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DRESDEN/ Semperoper: WAGNER SOIRÉE:

Dresden/Semperoper: WAGNER-SOIREE – 10.05.2013

 Im Wagner-Jahr wird Richard Wagner an allen Orten, wo es Musikfreunde gibt, gebührend gefeiert, vor allem mit Aufführungen seiner Opern von den „Feen“ bis zum „Parsifal“. In Dresden wurde er auf besondere Weise gefeiert, indem Sängerinnen und Sänger der Semperoper einen „Geburtstags-Lieder-Kranz für Richard Wagner“ aus Liedern und Gesängen von ihm und verschiedenen anderen Komponisten, die in unmittelbarem Zusammenhang zu ihm standen „wanden“. Es waren Zeitgenossen, die die gleichen Texte vertonten wie er, Konkurrenten, die zunächst mehr Erfolg hatten als er oder Freunde und Verehrer, an denen er sich orientieren konnte oder für die er Vorbild und Orientierung war und die ihn als großen Meister verehrten.

 Hinter dem Musikdramatiker Wagner tritt der Liedkomponist für gewöhnlich zurück.

Wer denkt nicht sofort, wenn er das Wort „Lieder“ in Verbindung mit dem Namen Wagner hört, an die „Wesendonck-Lieder“. Die erklangen hier aber nicht. Sie werden so oft von berühmten Sängerinnen und Sängern gesungen, dass man meinen möchte, es seien die einzigen Lieder, die er komponiert hat. Hier kamen die unbekannteren zur Aufführung, denn er hat wesentlich mehr Lieder und Gesänge verfasst, einige davon auch unvollendet.

 Bei dem von Christel Lötzsch gesungenen Fragment „La tombe dit à la rose“ ergänzte Operndirektor Eytan Pessen, der die Sänger am Klavier begleitete und, da Nora Schmid infolge Krankheit als Moderatorin ausfiel, auch die Moderation mit seinem amerikanisch-deutschen Idiom übernommen hatte, die Klavierbegleitung „mit einigen Akkorden“ selbst. Christel Lötzsch steuerte später noch mit zarter, eng geführter Stimme das Lied „Frühlingsblick“ von Wagners komponierendem Sohn Siegfried Wagner zur Geburtstagsfeier bei.

 Die in Leipzig geschriebenen „Sieben Kompositionen zu Goethes Faust“ (Op. 5) hat Wagner selbst vollendet. Ute Selbig sang daraus mit ihrer schönen, beseelten Stimme Nr. 6 („Meine Ruh ist hin“ („Gretchen am Spinnrade“) und deklamierte Nr. 7 „Melodram Gretchens“, ein Genre, bei dem Worte zur Orchester- oder Klavierbegleitung gesprochen werden. In der Romantik galt diese Form als höchster künstlerischer Ausdruck. In heutiger Zeit stößt sie eher auf Unverständnis, da die Schauspieler nicht mehr in diesem, damals üblichen, melodramatischen Ton deklamieren, sondern eher sehr nüchtern sprechen. Es entspricht nicht mehr der heutigen Hörgewohnheit, und eine Wiederbelebung oder auch nur historisch getreue Wiedergabe gelingt auch gestandenen Sängern selten. Ute Selbig verstand es aber, auch dieser Komposition Ausdruck zu verleihen. Bei ihr liegt selbst in der Sprache Musik.

 Markus Marquardt sang aus den „Faust-Kompositionen“ Nr. 3 „Brandners Lied“ (“Es war eine Ratt‘ im Kellernest“) sowie Nr. 5, das „Lied des Mephistopheles II“ („Was machst du mir vor Liebchens Tür“), Nr. 4, „Lied des Mephistopheles I“ („Es war einmal ein König“) und zum Vergleich „Es war einmal ein König“ Op. 75 von L. v. Beethoven, über den Wagner nie ein böses Wort – wie über die meisten seiner Zeitgenossen -, sondern immer nur Gutes sagte. Marquardt sang die Lieder mit markanter, ausgeglichener Stimme und perfekter Artikulation und differenzierte zwischen den einzelnen Liedern entsprechend ihres unterschiedlichen Charakters.

 Bei dem als Entree von Rachel Willis-Sorensen vorgetragenen Gesang, dem „Gruß seiner Treuen an Friedrich August den Geliebten bei seiner Rückkehr aus England den 9. August 1844“ war die Nähe zur „Hallenarie“ des ein Jahr später in Dresden uraufgeführten „Tannhäuser“ unverkennbar. Nach dieser (formalen) Huldigung ging Wagner einige Jahre später, im Revolutionsjahr 1849 in Dresden gegen den König „auf die Barrikaden“, genauer, während der Kämpfe als Kundschafter auf den Turm der Kreuzkirche.

