr eindringlich und mitgestaltend im Zusammenspiel mit seinen Partnern. Die Rolle des Carlo hat er verinnerlicht und gestaltete sie mit seinen bühnenwirksamen Tugenden, die bei einer solchen Rolle überaus wichtig sind.

 Im Duett mit Rodrigo, verkörpert von Christoph Pohl mit seiner geschmeidigen, warmen, überaus wohlklingender Stimme, kam der Gegensatz der beiden Freunde und ihrer Charakter sehr anschaulich zum Ausdruck.

 Pohl war die Überraschung des Abends. Sein Gesang war ein musikalischer Hörgenuss und sein Spiel sehr natürlich, aber eindringlich. Es war eine reife Leistung, die nichts zu wünschen übrigließ. Nach seinem Heerrufer im „Lohengrin“ (17.1.) und diesem Rodrigo kann man auf seine weitere Entwicklung sehr gespannt sein.

 Majorie Owens hatte als Elisabetta mitunter leichte Temposchwankungen. Möglicherweise war ihr das vom Dirigenten Pier Giorgio Morandi angeschlagenen Tempo zu schnell. Obwohl sie immer bemüht ist, schön und gewissenhaft zu singen, berührte sie nur wenig. Sie blieb die kühle Königin.

Tichina Vaughn als ihre Gegenspielerin Eboli hat für diese Rolle ein zu scharfes Timbre. Sie kehrte mehr als üblich das Hysterische und Böse dieser Gestalt heraus. Die Eboli ist aber auch verführerisch (sonst hätte sie der König nicht begehrt) und auf den ersten Eindruck loyal, sonst hätte ihr niemand vertraut. Sie ist nicht notorisch böse, sondern aus gekränkter Eitelkeit und Liebe. Die Vaughn wird die Rollen der bösen Frauen (Jezibaba – „Rusalka“, Ortrud usw. einfach nicht mehr los).

 Michael Eder erreichte an diesem Abend leider nicht die Gefährlichkeit des Großinquisitors, die er schon einmal an gleicher Stelle präsentieren konnte. Er blieb ein eher braver Kirchenmann, den der König (entgegen der Rolle) nicht unbedingt fürchten musste. Relativ schwach waren die Stimme von oben (Elizabeth Zharoff) und der Page der Königin (Christel Lötzsch) mit starkem Vibrato. Beide Sängerinnen sind vom Jungen Ensemble und konnten mit ihren Rollen Bühnen-Erfahrungen sammeln. Tomislav Lucic konnte ebenfalls nur bedingt als Mönch überzeugen.

Immer wieder überzeugt hingegen die Inszenierung, die mit sehr sparsamen, aber ausdrucksstarken und äußerst wirkungsvoll eingesetzten Elementen und gekonnten Beleuchtungseffekten (Jan Seeger) auskommt und Handlung und Musik wirkungsvoll unterstreicht: ein Silberleuchter für die Königswürde, ein Wölkchen am Himmel für die sich langsam androhende und viele Wolken für die sich zusammenziehende Katastrophe und ein paar Schneeflocken für die innere Kälte, das Erfrieren aufrichtiger Gefühle. Selbst die Figuren im Park werden nur durch verhüllte Menschen angedeutet, was gleichzeitig die morbide Bedrohlichkeit ahnen lässt. Wenn beim Autodafé die Scheiterhaufen brennen, beginnt eine Rauchwolke, sich über die Bühne auszubreiten und allmählich die darauf befindlichen Personen bei den Feierlichkeiten einzuhüllen, sie unausweichlich in das Geschehen einzubeziehen – eine atemberaubende Symbolisierung.

 Durch die gut gestalteten, symbolträchtigen Kostüme von Gottfried Pilz, der auch für die Bühne verantwortlich zeichnet, ergibt sich eine stimmige Konstellation zwischen Bühne, Kostümen, Handlung und Musik, die nichts vermissen lässt. obwohl die Bühne fast leer ist (abgesehen von einigen Podesten und der Schädelwand am Anfang und am Ende. Diese Inszenierung geht in Verbindung mit der Musik immer wieder „unter die Haut“.

 Ingrid Gerk

 

 

Diese Seite drucken