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DRESDEN/ Semperoper: GUNTRAM . Opernrarität von Richard Strauss, Konzertant

03.03.2014 | Allgemein, KRITIKEN, Oper

Opernrarität in Dresden: „Guntram“ von Richard Strauss (konzertant: 2. 3. 2014)

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Der israelische Dirigent Omer Meir Wellber leitete die Sächsische Staatskapelle Dresden, rechts im Hintergrund Frank van Aken als Guntram (Foto: Matthias Creutziger)

 „Ich habe selbst das Gefühl, dass ich mir mit diesem Guntram alles vom Herzen geschrieben habe, was ich bis jetzt an Gelerntem und nur teilweise Erlebtem in mir hatte, und der Guntram bedeutet somit den Abschluss meiner Lehrjahre und nun soll’s hinausgehen in die weite Welt“, schrieb Richard Strauss am 1. Februar 1894. Wenige Monate später, am 10. Mai 1894, wurde seine erste Oper, an der er fünf Jahre lang arbeitete, in Weimar uraufgeführt. 

 Während Pauline de Ahna, die Verlobte des Komponisten, in der Rolle der Freihild „vom Publikum bejubelt und von der Presse in höchsten Tönen gelobt“ wurde, wie man dem Programmheft der Semperoper entnehmen kann, musste sich Strauss „mit überwiegend zurückhaltend höflichen Besprechungen seines Stückes begnügen“. In den letzten dreißig Jahren kam es zwar zu einigen konzertanten Aufführungen – 1983 in der Carnegie Hall in New York, 1988 in Mailand und München und 1997 als französische Erstaufführung in Montpellier –, doch bloß zu zwei szenischen Interpretationen durch Gustav Kuhn 1998 in Garmisch-Partenkirchen und 2005 in Catania auf Sizilien.

Anlässlich des Richard-Strauss-Jahres (am 11. Juni 2014 jährt sich sein Geburtstag zum 150. Mal) brachte nun die Semperoper in Dresden, wo immerhin neun seiner Opern uraufgeführt wurden, mehrere konzertante Aufführungen von „Guntram“.

Die Handlung der Oper, deren Libretto der Komponist selbst verfasste, kurz beschrieben: Guntram und Friedhold sind Mitglieder des Geheimbundes „Streiter der Liebe“. Guntram verliebt sich in Freihild, die Gattin von Herzog Robert, unter dessen despotischer Herrschaft das ganze Land leidet. Während einer Auseinandersetzung tötet Guntram den Herzog, erkennt aber, dass er damit den Idealen seines Bundes nicht entsprochen hat. Er entsagt deshalb seiner Liebe zu Freihild und eröffnet ihr ihre Bestimmung, in Zukunft als Regentin des Landes Gerechtigkeit und Milde in ihrem Volk zu stiften.

 Die Sächsische Staatskapelle Dresden, die zu den renommiertesten Klangkörpern Europas zählt, wurde vom jungen israelischen Dirigenten Omer Meir Wellber mit von leidenschaftlicher Begeisterung geprägtem Einsatz geleitet. Er gab zur Oper „Guntram“ ein Interview, das im Programmheft der Semperoper abgedruckt wurde. Ein paar Zitate aus diesem aufschlussreichen Gespräch: „Es ist beeindruckend: Strauss war erst dreißig Jahre alt, als er seine erste Oper schrieb, und doch hört man schon viel von seiner eigenen Musiksprache. Er entwickelte zum Beispiel diese einzigartige Weise der Harmonik, die vom Beginn bis zum letzten seiner Werke charakteristisch für ihn ist. Insofern klingen aus «Guntram» bereits «Salome», «Rosenkavalier» oder «Daphne» heraus, denn schon hier entwickelte er einige seiner besten harmonischen Modulationen.  … Was mir allerdings im Laufe der Proben erst bewusst geworden ist und worüber ich sehr überrascht war, ist das rasante Tempo, das die ganze Oper gewissermaßen antreibt, besonders in den Arien des Guntram und Freihilds. … Diese durchgängige Geschwindigkeit habe ich in noch keinem anderen Werk erlebt.“

 Und genau diese rasante Geschwindigkeit machte den beiden Interpreten der Hauptrollen auch Probleme. Man darf ohne Übertreibung von einer mehr als schweißtreibenden Rolle des Guntram sprechen, die vom niederländischen Tenor Frank van Aken mit bewundernswertem Einsatz gesungen wurde. Konnte er sich den Schweiß im ersten Aufzug noch mit einem Taschentuch abtrocknen, benötigte er im zweiten und dritten bereits ein großes Handtuch. Hut ab vor seiner Leistung, die ihn manchmal an den Rand seiner Leistungsfähigkeit brachte.

 Nicht viel weniger anspruchsvoll war die von der amerikanischen Sopranistin Marjorie Owens gesungene Partie der Freihild. Auch sie musste des Öfteren wie Guntram, in der Schlussszene auch gemeinsam mit ihm, gegen die enorme Lautstärke der Musik ankämpfen. Manchmal waren auch ihre Bemühungen nicht von Erfolg gekrönt.

 Der Bariton Raphael Sigling sprang als Herzog Robert für den erkrankten Markus Butter ein und bewältigte seine Partie ohne Probleme. Mit seinem kräftigen und wohlklingenden Bass kam Georg Zeppenfeld als alter Herzog mühelos über die extrem lauten Klänge der Partitur, wobei er sehr wortdeutlich sang. Er wäre wohl auch in einer szenischen Aufführung eine Idealbesetzung für diese Rolle. Ebenfalls rollengerecht agierte der in England geborene Bariton Simon Neal als Friedhold, der im dritten Aufzug vergeblich Guntram auffordert, sich für den Mord am Herzog dem Urteilsspruch des Bundes zu unterwerfen.

 In kleineren Rollen waren noch der amerikanische Tenor Aaron Pegram als des Herzogs Narr, die Altistin Christa Mayer als alte Frau, der französische Tenor Gilles Ragon als alter Mann sowie als Vasallen der Bariton Evan Hughes und die Bässe Tilmann Rönnebeck und Peter Lobert zu hören. Ergänzt wurde das Sängerensemble vom slowakischen Bariton Pavol Kubán in der Rolle eines Boten und von den deutschen Minnesängern Frank Blümel, Alexander Schafft, Andreas Heinze und Holger Steinert. Stimmkräftig zeigten sich die Herren des Sächsischen Staatsopernchores Dresden (Leitung: Wolfram Tetzner).

 Dass Richard Strauss zwar ein hervorragender Komponist war, dessen Partitur im „Guntram“ des Öfteren nach Wagner klang, aber keine poetischen Gabe hatte, merkte man an den Texten des Librettos. Er tat gut daran, bei seinen späteren Opern mit renommierten Dichtern wie Hugo von Hofmannsthal und Stefan Zweig zusammenzuarbeiten.

 Das Publikum im leider nur zu etwa zwei Drittel besetzten Haus feierte am Schluss der Vorstellung vor allem die Sächsische Staatskapelle und ihren Dirigenten, zollte aber auch dem Sängerensemble reichlich Beifall, unter den sich ein paar Bravorufe für die Interpreten der beiden Hauptrollen, Marjorie Owens und Frank van Aken, mengten.

   Udo Pacolt

 

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