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DRESDEN/ Semperoper: WIENER CHARME AN DER ELBE IM 4. KAMMERABEND DER SÄCHSISCHEN STAATSKAPELLE

07.02.2018 | Konzert/Liederabende

Dresden / Semperoper: WIENER CHARME AN DER ELBE IM 4. KAMMERABEND DER SÄCHSISCHEN STAATSKAPELLE DRESDEN – 6.2.2018

 Zwischen Wien und Dresden, Österreich und Sachsen gibt es lange schon auch emotional getragene kulturelle Verbindungen, die vor allem in der Musik ihren Niederschlag fanden und finden.

Im 4. Kammerabend der Sächsischen Staatskapelle Dresden hatten sich Solisten und Kammermusiker des Orchesters zu einem Abend mit seriösen, unterhaltsamen und vorwiegend heiteren Kompositionen aus der (k. k.- bzw.) k. u. k.-Zeit im Österreich des 19. Jh. zusammengefunden.

Wenn irgendwo die Dresdner Kapellsolisten, das 1994 gegründete, hauptsächlich aus Musikern der Sächsischen Staatskapelle bestehende, Kammerorchester unter der Leitung des Mitbegründers und „Primus inter pares“ Helmut Branny angekündigt werden, sind die Erwartungen hoch. Die Dresdner strömen zum Veranstaltungsort, denn sie werden nie enttäuscht – ganz im Gegenteil! Jetzt war (nur) der „harte Kern“ dieses Ensembles, sozusagen das elitäre Kammerorchester des Kammerorchesters, die 1995 gegründete Capella Musica Dresden, mit vielversprechendem Programm zu erleben. Da strömten die Dresdner zur Semperoper, die dann bis in die oberen Ränge gefüllt war, was bei Kammerabenden sonst gar nicht vorgesehen ist.

Im ersten Teil dieses Kammerabends erklang das 1878 in Prag entstandene, 1879 in Berlin uraufgeführte „Streichsextett A‑Dur (op. 48) von Antonín Dvořák, sein einziges Streichsextett. Es eröffnet die „böhmische Periode“ seiner Kammermusik, in der er sich von Richard Wagners neuartigem Stil ab- und dem von Johannes Brahms, seinem damals in Wien lebendenden Förderer und Freund, zuwendet.

Das sehr gut eingespielte Team aus führenden Mitgliedern und bewährten Kammermusikspielern der Sächsischen Staatskapelle (Susanne Branny und Holger Grohs, Violinen, Michael Horwath und Marie-Annick Caron, Viola, Simon Kalbhenn und Anke Heyn, Violoncello) verbanden melancholische und feierliche Klänge, lyrische und schwärmerische Gedanken, berührende Momente und tschechische Volksmusik, die von da an eine bedeutende Rolle in Dvoraks kompositorischem Schaffen spielte, bis zum temperamentvoll gesteigerten Schluss des Finalsatzes in schöner Weise zu einem bruchlosen, großartigen Ganzen in Klangschönheit, Klarheit und Harmonie.

Diese Spannbreite wurde durch die beiden gegensätzlichen Mittelsätze „Dumka“, einem ukrainischen Tanz mit langsamem, gemessenem Charakter im ruhigen Rhythmus und dem „Furiant“, einem eleganten Scherzo mit tänzerischem Schwung bereichert, erstmalig in Dvořáks Kammermusikschaffen auch mit den Tanznamen als programmatische Satzbezeichnungen.

Ganz dem beschwingt Tänzerischen gewidmet war dann auch der zweite Teil. Er brachte die immer wieder „zündenden“ Tänze der Klassiker des tanzfreudigen Wien im 19. Jh. Die Capella Musica Dresden (Susanne Branny und Jörg Kettmann, Violinen, Stephan Pätzold, Viola, Andreas Priebst Violoncello und Helmut Branny, der hier wieder zu seinem Instrument, dem Kontrabass griff, den er auch in der Staatskapelle spielt) eröffnete den Reigen schwungvoller „klassischer“ Tanzmusik, mit dem Walzer „Aufforderung zum Tanze“(op. 7) nicht von Carl Maria von Weber, sondern – von Joseph Lanner (!) im Arrangement des mitspielenden Jörg Kettmann. Lanner hat Dresden nie besucht, er schuf eine ganz andere Verbindung zu der Stadt, indem er Themen aus dem 1819 von Weber in Dresden komponierten, (fast) gleichnamigen „Rondo brillant für das Pianoforte“ entnahm und ins Wienerische „übersetzte“, ein Kuriosum für deutsche Musikliebhaber, die das Stück in- und auswendig kennen und nicht selten selbst auf dem Klavier gespielt haben. Da „stritten sich“ seitens der Komposition „zwei Seelen“ in dem Stück, die gemütvolle, liebenswürdige wienerische und die zurückhaltend distinguiert gefühlvolle, sachlichere deutsche, aber meist verstanden und verbanden sie sich doch.

In Wien hing damals „der Himmel voller Geigen“, nicht nur bei Joseph Lanner und Johann Strauss (Vater), sondern auch bei Johann Strauss (Sohn), der als Markenzeichen sein Orchester mit der Geige leitete und dessen liebenswürdige „Zehner-Polka“ op. 121 (Arr.: Sylvia Färber) mit feinem Humor gespielt, den schwungvollen „Rest“ des Abends einleitete. Es folgte ein bezaubernder Walzer – einmal nicht der beliebte „An der schönen blauen Donau“, sondern der „getupfte“, schwungvoll gespielte „An der Elbe“ (op. 477), und da man schon einmal in Sachsen war, anschließend der „Sachsen-Kürassier-Marsch“ op. 113 (Arr. Hans Hombsch, einst Musiker der Dresdner Staatskapelle). Der Walzer „Vermählungstoaste“ op. 135 (Arr.: Jörg Kettmann), flott und mit echt Wiener Charme gespielt, beendete fröhlich den Abend, der u. a. auch eine „Vermählung“ des Wienerischen und des Dresdner Geschmacks, der Wienerischen und der Dresdner Mentalität darstellte.

Die Musiker spielten köstlich, mit überlegenem Humor und trotzdem mit aller Ernsthaftigkeit und auf äußerste Exaktheit bedacht. Sie hatten eine bunte, repräsentative Auswahl getroffen, die in aller Kürze Strauß‘ kompositorisches Schaffen auf dem Gebiet der „kleinen“ Form umriss.

Die Sachsen schätzen den charmanten, heiteren Charakter der Wiener sehr. Da ging es nicht ohne Zugabe ab, die Bruder Josef Strauss, Straßenbau-Ingenieur, Erfinder, Komponist und Dirigent, lieferte und sich im Gegensatz zu seinen Brüdern immer mit „ss“ schrieb. Bei seiner Polka schnell „Auf Ferienreise“ konnte man förmlich die (Zug‑)Wagenräder rollen hören. Da schloss sich in Gedanken der Kreis zur „Aufforderung zum Tanz“, denn C. M. v. Webers Sohn war ein bedeutender Eisenbahn-Ingenieur – eine Parallele der seltenen Verbindung von Musik und Technik.

Ingrid Gerk

 

 

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