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DRESDEN/ Semperoper: SCHWANDA, DER DUDELSACKPFEIFER

17.05.2012 | Allgemein, KRITIKEN, Oper

Dresden Semperoper: “SVANDA DUDÁK“ („SCHWANDA, DER DUDELSACKPFEIFER)“17.5.2012 (Pr. 24.3.2012)


Der Räuber Babinský (Ladislav Elgr) trifft als reisender Gentleman in der Hölle ein . Foto: Matthias Creutziger 

Jaromir Weinbergers, im besten Sinne volkstümliche Oper „Svanda dudák“ stand einst in der Beliebtheitsskala ganz oben, noch vor „Zauberflöte“, „Fledermaus“, „Carmen“ und den großen Musikdramen Wagners. Nach einer 1927 wenig Aufsehen erregenden Uraufführung am Prager Nationaltheater trat sie wenig später von Berlin aus ihren Siegeszug um die Welt an, bis die Nazis in Deutschland ein Aufführungsverbot verhängten und die Oper schließlich in Vergessenheit geriet. Die Musik stellt sich als gute „Mischung“ zwischen böhmischer Folklore, Tanzrhythmen, eingängigen Melodien und dramatischen Orchesterpassagen dar, die an Dvorák („Slawische Tänze“), Smetana, Weinbergers Lehrer Max Reger und auch Richard Strauss („Salome“) erinnern und nicht zuletzt in der großen Höllenfuge, wenn der Teufel selbst mit entsetzlich schrägen Tönen auf Svandas Dudelsack zu spielen versucht – möglicherweise einen Bezug zu den 1921 gegründeten „Donaueschinger Kammermusikaufführungen zur Förderung zeitgenössischer Tonkunst“.

Einer Welt, in der die Technisierung einen enormen Aufschwung nimmt, wo Otto Lilienthal erstmalig der Non-Stop-Flug nach Amerika gelang und die erste Funkverbindung zwischen Deutschland und Amerika zustande kam, stellte Weinberger die Besinnung auf die ursprünglichen Werte der Menschen gegenüber, die gesunde Lebenseinstellung und kulturelle Tradition. Mit den üblichen Klischees, ehrliche Volksseele, Verlockung der reichen Glamour-Welt, die Rückbesinnung auf die ursprüngliche, zwar bescheidene, aber ehrliche und glückliche (?) Lebensweise und die „Zauberwirkung“ der Musik bei der Errettung aus Lebensgefahr, hier zuerst mit einem winzigen Triangel, mit dem Babinský die ihn verfolgenden Polizisten betört, dann Svandas Dudelsackspiel, das die Höllengestalten besänftigt (vgl. „Zauberflöte“).

 1930 fand die erfolgreiche Erstaufführung für Dresden statt. Jetzt übernahmen zahlreiche Sender den Mitschnitt von der Premiere im März dieses Jahres. Vielleicht kann von hier aus eine Neubelebung dieser Oper ausgehen.

 Axel Köhler hat bei der Neuinszenierung seinen Erfahrungsschatz als Sänger und seine Erfahrungen aus seinen zahlreichen Inszenierungen eingebracht. Arne Walter lieferte dazu das Bühnenbild. Die Handlung bzw. die „Vorgeschichte“ beginnt bereits während der ungewöhnlich langen Ouvertüre. Der vom (historisch belegten) Räuber Babinský zu einer Art Robin Hood hochstilisierte Räuber (Ladislav Elgr) reist im sportlichen Piloten- und Autofahrer-Outfit der „goldenen“ 20er auf einem großen alten Koffer durch die Welt, erst noch auf den Brettern, die die Welt bedeuten, später schwebt er damit auch schon mal mit oder ohne Svanda im Doppelpack durch die Luft.

 Die Kostüme (Henrike Bromber) sind stimmig, sehr schön die Variante, wenn im frostigen Königspalast das Gefolge seine Kostüme geschickt vom eisigen Grau in farbenfreudiges Bunt verwandelt, und später wieder zurück ins Grau.

