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DRESDEN/ Semperoper: : L. v. BEETHOVENS „MISSA SOLEMNIS“ UNTER CHRISTIAN THIELEMANN IM 6. SYMPHONIEKONZERT DER SÄCHSISCHEN STAATSKAPELLE DRESDEN

15.02.2016 | Konzert/Liederabende

Dresden / Semperoper: L. v. BEETHOVENS „MISSA SOLEMNIS“ UNTER CHRISTIAN THIELEMANN IM 6. SYMPHONIEKONZERT DER SÄCHSISCHEN STAATSKAPELLE DRESDEN – 14.2.2016

Eine gute Tradition, die sich die Dresdner auch in der Vergangenheit nicht nehmen ließen, sind die Gedenkkonzerte aus Anlass des 13. Februar 1945, dem Tag, als die historische Innenstadt gegen Ende des 2. Weltkriegs bei einem Flächenbombardement in Schutt und Asche sank und zehn- oder hunderttausende Menschen qualvoll starben (über die genaue Anzahl gibt es sehr unterschiedliche Meinungen).

Christian Thielemann, dem diese Gedenkkonzerte sehr am Herzen liegen, ließ es sich nicht nehmen, auch in diesem Jahr die traditionelle Aufführung zu leiten. Für ihn war es das 4. Mal in der langen Geschichte dieser besonderen Konzerte, seit Rudolf Kempe (1951) zum ersten Mal aus diesem Anlass die „Messa da Requiem“ von G. Verdi mit der Sächsischen Staatskapelle Dresden (damals Dresdner Staatskapelle) aufführte. In den Folgejahren erklangen auch weiterhin oft die „Messa da Requiem“ von G. Verdi, aber auch mehrmals „Ein Deutsches Requiem“ von J. Brahms, die „Große Totenmesse“ von H. Berlioz, das „Requiem“ von W. A. Mozart, das „War Requiem“ von B. Britten, die „Symphonie Nr. 9“ von L. v. Beethoven u. a.

Beethovens „Missa solemnis“ D-Dur (op. 123)“ erklang in diesem Konzert zum 5. Mal und zum zweiten Mal unter Christian Thielemann. In seiner akribisch gründlichen Art setzte er sich intensiv mit dem Werk auseinander und bescherte eine Aufführung von äußerster Präzision und Perfektion im neuen „Konzertzimmer“, der Bühnendekoration, mit der die Semperoper in einen optisch sehr ansprechenden und akustisch sehr vorteilhaften Konzertsaal verwandelt werden kann.

Bei dieser Akustik bedurfte es eigentlich nicht unbedingt der enormen Lautstärke und des sehr zügigen Tempos im „Kyrie“ und „Gloria“, um die überwältigende Expressivität und Heftigkeit der Aufführung zu erreichen, die vom ersten Ton an durch äußerste Präzision, perfekte Abstimmung und Ausgeglichenheit bestach.

Die Kapelle spielte perfekt, und das nicht nur prominente, sondern sehr gut abgestimmte, ausgewogene und adäquate Solistenquartett mit Camilla Nylund, Elisabeth Kulman, Daniel Behle und Georg Zeppenfeld tat sein Möglichstes, um eine ideale Harmonie zu erreichen. Alle Timbres passten zusammen, alle vier Solisten fügten sich in kongenialer Weise in das Quartett und den Gesamtcharakter der Aufführung ein. Sie stellten sich mit ihrer Gesangspartie ganz in den Dienst des Werkes, traten mit ihren gut gestalteten Solopartien zeitweilig aus dem Quartett heraus und ließen sie wieder darin verklingen, ein kongeniales, harmonisches Miteinander, wie es nur sehr selten vorkommt.

Camilla Nylund setzte mit ihrem klangvollen Sopran stets sehr einfühlsam ein, so dass sich ihre Stimme aus dem Gesamtklang zu erheben schien. Entsprechend den Gegebenheiten der Komposition übernahm sie oft die Führungsstimme und verlieh dem Solistenquartett Glanz, ohne vordergründig zu wirken. Besonders schön erklang das „Amen“ am Ende des „Credo“, in das die anderen Solisten dann klangvoll einstimmten.

Elisabeth Kulmann verlieh mit ihrem schönen, farbenreichen Timbre der Mezzosopran-Partie viel Wärme und Ausdruckskraft. Daniel Behles klug eingesetzte Stimme harmonierte in allen Situationen sehr gut mit den anderen Stimmen, und Georg Zeppenfeld, der seine Stimme ebenfalls einem guten Gesamteindruck lieh, hatte vor allem gegen Ende der Messe Gelegenheit, seine vielfältigen gesanglichen Tugenden einzusetzen.

Entsprechend seiner Maxime setzte Thielemann neben extremer Präzision auf sehr starke Kontraste. Die Staatskapelle folgte ihm in jeder Phase mit der ihr eigenen exakten und klanglichen Umsetzung vom gewaltigen Fortissimo in „Kyrie“ und „Gloria“, bei dem das Orchester in völliger Übereinstimmung mit gleichem Atem zu musizieren schien und die Solisten sehr einfühlsam einstimmten, bis zu sehr schönen lyrischen Passagen wie im „Gratias agimus tibi“.

Höhepunkt für das Solistenquartett waren „Sanctus“ und „Benedictus“ in völliger Übereinstimmung und Ausgeglichenheit zwischen Solisten, Chor und Orchester, wobei die Messe bis zum gewaltigen „Osanna“ in ihren geistigen Tiefen ausgelotet wurde und eine gewaltige Auflösung erfuhr, nach der das lange, von Matthias Wollong perfekt und feinfühlig, mit viel Anteilnahme gespielte Violinsolo, begleitet von Chorstimmen und anderen Instrumenten, wie eine humane Tröstung wirkte.

Der von Jörn Hinnerk Andresen sehr sorgfältig vorbereitete Sächsische Staatsopernchor Dresden in großer Besetzung wurde oft zu großer Lautstärke gefordert, wobei die im Mezzoforte bis Piano sehr gut klingenden Stimmen von ihrem guten Klang etwas verloren wie im wuchtigen „Amen“. Der Chor konnte aber auch mit sehr feinem Pianissimo aufwarten, wie im „Credo“ bei ex Maria Virgine“.

Es war alles perfekt, vokal und instrumental, aber eine gewisse Kühle ließ sich nicht leugnen. Der berühmte Funke, den niemand erzwingen kann, sprang erst gegen Ende der Aufführung über, als Georg Zeppenfeld das „Agnus“ dei“ mit dem Chor im Hintergrund weihevoll, mit inniger Anteilnahme und seiner auffallend schönen Stimme mit den samtenen Tiefen sang, ganz im Sinne des Mottos „Von Herzen – Möge es wieder – Zu Herzen gehn!“, das Beethoven über seine große feierliche Messe mit ihrer tiefmenschlichen, von aller Religiosität unabhängigen, allumfassenden Aussage, schrieb und in dessen Sinne dann auch die anderen Solisten in ähnlichem Bestreben einstimmten.

Die Messe schloss mit einem gewaltigen „Dona nobis pacem“ , bei dem das Orchester einen geschlossenen Klangteppich bildete, einschließlich Pauke, die sich während der gesamten Aufführung vom Fortissimo bis zum feinen Piano immer konform in den Orchesterklang einfügte und dabei die richtigen Akzente setzte.

Ingrid Gerk

 

 

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