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DRESDEN/ Semperoper: SONDERKONZERT ANLÄSSLICH DES 200jÄHRIGEN BESTEHENS DES SÄCHSISCHEN STAATSOPERNCHORES MIT CHRISTIAN THIELEMANN, CHRISTIANE KARG UND CHRISTOPH POHL

02.05.2018 | Konzert/Liederabende

Dresden / Semperoper: SONDERKONZERT ANLÄSSLICH DES 200jÄHRIGEN BESTEHENS DES SÄCHSISCHEN STAATSOPERNCHORES MIT CHRISTIAN THIELEMANN, CHRISTIANE KARG UND CHRISTOPH POHL – 1.5.2018

Der Sächsische Staatsopernchor Dresden konnte im Oktober sein 200jähriges Bestehen feiern. Er wurde am 8.10.1817 per königlichem Dekret gegründet – ein Verdienst Carl Maria von Webers, der als neu engagierter Hofkapellmeister den Auftrag erhielt, neben der traditionsreichen italienischen Oper am Königlichen Hoftheater in Dresden auch ein deutsches „Opern-Departement“ aufzubauen. Über die Jahrhunderte hinweg hat sich der Chor unter der Leitung zahlreicher Künstlerpersönlichkeiten zu einem erstrangigen und gefragten Klangkörper entwickelt, was er in den zahlreichen Opernaufführungen, in denen er den Rahmen, einen wesentlichen Faktor der Handlung und/oder das sichere Fundament bildet, und bei seiner regen Konzerttätigkeit immer wieder unter Beweis stellt. Ihn zeichnen homogener Klang, Klangfülle und Tondichte, kultivierter Pianogesang und Noblesse aus.

An seinem Gründungstag, auf den Tag genau 200 Jahre später, fand ein Jubiläumskonzert in seiner Hauptwirkungsstätte, der Semperoper, statt. Jetzt gratulierte die Sächsische Staatskapelle Dresden unter der Leitung ihres Chefdirigenten Christian Thielemann mit dem „Deutschen Requiem“ (op. 45) von Johannes Brahms und rundete damit die Jubiläumsspielzeit des Chores ab.

Das Requiem, dessen Texte Brahms in eigenem Ermessen nach Worten der Luther-Bibel zusammenstellte, wird in Dresden traditionsgemäß alljährlich zum Totensonntag / Ewigkeitssonntag vom Dresdner Kreuzchor in der Kreuzkirche aufgeführt. Jetzt war es in der Semperoper mit dem Sächsischen Staatsopernchor in der wie immer sehr zuverlässigen Einstudierung von Jörn Hinnerk Andresen und der Sächsischen Staatskapelle nicht nur in einem ganz anderen Rahmen, sondern auch in einer anderen Klangwelt zu erleben. Hier hatte das Werk weniger persönlichen als vielmehr monumentalen sinfonischen Charakter und war aus einer ganz anderen Sicht zu erleben. Die „Uraufführung“ der ersten drei Sätze – mehr wollte man 1867 „dem Publikum nicht zumuten“ – durch den Wiener Singverein fand auch in einem Konzertsaal, in einem Konzert der Gesellschaft der Musikfreunde, in Wien statt. Später kamen Kirche und Konzertsaal gleichermaßen als Aufführungsorte in Betracht.

Brahms‘ „Deutsches Requiem“, ist keine Totenmesse im üblichen Sinn, keine Vertonung des lateinischen Textes der katholischen Liturgie, sondern ein individuelles Werk eher sinfonischen Charakters bzw. wenn man so will, ein „Oratorium mit Sopran- und Bariton-Solo, vierstimmigem Chor und Orchester, wenn auch die dramatische Komponente fehlt. Brahms wählte dafür Texte aus, in denen der Trost für die Hinterbliebenen, „die da Leid tragen“, im Mittelpunkt steht, eine von Ernst, Würde und Zuversicht getragene Musik für die Lebenden.

Er vollendete das Werk nach dem Tod seiner Mutter. Man meint, eine ganz persönliche Beziehung in jeder Phase zu spüren, nicht nur in der Bariton-Partie, die wie der in der Welt zurückgebliebene Mensch (Brahms selbst) in seiner Verzweiflung erscheint, der Trost und Halt sucht, und in der Sopran-Arie, die wie die Vision einer weiblichen Gestalt (seiner Mutter) in einem dezenten Crescendo „heranschwebt“, eine Weile mit dem oder den Menschen spricht und langsam wieder diminuendo entschwindet, sondern in jeder Textzeile, jeder Note, in der nach einem Sinn des Todes und des irdischen Daseins gesucht wird.

Thielemann hatte das Werk groß angelegt mit groß besetztem Chor und Orchester, wodurch eine ganz andere Klangwelt gegeben war. Er formte aber auch sehr eindrucksvolle Details aus, die bereits im Vorfeld an seinen sehr individuellen Dirigier-Bewegungen förmlich abzulesen waren. Man konnte verfolgen, wie die Musik nach seinen Vorstellungen unter seinen Händen entstand.

Mit innerer Anteilnahme und sehr ansprechender, klangvoller Stimme gestaltete Christoph Pohl die Baritonpartie, während Christiane Karg die Schwierigkeiten der Sopran-Arie mehr rational auf die gesangstechnische Seite konzentriert, eher opernhaft und mit leichtem, aber unüberhörbarem Vibrato sang.

Es war eine eindrucksvolle, ans Monumentale grenzende Aufführung mit oft gewaltigen Klangballungen, die in überwältigender Weise berührte und auch nachdenklich machte.

Ingrid Gerk

 

 

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