 Nicht nur Wagner, sondern auch sein um 2 Jahre jüngerer Freund und Schwiegervater Franz Liszt fand den „Tannhäuser“-Stoff interessant und komponierte mehrere Lieder dazu, von denen der slowakische Sänger Pavol Kubán, der jetzt zum Ensemble der Semperoper gehört und in “Dorina e Nibbio“ debütierte, Nr. 4, („Beim Scheiden der Sonne erschimmert“), Nr. 5 („Ich schrieb allzeit nur wenig“) und Nr. 7 („Wo liebende Herzen sich innig vermählt“) sang.

 Während Liszt zahlreiche Lieder schrieb, komponierte Wagner nur etwa 20, von denen Christa Mayer dem Lied „Der Tannenbaum“ (Nr. 4 aus „Vier Lieder“) ihren schönen, warmen Mezzosopran lieh, mit der sie auch überzeugend Hans Pfitzners Lied „Im Herbst“ (Op. 9 Nr. 3) gestaltete sowie „Vier Gesänge“ (Op. 2) von Alban Berg mit den Titeln „Dem Schmerz sein Recht“, „Schlafend trägt man mich in mein Heimatland“, „Nun ich der Riesen stärksten überwand“ und „Warm die Lüfte“. Berg verehrte Wagner zeitlebens. Wenn er einen Raum betrat, in dem ein Flügel stand, schlug er immer einige „Wagner-Akkorde“ an.

 Wagner hatte viele Verehrer und Freunde, unter ihnen auch Robert Franz (1815-1892), zu dem er ein freundschaftliches Verhältnis pflegte. Sein Lied „Widmung“ (Op. 14 Nr. 1) aus „Sechs Gesänge“ wurde von Christopher Kaplan, einem Mitglied des Jungen Ensemble, vorgetragen.

 Wenig freundlich äußerte sich Wagner über den sächsischen Komponisten Franz Abt (1819-1885), der etwa 100 Kompositionen, darunter zahlreiche Lieder, 5 Singspiele und einige Kantaten schrieb. Von ihm wurde nur ein einziges Lied „Wenn die Schwalben ziehen“ zum „Schlager“. Es wurde von Kaplan in seiner schlichten, volkstümlichen Art gesungen. Wagner schrieb in seinen Memoiren, dass er sich trotz des „Schwalbenliedes“ nicht zu Abts Musik hingezogen fühle. Inzwischen wurden aber schon mehrere Kompositionen Abts aufgeführt oder auf CD eingespielt, und man kann durchaus bestätigen, dass sie aus heutiger Sicht des Anhörens wert sind.

 Giacomo Meyerbeer, der als Deutscher schon vor Wagner in Paris und ihm behilflich war, dem Wagner eigentlich viel zu danken hatte, ihn aber Dritten gegenüber oft mit wenig schmeichelhafter Kritik bedachte – wie in einem Brief an Robert Schumann – war mit „La chanson du Maitre Floh“ („Das Lied vom Meister Floh“) und „Menschenfeindlich“, in schöner Weise von Scott Conner gesungen, vertreten.

 Ergänzt wurde das Programm von Wagners Zeitgenossen und ebenfalls Jubilar dieses Jahres, Giuseppe Verdi, dessen Lieder “Perduta ho la pace“ („Meine Ruh‘ ist hin“ Nr. 5) und „Deh, pietoso, oh Adolorata“ („Ach neige, du Schmerzensreiche“) aus „6 Romanzen“, ausdrucksstark von Elizabeth Zharoff vorgetragen wurden.

 Gioachino Rossini, der damals im Gegensatz zu Wagner schon Erfolg hatte, war mit “Ariette à l‘ancienne“ (Nr. 22 aus „Péchés de viellesse) vertreten, dargeboten von Emily Duncan-Brown mit schöner Farbigkeit in der hellen, gut ausgesteuerten Stimme, die voller Leichtigkeit strömt. Mit einer Palette von lieblich, gefühlvoll bis dramatisch, vom wundervollen Piano bis zur kleinen Opernszene gestaltete sie Gaspare Spontinis (1774-1851) „Mignon“ differenziert und ausdrucksvoll, auch in der Mimik.

 Schließlich gehörte auch der im Osten Deutschlands lebende Österreicher Hanns Eisler zu den, Wagner besonders verehrenden, Komponisten. Gala El Hadidi sang mit relativ kleiner, aber doch tragfähiger Stimmer „An eine Stadt“ (Nr. 5) aus „Hölderlins Fragmente“ und „Lied der Kuppplerin“ (Op. 45 Nr. 7) aus „Die Rundköpfe und die Spitzköpfe“, letzteres mit einigem Temperament und erkennbarem Hang zum Chanson.

 Es war ein interessanter, vielseitiger Abend mit äußerst selten zu hörenden Liedern und Gesängen von und um Richard Wagner, ein Abend, der eine oft vernachlässigte Seite Wagners, seiner Zeit und des Liedgesanges ins Bewusstsein rückte.

 Ingrid Gerk

 

 

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