 Nachdem Babinský alles geraubt hat, was ihm begehrlich schien, wird er zum Gentleman, der Svanda (Christoph Pohl), der als braver Bauer sonntags auf seinem Dudelsack wundersam spielen und den Menschen Freude bringen kann, die ganz große Karriere verspricht und ihn in die weite Welt mitnimmt, um das große Geld zu machen. Da trennt sich Svanda sogar von seiner über alles geliebten und ihn über alles liebenden Dorotka (Marjorie Owens), die er erst vor eine Woche geheiratet hat. Sie würde sich gern mit dem einfachen Landleben in der Natur und dem kleinen Glück begnügen, das in ihrem kleinen Glashaus, pardon Gewächshaus angesiedelt ist.

Svanda macht sein Glück – zunächst. Er kommt zu einer entsetzlich traurigen Königin (Tichina Vaughn), der Babinsky die Schatzkammer ausgeraubt hat und die sich in ihrem großen Gewächshaus alias Königspalast, um den Mond und Sterne kreisen (die bewährten Theaterelemente kommen immer wieder an und beleben die Szene), weder von ihrem erstarrten Gefolge noch vom Harlekin oder einem (wenig kraftvoll wirkenden) Kraftsportler (Choreografie: Gaetano Posterino) aufheitern lässt. Durch sein Dudelsack-Spiel kommen für sie Freude und Glück zurück, so dass sie ihn gleich heiraten möchte. Der erste Kuss gerät aber schon zum Desaster, wenn er seiner, ihm nachgereisten, sehr eifersüchtigen, treuen Dorotka erklärt: „Wenn ich sie nur zur Hälfte oder einem Viertel oder einem klitzekleinen Stück geküsst habe, soll mich der Teufel holen“.

Da versinkt er auch schon in der mit einer äußerst makabren, alle Menschen lebend verschlingenden Höllenmaschine ausgestatteten Hölle, wo er dem Teufel (Michael Eder) sein Dudelsackspiel natürlich verweigert. Schließlich trickst ihn der Teufel aus, indem er ihn mit Dorotkas angeblichem Erscheinen die Unterschrift für den Verkauf seiner Seele entlockt – eine sehr geschickte Szene, wenn Dorotka kurz auftaucht und wieder im Höllengefolge verschwindet. Stattdessen wird ihm des Teufels Großmutter offeriert, als köstliches Kabinettstück gespielt von Timothy Oliver, der auch als stotternder Scharfrichter für Heiterkeit sorgt, wenn er bemerkt, dass Babinský sein Henkersbeil mit einem Besen vertauscht hat.

 Der clevere Babinský greift überall im entscheidenden Moment ein, zieht selbst den Teufel beim Kartenspiel, dem Höllen-Mariage, über den Tisch, gewinnt alles, seine und Svandas Seele zurück, das halbe Höllenreich und des Satans Schätze, die er mit Ausnahme der Seelen an den nun „armen Teufel“, der sogar seinen Ruf verloren hat, wieder zurückgibt. Babinský hat alles, nur keine Liebe. Selbst die gute Dorotka weist ihn zurück. Er führt sie als Liebesbeweis zu Svanda in die Hölle, rettet letzterem das Leben und führt das liebende Ehepaar wieder zurück in ihr beschauliches bäuerliches Glashaus, nun beide alt und ergraut, aber wieder glücklich und zufrieden, selbst der Teufel, nur Babinský nicht.

Ende gut – alles gut? Die Sänger bewältigten ihre Aufgaben gut, Pohl mit schöner, Tichina Vaughn mit ziemlich scharfer, aber sicherer Stimme. Marjorie Owens passte rundum in ihre Rolle. Eder spielte einen halb grimmigen, halb bedauernswerten Teufel.

Der Sächsische Staatsopernchor mit seinen schönen Stimmen (Einstudierung: Christof Bauer) sang in großer Besetzung erstaunlich unisono und sehr klar, aber vor allem beim fröhlichen Happy end aus den Proszeniumslogen mit übermäßiger Lautstärke, die in diesem Haus nicht erforderlich ist – weniger wäre hier wirklich mehr. Die Sächsische Staatskapelle Dresden spielte unter der Leitung von Constantin Trinks sehr zuverlässig und bildete das sichere musikalische Fundament.

 Man hat gespannt auf die Bühne geschaut, hat sich amüsiert und drei Stunden mit Spannung erlebt, ob aber allen der Symbolgehalt und die, in einer sehr volkstümlichen Szenerie versteckten Bezüge deutlich wurden? Man hätte sich manches noch akzentuierter vorstellen können.

Ingrid Gerk

 

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